Hunderte Menschen blockierten erfolgreich mehrere Pro NRW-Kundgebung während des Landtagswahlkampfs. Heinz Willemsen war dabei und berichtet von der antirassistischen Mobilisierung
Mit Kampagnen gegen das Kopftuch oder den Bau von Moscheen und Minaretten versucht Pro NRW Mehrheiten in der Bevölkerung zu gewinnen. Durch das per Volksentscheid durchgesetzte Minarettverbot in der Schweiz und die Debatten um das Verbot der Gesichtsverschleierung in Frankreich und Italien fühlen deutsche Rechtsextreme sich ermutigt. Gruppierungen wie die NPD, pro Köln und pro NRW wollen die Erfolge der populistischen Kampagnen in Deutschland kopieren und wollten davon auch bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen profitieren. Einstweilen ist daraus erst einmal nichts geworden. Landesweit erhielt Pro NRW nur 1,4 % der Stimmen. Dazu beigetragen haben auch die massiven Proteste auf die Pro NRW gestoßen ist, etwa im April in Duisburg Marxloh und auch bei ihrer Wahlkampftournee durch 20 Städte in der Woche vor der NRW-Wahl.
Am 3. und 4. Mai hatte sich die selbsternannte Bürgerbewegung Ostwestfalen für ihren als christlichen Kreuzzug gegen eine angeblich drohende Islamisierung daherkommenden Wahlkampf vorgenommen. Den Auftakt machten am Montag den 3. Mai vier Kundgebungen zunächst in Minden und danach in Bad Salzuflen, Bielefeld und Gütersloh. Für die »heiße« Phase des Wahlkampfs hatte die Partei einen überdimensionierten Bus im Einsatz, der offensichtlich von der belgischen Rechtspartei »Vlaamse Belang« zur Verfügung gestellt worden war (belgisches Kennzeichen + Vlaams Belang-Zeitungen hinter der Frontscheibe) und dem mit Patrick Brinkmanns finanziellen Mitteln eine Pro NRW-Aufschrift verpasst wurde. Das kleine Häuflein von 15 Pro NRW-Anhängern (samt drei mit dunklen Sonnenbrillen und dunklen Anzügen bekleideten Ordner, ebenfalls eine Leihgabe des Vlaams Belang) das dem blauen Gefährt entstieg, traf in allen Orten auf zahlreichen und lautstarken Protest. In Minden und Bad Salzuflen störten 120 bzw. 60 Demonstranten die rechte Kundgebung, ein schöner Erfolg angesichts der Tatsache, daß es vorher keine nennenswerte Mobilisierung gegeben hatte. In Minden verzögerte zudem noch eine Sitzblockade von 50 Menschen die Weiterfahrt des Busses.
Die Pro NRW-Kundgebung in Bielefeld sollte ursprünglich vor dem Rathaus stattfinden. Da dort für den 03.05. jedoch schon lange vorher eine Kundgebung der SPD mit Hannelore Kraft angemeldet war, wollte Pro NRW ihre Kundgebung auf Bielefelds größtem Platz in der Innenstadt, dem Jahnplatz, abhalten. Insgesamt 60 Initiativen, Gruppen und Parteien (von der LINKEN bis zur CDU) hatte dazu aufgerufen, den Jahnplatz ab 13.00 Uhr zu blockieren. Während Pro NRW eine Ecke auf dem Platz für ihre Kundgebung genehmigt bekommen hatte, hatten die Grünen den Rest des Platzes für eine eigene Veranstaltung angemietet. So kam es, dass um 15.00 Uhr knapp 400 Pro NRW-Gegner den Jahnplatz besetzt hielten. Von Pro NRW war nichts zu sehen. Nur zwei Personen aus der Busmannschaft ließen sich am Rande der Versammlung blicken. Nachdem immer mehr Demonstranten sie bedrängten (ohne handgreiflich zu werden), suchten sie das Weite. Pro NRW hatte von vornherein aufgegeben, auf den Jahnplatz zu kommen und hatte kurzfristig im Stadtteil Brackwede (Arbeiterstadtteil, der stark von türkischstämmigen Migranten geprägt ist) eine weitere Kundgebung auf dem Treppenplatz angemeldet. Während der Bus von Pro NRW schon längere Zeit an einem Parkplatz in Brackwede parkte (offensichtlich überlegte man noch, wo jetzt die Kundgebung abzuhalten sei), hatten sich ca. 50 zumeist türkische Jugendliche und Schüler auf dem Treppenplatz eingefunden. Sehr bald kamen ca. 200 Demonstranten vom Jahnplatz dazu. Gleichzeitig zogen sich vor Ort aber auch immer mehr Polizeikräfte zusammen, die keinen Zweifel aufkommen ließen, dass sie »Pro NRW« an dieser Stelle eine Kundgebung ermöglichen wollten.
Als der Bus der sichtlich entnervten rechten Wahlkämpfer sich gegen 15:15 dem Treppenplatz näherte, nutzte die Polizei kurzerhand eine heran rollende Straßenbahn als »Schutzschild«, um den Bus der Rechten auf den gegenüber liegenden Kirchplatz zu lenken, da auch der Treppenplatz von einer Kette von Demonstranten abgesperrt wurde. Somit hat die Einsatzleitung der Polizei den Rechten die Möglichkeit gegeben ihre Veranstaltung auf einem nicht genehmigten Platz durchzuführen. Die Polizei bildete mit Einsatzkräften und Fahrzeugen einen Ring um die proNRW-Kundgebung. Davor versammelten sich immer mehr Anwohner des migrantisch geprägten Stadtteils und Pro NRW-Gegner vom Jahnplatz. Insgesamt fanden sich knapp 250 Menschen ein, die den »Rechtspopulisten« wie an beiden Orten zuvor jede Außenwirkung nahmen. Aus der Menge heraus flogen permanent Eier auf die Pro NRW-Kundgebung. Deren nur noch 10 TeilnehmerInnen wurden immer aggressiver und begannnen, die Gegendemonstranten als »die wahren Faschisten" zu beschimpfen. Gegen Ende der Kundgebung versuchte die Polizei mehrere »Eierwerfer« herauszugreifen und festzunehmen, was zu wilden Rangeleien führte. Es gab auf Seiten der Gegendemonstranten einige leicht verletzte. Nach einer kurzen Blockade konnte die Polizei Pro NRW vom Platz geleiten. Der Bus war durch die Eierwürfe stark verschmutzt. Auf ihrer Webseite spricht Pro NRW von »bürgerkriegsähnlichen Zuständen in Bielefeld«. Die Behauptungen, dass sich unter den Gegendemonstranten türkische Faschisten der »Grauen Wölfe« befanden und dass die SPD mit Bussen Gegendemonstranten nach Brackwede chauffiert hätte, entbehren jeder Grundlage.
Eine besondere Überraschung erwartete die Pro NRW-Truppe mit ihrer bereits arg gesunkenen Stimmung in Gütersloh. Auf dem Berliner Platz hatten sich zahlreiche Menschen versammelt, die auf den ersten Blick nach Pro NRW- Sympathisanten aussahen. Es handelte sich dabei jedoch um Antifaschisten, die durch ihre Verkleidung auf den Platz gelangen konnten. Sofort nach dem Eintreffen wurden das Pro NRW-Fahrzeug umzingelt und die Insassen am Aussteigen gehindert. Mit dieser Situation völlig überfordert, gerieten die echten Pro NRWler in Panik. Ohne Rücksicht auf Verluste raste der blockierte Pro NRW-Bus los und verfehlte nur knapp mehrere Gegendemonstranten. Die völlig überforderte Polizei war weder in der Lage, die Pro NRWler zu schützen, noch den Busfahrer für sein Fahrmanöver fest zu nehmen. Allerdings erhielt der Busfahrer eine Anzeige von der Polizei. Insgesamt hatten sich in Gütersloh rund 100 Pro NRW-Gegner versammelt. 50 von ihnen begleiteten die Ersatzkundgebung von Pro NRW am Dreiecksplatz und ließen diese im Lärm untergehen. Somit konnte Pro NRW auch bei der letzten Station keinerlei Außenwirkung erzielen. Frustriert zogen die »Rechtspopulisten« ab.
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