Zwei Verhandlungsrunden lang hatten die öffentlichen Arbeitgeber der Länder sich geweigert, den Gewerkschaften überhaupt auch nur ein Angebot zu machen. Dann einigten sie sich nach einer kurzen Warnstreikrunde am Wochenende vom 8. auf den 9. März mit den Gewerkschaften ver.di, GEW und GdP auf einen Tarifabschluß für die 780.000 Beschäftigten im Angestelltenverhältnis. Von Heinz Willemsen
Doch wie bei den beiden großen Lohnrunden des Vorjahres, bei denen es ver.di nicht gelang die überproportionale Anhebung der unteren Lohngruppen durchzusetzen (»200 Euro mehr für alle«) und die IG Metall eine Vereinbarung zur Leiharbeit unterschrieb, die das Papier nicht wert ist auf dem sie steht, gelang es den Gewerkschaften auch in der Länderrunde nicht, sich in den Fragen durchzusetzen, die Folge der Deregulierung des Tarifwesens der letzten Jahre sind.
Ärger und Zorn bei angestellten Lehrern
Es ist nicht gelungen, das auch im öffentlichen Dienst um sich greifende Unwesen der Befristungen tariflich einzuschränken und wieder zurück zu drehen. Gerade im Hochschulbereich betrifft das mittlerweile immer mehr Beschäftigungsverhältnisse. Auch sind die Gewerkschaften in der Frage der einheitlichen Entlohnung für nicht verbeamtete, angestellte Lehrer keinen Zentimeter vorangekommen. Angestellte Lehrer machen mittlerweile mindestens ein Viertel der Lehrerschaft aus. Im Osten sind fast 100 % nicht verbeamtet.
Angestellte Lehrer verdienen z. T. mehr als 500 Euro weniger als ihre Beamten-Kollegen. Unter ihnen sind der Frust und die Wut groß. Obwohl sie nur eine Minderheit unter den Landesangestellten sind, stellten sie die Hälfte der Teilnehmer an den Warnstreiks. Nach dem Tarifabschluß ist deshalb der Ärger unter den in der GEW organisierten Lehrern groß. Vielfach richtet er sich gegen ver.di. ver.di-Chef Frank Bsirske wird an der Basis der GEW vorgeworfen, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fallen gelassen und verraten zu haben.
Beamte zahlen die Zeche für die Schuldenbremse
Aber auch der Erfolg in der Frage der Lohnerhöhung relativiert sich, wenn die Frage der Einbeziehung der Beamten betrachtet wird. Anders als beim Bund und den Kommunen, wo nur ca. 15 % der Beschäftigten Beamte sind, bilden sie bei den Ländern mit mehr als 60 % den Löwenanteil der Beschäftigten.
Die Übertragung des Ergebnisses auf die 1.2 Mio. Beamten wird derzeit noch in den einzelnen Bundesländern zwischen den Landesregierungen und den Gewerkschaften sowie dem Deutschen Beamtenbund verhandelt. Schon jetzt aber zeichnet sich ab, dass viele, vielleicht sogar die meisten Beamten nicht die volle Lohnerhöhung bekommen. Berlins regierender Bürgermeister hat erklärt, dass die Tarifeinigung für Beamte nicht übernommen wird, die stattdessen eine Erhöhung ihrer Gehälter um 2 % zum 11.08.2013 erhalten; in Rheinland-Pfalz gibt es lediglich je 1 % 2013 und 2014 für Beamte und Baden-Württemberg will den Abschluss voraussichtlich nur mit einem Jahr Verzögerung übernehmen.
Alle Landesregierungen begründen das mit der Haushaltskonsolidierung aufgrund der Schuldenbremse. Ein Haushalt, der zu 40 % aus Personalkosten bestehe, so Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), könne nicht am Personal vorbei saniert werden. Für nicht wenige Beamte bedeutet der Abschluss deshalb Reallohnverluste, statt Anschluss halten an den TVöD (Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes für Bund und Kommunen), was das erklärte Ziel der Gewerkschaften war.
Zersplitterung der Tariflandschaft im öffentlichen Dienst
Der hohe Anteil an Beamten, die aufgrund des restriktiven deutschen Streikrechts nicht streiken dürfen, ist die Ursache dafür, dass die Gewerkschaften im Länderbereich nicht besonders kampfstark sind. Früher wurde dieser Bereich im Schlepptau von Bund und Kommunen mitgenommen. Im Zuge der Umstellung auf die neuen Tarifverträge TVöD und TV-L sind die Landesarbeitgeber aber aus der Tarifgemeinschaft mit Bund und Kommunen ausgestiegen.
Seitdem finden die beiden Lohnrunden nicht mehr gemeinsam, sondern immer mit einem Abstand von einem Jahr statt. Im Funktionärsbereich von ver.di ist dies als Problem durchaus bewusst. Sowohl bei der Tarifrunde für Bund und Kommunen 2012 als auch bei der diesjährigen Länderrunde wurde deshalb die Forderung erhoben, dass die Laufzeit des Tarifvertrages nur ein Jahr umfassen solle, und nicht mehr einen immer längeren Zeitraum. Hätte ver.di sich damit durchgesetzt, könnten die Beschäftigten von Bund, Länder und Kommunen wieder gemeinsame Stärke in Tarifverhandlungen zeigen.
Wirklichen Nachdruck hat ver.di auf diese Forderung aber auch nicht gelegt. Der Verzicht auf die Verkürzung der Laufzeit wurde bei der Bekanntgabe der Ergebnisse nicht einmal erwähnt. Überhaupt tut die Gewerkschaft wenig, um die Bedeutung dieser Forderung innerhalb der Mitgliedschaft zu verankern. Letztlich hat ver.di derzeit keine Strategie, wie die beiden Tarifbewegungen wieder in eine einheitliche zusammengeführt werden können.
Gewerkschaftliche Organisationsmacht
Auch waren die Gewerkschaften bei den Warnstreiks viel zögerlicher als im letzten Jahr. 2012 hat ver.di ziemlich bald zu Warnstreiks aufgerufen und in der zweiten Streikrunde nicht nur Teilbereiche, sondern alle zum Arbeitsausstand aufgerufen. Bei den Ländern hat ver.di sich eine solche machtvolle Demonstration nicht getraut, obwohl deutlich war, dass die Bereitschaft zum streiken größer war als in den Vorjahren.
Das ist einerseits Ausdruck der gewerkschaftlichen Schwäche in diesem Bereich. Andererseits verfestigt und verstärkt das aber auch diese Schwäche. Mit zweistündigen Warnstreiks in Teilbereichen lässt sich gewerkschaftliche Organisationsmacht nicht wirklich demonstrieren, wie unlängst Detlef Hentsche zu recht kritisiert hat.
Wie die beiden großen Tarifrunden im letzten Jahr, so fand auch die diesjährige Tarifauseinandersetzung bei den Ländern in einer Sondersituation statt. Deutschlands Sonderweg in der Krise, sprudelnde Steuereinnahmen und die bevorstehende Bundestagswahl haben zu einer gewissen Konzessionsbereitschaft gegenüber den Kernbelegschaften geführt. Nach den Wahlen dürfte sich diese Konzessionsbereitschaft doch in argen Grenzen halten. Und dann wird sich zeigen, dass ver.di es sich auf Dauer nicht leisten kann, gerade die Forderungen fallen zu lassen, die besonders mobilisierend wirken.
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