Am 15. September mobilisierte die Friedensbewegung zum ersten Mal seit 2001 bundesweit gegen den Bundeswehreinsatz in Afghanistan – es kamen 10.000 Menschen. Manche erinnerten sich an die Massendemonstrationen gegen den Krieg im Irak und fragen sich jetzt, wie der Rückzug der Truppen erzwungen werden soll und warum nicht mehr demonstrieren, wo doch zwei Drittel der Bevölkerung gegen den Krieg sind.
Sicher ist das Ziel, wieder eine solche Massenbewegung auf die Straße zu bringen, berechtigt. Ohne sie wird die Bundesregierung den Einsatz am Hindukusch kaum beenden, denn eine Niederlage im ersten Krieg der NATO würde ihre Fähigkeit zu weiteren weltweiten Interventionen verringern. Doch die Lage von heute lässt sich nicht mit der vor fünf Jahren gleichsetzen und daher passt auch der alte Maßstab nicht mehr.
2002 hatte Kanzler Gerhard Schröder die Bundestagswahl knapp gewonnen, weil er sich scharf von US-Präsident George Bushs Plänen abgegrenzt hatte, den Irak anzugreifen. Gegen diesen Krieg zu sein, war Regierungspolitik.
Grüne und SPD, beide Parteien eng mit Teilen der Friedensbewegung verbunden, trugen die Mobilisierung zum 15. Februar 2003 mit, als bundesweit 500.000 und weltweit 14 Millionen demonstrierten. Angesichts dieser riesigen Antikriegsbewegung und der weltweiten Ablehnung des Angriffs bestand noch Hoffnung, ihn abzuwenden.
Dass dies damals nicht gelang, mag ein Grund sein, warum heute die Mehrheit der Bevölkerung noch nicht aktiv geworden ist, obwohl sie den Afghanistaneinsatz ablehnt. Entscheidender ist aber, dass Regierung, Parteien und Massenmedien, die der Bewegung vor fünf Jahren noch Rückenwind gegeben haben, ihr heute kräftig Gegenwind geben.
SPD und Grüne, die den Krieg gegen Irak ablehnten, haben den Einsatz in Afghanistan seinerzeit beschlossen. Die Parteiführungen verteidigen ihre damalige Entscheidung mit Lügen und Fehlinformationen über das Leben und den Einsatz in Afghanistan.
Darum stellt sich für die Friedensbewegung und die ihr nahestehenden Kräfte wie auch DIE LINKE die Aufgabe, die Legenden geduldig, aber beharrlich als solche bloßzustellen und um die Köpfe der Anhängerschaft von SPD und Grünen zu kämpfen, und darüber hinaus die Basis der Bewegung um kirchliche Gruppen, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen zu verbreitern.
Dass die Grünen auf dem Sonderparteitag in Göttingen während der Demonstration in Berlin ihre Fraktion aufforderten, nicht nur die Beteiligung an „Operation Enduring Freedom“, sondern auch am ISAF-Einsatz abzulehnen, ist ein Zeichen dafür, dass dieser Kampf schon erste Wirkung zeigt. Es ist auch ein erster Erfolg der Aktivität der Kriegsgegner und zeigt, woher die Antikriegsbewegung sich Verstärkung für zukünftige Aktionen organisieren kann.
Dass es mit einer vereinten, starken Antikriegsbewegung dann auch gelingen kann, die Regierung zum Rückzug der Truppen zu zwingen, zeigten bereits die Kriegsgegner in Spanien, Italien und zuletzt Großbritannien.
Die Staatschefs Aznar, Berlusconi und Blair waren Bush willig in den Krieg gefolgt. Inzwischen sind alle drei an der Antikriegsbewegung gescheitert und nicht mehr im Amt. Die spanischen und italienischen Soldaten wurden aus dem Irak abgezogen und die britischen Truppen in Basra kontrollieren nur noch den Flugplatz, von dem sie bald abfliegen werden.
Doch alle drei Regierungen haben den Abzug aus Irak dazu missbraucht, ihre Truppen in Afghanistan aufzustocken. Die spanische und die italienische Regierung behaupten gar, die Besatzung Afghanistans sei ein „Gegenmodell“ zur Besatzung Iraks.
Doch was in Irak falsch war, ist in Afghanistan nicht richtig geworden. Wenn die weltweite Antikriegsbewegung die Besatzer aus dem Irak vertreiben konnte, kann sie sie auch aus Afghanistan verjagen.
Wenn die Kriegsgegner die Geduld haben, ihre Argumente zu verbreiten, ist der Tag nicht weit, an dem wieder Millionen Menschen auf der ganzen Welt auf die Straße gehen, um den Krieg zu stoppen – diesmal den in Afghanistan.
(Jan Maas)
Mehr auf marx21.de: