100.000 Menschen protestierten gegen das Sparpaket der Bundesregierung. Damit es wirklich gestoppt wird, müssen die Gewerkschaften mehr Menschen mobilisieren. Von Dirk Spöri
Am vergangenen Samstag demonstrierten etwas 100.000 Menschen in mehreren Städten gegen das Sparpaket der Bundesregierung, welches Ende November im Bundestag verabschiedet werden soll. Die mit 50.000 Teilnehmern größte Kundgebung fand dabei in Stuttgart, der Stadt, in der schon seit
Monaten regelmäßig zehntausende gegen das Milliardengrab Stuttgart 21 protestieren. Berthold Huber, IG Metall-Chef, sagte ihn Stuttgart: »Wir wollen keine Republik, in der mächtige Interessengruppen mit ihrem Geld, mit ihrer Macht und mit ihrem Einfluss die Richtlinien der Politik bestimmen«. Und Huber ergänzte mit Blick auf die Stuttgart21-Proteste: »Ob Berlin oder
Stuttgart, wer immer eine solche Politik betreibt, der stößt überall auf Widerstand.« Die Wut der Menschen über das Sparpaket und die ungerechte Politik von Schwarz-Gelb drückte auch Frank Bsirske in Dortmund mit seinem »Stinkefinger« aus.
Neben dem Sparpaket waren auch die Rente ab 67 und die zunehmende Verbreitung unsicherer Beschäftigungsverhältnisse, beispielsweise durch Leiharbeit Gründe, auf die Straße zu gehen. Die Unzufriedenheit drückte sich auch in den Wochen zuvor durch zahlreiche Betriebsversammlungen und betrieblichen Aktionen aus, an denen schätzungsweise über eine Million Menschen teilnahmen. Zusammenfassend handelt es sich um die größten gewerkschaftlichen Aktionen seit der Bundestagswahl.
Nachdem schon eine Woche zuvor 50.000 Menschen im Wendland für den Atomausstieg demonstriert und anschließend tausende den Castor blockiert haben, ist klar: die Politik von Schwarz-Gelbe stößt auf großen Widerstand.
Allerdings blieb die Teilnehmerzahl – von Stuttgart abgesehen – jedoch unter den Möglichkeiten. Für den Protest gegen das größte Sparpaket der Geschichte der BRD sind 100.000 Menschen zu wenig – und dezentrale Betriebsversammlung und Demonstrationen nicht ausreichend. So können die Gewerkschaften das Sparpaket nicht stoppen. Der Fokus war unklar (»Deutschland in Schieflage«), es wurde keine Konfrontation mit der Bundesregierung gesucht.
Stuttgart ist aber auch ein Beispiel, wie es anders gehen kann. Die dort höhere Teilnehmerzahl erklärt sich auch durch die Politisierung der vergangenen Monate durch die Stuttgart21-Proteste, auch wenn sich die Teilnehmer der DGB-Demo deutlich unterschieden, da besonders die IG-Metall stark mobilisiert hatte.
Aber nicht nur das: im Anschluss an die DGB-Kundgebung fand in Stuttgart eine Gewerkschaftsdemonstration gegen Stuttgart21 statt. Die »Gewerkschafter gegen Stuttgart 21«, darunter viele LINKE hatten mit Flugblätter und Megaphon-Durchsagen auf die anschließende Demonstration aufmerksam gemacht. Rund 10.000 Kundgebungsteilnehmer nahmen an der kämpferischen Demonstration statt – die mit dem Aufruf zur Großdemonstration am 11. Dezember in Stuttgart endete.
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Den Aktivitäten von »Gewerkschafter gegen Stuttgart 21« war es auch zu verdanken, daß der baden-württembergische DGB-Chef Landgraf sich gegen Stuttgart21 äußerte: »Als Dachverband der Gewerkschaften aber unterstützen wir das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 – das wissen viele nicht.« Nun wissen es mehr.
Das Beispiel Stuttgart zeigt, das Massenprotest funktioniert. Damit das Sparpaket der Regierung gestoppt wird, müssten die Gewerkschaften ihre ganze Kraft in die Waagschale werfen und wie in Stuttgart Massen auf die Straße mobilisieren. Deshalb bleibt die Aufgabe der LINKEN, den Einfluss der SPD in den Gewerkschaften zurückdrängen, damit die Interessen der Gewerkschaftsmitglieder und nicht Standorterwägungen oder Wahltaktik im Mittelpunkt gewerkschaftlicher Politik steht.