Linke sollten sich weder mit der EU noch mit der Regierung Russlands gemein machen, sondern für eine Überwindung des Nationalismus eintreten, meint Volkhard Mosler
Die europäische und die deutsche Linke haben eine große Verantwortung. Sie müssen den Kampf führen gegen die aggressive Expansion von EU und Nato nach Osten ohne dem russischen Imperialismus einen harmlosen Anstrich zu geben. Denn das macht sie nicht glaubwürdiger in den osteuropäischen Staaten, die eine lange Zeit der Unterdrückung und Ausbeutung durch das stalinistische und poststalinistische Russland erlebt haben.
Jahrzehnte des kalten Krieges scheinen auch noch heute, über 20 Jahre nach der historischen Niederlage des „Ostblocks“ unter russischer Führung, politisch nachzuwirken. Die große Mehrheit war in Deutschland antikommunistisch eingestellt und eine kleine Minderheit sah in der „Sowjetunion“ und der DDR eine fortschrittliche, vermeintlich antikapitalistische Alternative. Nur eine ganz kleine Minderheit von Marxisten folgte der Losung „Weder Washington noch Moskau — für internationalen Sozialismus.“
Ganz normale Kapitalisten
Nun wird niemand abstreiten, dass heute in Russland und den anderen ehemaligen Ostblockstaaten eine neue Bourgeoisie, die Oligarchen, ökonomisch und politisch herrscht. Sie haben nicht einmal den Anspruch — wie das alte untergegangene Regime — „sozialistisch“ zu sein. Sie sind ganz normale Kapitalisten, die sich wie ihre westlichen Brüder durch die Ausbeutung von Lohnabhängigen bereichern. Und trotzdem genießt Russland in Teilen der Linken immer noch den Ruf eines antiimperialistischen oder zumindest „nicht-imperialistischen“ Staates.
Dabei hat die Regierung Putin gerade die Halbinsel Krim besetzt, die zur Ukraine gehört. Sie begründet dies mit dem Vorwand des Schutzes der russischsprachigen Minderheit in der Ukraine. Gleichzeitig marschieren russische Truppen an der russisch-ukrainischen Grenze auf, schon droht Premierminister Dmitri Medwedew damit, die reicheren Ostprovinzen mit einem höheren Anteil an russischsprachigen Menschen zu besetzen.
Putins Russland ist nicht unser Verbündeter
Wladimir Lenin schrieb über das 1917 gestürzte russischen Zarenreich, dass es ein großes „Völker-Gefängnis“ sei und seine Partei, die Bolschewiki, kämpften gegen die Privilegierung der Russen als Staatsvolk, für das Recht der kleinen Nationen auf vollständige Gleichstellung, für das Recht auf nationale Selbstbestimmung einschließlich des Rechts auf staatliche Lostrennung. Unter Stalin und seinen Nachfolgern wurde Russland wieder zu einem Völkergefängnis. Stalin ließ ganze Völker umsiedeln, so zum Beispiel die Krim-Tartaren im Jahre 1944. Und es ist zu befürchten, dass die nach 1989 teilweise wieder auf die Krim zurückgekehrten muslimischen Tartaren jetzt erneut unterdrückt und vertrieben werden.
Der in der Ukraine wieder auflebende Nationalismus ist keine Erfindung oder Export Angela Merkels oder Manuel Barosos. Er ist vor allem eine — angesichts fehlender linker Alternativen — ungesunde Reaktion auf Jahrzehnte der Unterdrückung der Ukrainer durch das Großrussentum. In einer Erklärung der „Russischen Sozialistischen Bewegung“ wird die Besetzung Ukraine durch russische Truppen als ein „zynischer Akt des russischen Imperialismus bezeichnet, dessen Ziel es sei, die Ukraine „in ein russisches Protektorat zu verwandeln.“ Zugleich finden in Russland Verhaftungen und Zensur gegen die Kritiker Putins statt.
Der Hauptfeind steht im eigenen Lager, das ist die angeblich so friedliche Europäische Union mit der Nato als militärischem Arm. Für den Kurs der EU trägt Deutschland eine große Verantwortung. Deswegen sollten Linke alles tun, die Bundesregierung unter Druck zu setzen und für einen Austritt aus der Nato argumentieren. Aber der Feind unseres Feindes, Putins Russland, ist nicht unser Freund oder Verbündeter. Russland ist Teil eines imperialistischen Weltsystems, das wir insgesamt bekämpfen müssen. Die Solidarität der LINKEN sollte der Linken in Russland gelten, und nicht seiner Regierung.