Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter protestieren in ganz Deutschland für Altersteilzeit. marx21 über die Hintergründe der Tarifauseinandersetzung
Rote Fahnen wehen vor dem Werkstor von Daimler Benz in Stuttgart. Die ganze Nachtschicht ist im Warnstreik. Einen Tag vor der fünften Verhandlungsrunde mit den Arbeitgebern im Pilotbezirk Baden-Württemberg zählte die IG Metall bundesweit mehr als 40.000 Teilnehmer an verschiedenen Aktionen. Damit stieg die Zahl der Beschäftigten, die sich seit Ende der Friedenspflicht an Protesten für Altersteilzeit beteiligt haben, auf über 300.000.
Hintergrund der gewerkschaftlichen Aktionen ist die Vereinbarung der großen Koalitionn, die staatlichen Fördermittel für die Altersteilzeit in Höhe von 1,5 Milliarden Euro Ende 2009 einzustellen. Die Altersteilzeit wurde 1996 eingeführt. Arbeitnehmer ab dem 55. Lebensjahr haben seitdem die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit für einen Zeitraum zwischen zwei und sechs Jahren zu halbieren und so gleitend in den Ruhestand zu wechseln. Möglich ist das durch einen staatlichen Zuschuss von durchschnittlich 14.000 Euro pro Arbeitnehmer.
Missbrauch durch Unternehmer
Die Altersteilzeit ist von den Unternehmern in der Vergangenheit häufig benutzt worden, um ältere Arbeitnehmer billig und vorzeitig loszuwerden – und dadurch den Widerstand gegen Massenentlassungen »aufzukaufen«.
Zwar soll eigentlich ein jüngerer Arbeitsloser oder Auszubildender an Stelle des Älteren eingestellt werden, dies wird jedoch kaum kontrolliert. Altersteilzeit war also auch eine staatlich subventionierte Abfindungsprämie zur Erleichterung von Massenentlassungen. Dementsprechend umstritten war sie gerade unter Gewerkschaftern.
Mit Hartz IV in die Rente
Heute sind die meisten Betrieb »ausgeschlankt« und der Anteil älterer Arbeitnehmer ist entsprechend geringer. Den Unternehmern geht es nun darum, Ältere wieder in die »industrielle Reservearmee«, also das Heer der Arbeitslosen einzureihen. Es soll auch auf Ältere der Druck erhöht werden, Arbeit um fast jeden Preis anzunehmen.
Daher die geplante Abschaffung der Altersteilzeit durch die große Koalition. Zusammen mit der Erhöhung des Rentenalters auf 67 und der Einführung von Harz IV wird dieser Druck massiv gesteigert. Mit Hartz IV in die Rente: das ist das bittere Schicksal, das immer mehr älteren Arbeitnehmern droht.
Der Angriff wirkt: Im Januar 2008 waren 616.787 »Ältere« (55-64 Jahre) arbeitslos gemeldet. Das ist ein Drittel mehr (+ 168.484) als im Januar 2005 – trotz Konjunkturaufschwung. Die Zahl der älteren Hartz IV-Empfänger hat sich in der gleichen Zeit um 215.000 oder 22 Prozent erhöht. Der Anstieg ist in dieser Altersgruppe doppelt so stark wie in anderen.
Worte ohne Taten
Unter dem Druck der massiven Gewerkschaftsproteste will die SPD nun eine Verlängerung der Altersteilzeitregelung bis 2015 in der Koalition durchsetzten. Doch wie bei anderen Beschlussen auch handelt es sich um bloße Versprechen, die nicht vom Koalitionspartner CDU geteilt werden.
Im Gegenteil: Konservative und Arbeitgeber laufen Sturm gegen die vermeintliche Abkehr von der neoliberalen Agenda 2010 seitens des SPD-Chefs Kurt Beck. Sie verkünden, dass die Agenda 2010 gerade erst richtig zu wirken beginne.
Rentenkampagne der LINKEN
Dabei ist Altersarmut für viele längst Realität. Nur die Hälfte der heute über 50-jährigen Arbeitslosengeld-II-Empfänger erwirbt Rentenansprüche, die über Sozialhilfeniveau liegen. Das unterstreicht die Notwendigkeit einer allgemeinen, bedarfsorientierten Mindestrente von 1000 Euro, wie es Teile der LINKEN fordern.
Eine Mehrheit der Bevölkerung lehnt die Rente mit 67 ab. Die Rentenpolitik der Regierung verunsichert viele und erzeugt berechtigten Unmut. Die Mehrheit lehnt die Rente mit 67 ab. Deswegen hat DIE LINKE eine Rentenkampagne gestartet. In den nächsten Monaten will die Partei gemeinsam mit den Gewerkschaften für »gute Arbeit, gute Löhne und eine gute Rente« streiten.
(Volkhard Mosler / Yaak Pabst)
Mehr auf marx21.de
- Rente – Eine Frage der Kraft: DIE LINKE will die Rente mit 67 zu Fall bringen. Werner Halbauer meint, dass es dazu einer starken Arbeiterbewegung und einer breiten Mobilisierung der von Altersarmut bedrohten Arbeitnehmer und Arbeitslosen bedarf.
Mehr im Internet:
- DIE LINKE – Broschüre zur Rente: Gute Arbeit. Gute Löhne. Gute Rente.
- IG Metall: Tarifrunde Altersteilzeit