Deutsche Rüstungskonzerne exportieren jedes Jahr Waffen für Milliarden von Euro. Warum die Bundesregierung des genehmigt, erklärt Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der LINKE-Fraktion, im marx21-Gespräch
Laut Rüstungsexportbericht hat die Bundesregierung 2012 Exportgenehmigungen für Waffen in Höhe von 8,87 Mlrd. Euro erteilt. Allerdings waren die realen Exporte 2012 auf einem relativ niedrigen Stand. Ist der deutsche Waffenexport auf Expansions- oder Schrumpfungskurs?
Auf Expansionskurs. Die Genehmigungen sind weiterhin auf Rekordhoch und nur sie spiegeln die Rüstungsexportpolitik einer Regierung wider.
Warum das?
Die reale Ausfuhr eines Jahres ist keine Größe, auf die wir uns beziehen sollten. Denn was aus Deutschland in einem Jahr ausgeführt wird, darauf hat die Bundesregierung keinen Einfluss. Zudem reflektieren diese Ausfuhren immer Genehmigungen aus mehreren Vorjahren.
Warum genehmigt die Bundesregierung so viele Waffenexporte?
Wenn die Bundesregierung sagt, die Bundeswehr soll unabhängig von ausländischen Lieferungen mit den modernsten Waffen und Waffensystemen ausgestattet werden, bindet sie sich an die einheimische Rüstungsindustrie. Diese Rüstungsindustrie will aber mit dem Verkauf von Waffen auch möglichst große Gewinne und Renditen für ihre TeilhaberInnen erwirtschaften. Zudem kostet die Entwicklung neuer Waffen nicht selten mehrere Milliarden Euro. Daraus ergibt sich das gemeinsame Interesse an den Exporten, denn eine größere Absatzmenge macht die Beschaffung billiger.
Waffenexporte haben ausschließlich wirtschaftliche Gründe?
Nein. Waffenexporte sind auch immer ein Mittel der Außenpolitik. Entscheidend dabei ist, dass es ein sehr gefährliches Spiel ist, ein Land aufzurüsten, um vermeintliche regionale Stabilität zu garantieren. Denn die Aufrüstung des einen Landes führt meist dazu, dass auch die anderen Länder, die sich dadurch bedroht fühlen, aufrüsten. Diese Rüstungsspiralen befeuern das Misstrauen und bedrohen das friedliche Zusammenleben der Menschen.
Die Exporte von Kleinwaffen sind auf einem Allzeithoch. Muss es nicht auch im Interesse der Bundesregierung sein, die unkontrollierte Verbreitung solcher Waffen zu verhindern?
Die Bundesregierung ist auch aktiver Teil und Geldgeberin mehrerer internationaler Aktionsprogramme, die die unkontrollierten Verbreitung von Kleinwaffen verhindern helfen sollen. Aber wie der Name schon sagt, es geht dabei um den illegalen Waffenhandel. Deshalb setzen die Maßnahmen auch nur dort an und nicht etwa bei der Einschränkung des legalen Waffenhandels mit Kleinwaffen
Ist der legale Waffenhandel ungefährlich?
Natürlich nicht. Fast alle Kleinwaffen im illegalen Waffenhandel stammen aus den legal belieferten staatlichen Waffenkammern oder maximal aus illegalen Geschäften der legalen Rüstungsindustrien. Und solange aus Deutschland massenweise legal Kleinwaffen exportiert werden, solange werden sich deutsche Kleinwaffen auch unkontrolliert verbreiten.
Sind die deutschen Kleinwaffen weniger gefährlich als zum Beispiel Kriegsflugzeuge aus den USA?
Der frühere UNO-Generalsekretär Kofi Annan hat Kleinwaffen zu Recht als »Massenvernichtungswaffen« bezeichnet. Denn mit diesen Waffen werden die meisten Menschen in den gewaltsamen Konflikten dieser Welt umgebracht.
Auf Platz 1 der Empfängerländer ist Saudi-Arabien durch den Kauf von Technik für die Sicherung der Landesgrenze. Ist das nicht legitim?
Das sind keine Schlagbäume, sondern eine High-Tech-Grenze, die bis an die Zähne aufgerüstet wird. Schon vor ihrem Platz 1 im letzten Jahr waren die Saudis ein sehr guter Kunde der deutschen Rüstungsindustrie.
Welche Waffen wurden noch dorthin geliefert?
Saudi-Arabien ist unter anderem in Besitz einer aus Deutschland exportierten Waffenfabrik zur Herstellung von G36-Sturmgewehren. A ußerdem ist für mich die wichtige Frage nicht nur, was ein Land bekommt, sondern mit was für einem Land Deutschland Rüstungsgeschäfte macht.
Meinst du die schlechte Menschenrechtslage?
Ja. In Saudi-Arabien werden die Menschenrechte systematisch und alltäglich auf das Schwerste verletzt. Mit solchen brutalen Unterdrückern macht die deutschen Rüstungsindustrie mit dem Segen und in Einklang mit den politischen Grundsätzen der Bundesregierung zu Rüstungsexporten florierende Geschäfte.
Wird die Bundesregierung die Lieferung von Panzern genehmigen?
Wenn Saudi-Arabien die deutschen Leopard-2 Kampfpanzer haben möchte, dann wird es sie ganz legal bekommen. Das ist der große Skandal! Es gibt in Wirklichkeit keine Rüstungsexport-Kontrolle und es gab bisher keine Regierung, die dies substanziell ändern wollte.
Muss der Bundesregierung nicht auch an Frieden im Nahen Osten gelegen sein? Hat Saudi-Arabien eine besondere Bedeutung für die Bundesregierung? Warum wird gerade dieses Land von der NATO so massiv aufgerüstet?
Hier geht es nicht um Frieden, sondern einerseits um Öl und um ökonomische Interessen. Denn Saudi-Arabien hat nicht nur Öl, sondern ist ein milliardenschwerer Absatzmarkt für deutsche Produkte. Die Bundesregierung pflegt und hegt deshalb die wirtschaftlichen Beziehungen zu Saudi-Arabien und da sind die Genehmigung von Waffenexporten ein starkes Bindemittel.
Andererseits spielen auch politisch-strategische Interessen eine Rolle. Saudi-Arabien soll als Ordnungsmacht im Nahen und Mittleren Osten agieren und wird deshalb militärisch aufgerüstet.
Könnte die Waffenindustrie in Deutschland verboten werden oder würde das zu viele Arbeitsplätze vernichten?
Die Rüstungsindustrie sagt selbst, dass etwa 80.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Rüstungsproduktion beschäftigt sind. Ein Teil der Produktion geht an die Bundeswehr, der Rest wird exportiert. Grob geschätzt hängen da also 40.000 Arbeitsplätze dran.
Das sind 40.000 Einzelschicksale, um die wir uns als LINKE natürlich Gedanken machen. Deshalb wollen wir ja auch nicht nur einfach eine Schließung der Rüstungsschmieden, sondern wir fordern, dass die Unternehmen auf zivile Produktion umstellen sollen.
Aber um die Arbeitsplatzfrage mal ins Verhältnis zu rücken: Das ist ungefähr die gleiche Größenordnung wie bei Schlecker. Hier wurden über 30.000 Arbeitsplätze auf einen Schlag vernichtet, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer standen plötzlich vor dem Nichts. Und heute interessiert deren Schicksal keinen mehr. So darf das natürlich auf keinen Fall ablaufen.
Brauchen wir die Waffenindustrie nicht für die Bundeswehr und für befreundete EU- und NATO-Staaten?
Für die Bundeswehr im Prinzip ja, solange es sie gibt. Allerdings finde ich, dass wir die Bundeswehr ziemlich schnell ganz abschaffen können, und dann braucht es gar keine Rüstungsindustrie mehr.
Mehr auf marx21.de:
- Syrische Flüchtlinge zwischen Krieg und Frontex: Der Bürgerkrieg in Syrien trieb Hunderttausende in die Flucht. Das Schicksal dieser Flüchtlinge beleuchtet Nora Berneis, die momentan in Amman, Jordanien, lebt.