In Duisburg häufen sich rassistische Angriffe gegen Sinti und Roma, teilweise von organisierten Nazis. Das Bündnis „Duisburg stellt sich quer«, das sich 2010 gegründete, um rassistischen Aufmärsche von Pro NRW und NPD zu blockieren, formiert sich daher neu. Azad Tarhan, Mitbegründer des Bündnisses und Unterstützer von marx21, berichtet über die erschreckenden Entwicklungen und die Gegenbewegung in Duisburg
Seit über einem Jahr wird in Duisburg in der Öffentlichkeit eine teils offen rassistische Diskussion über Flüchtlinge geführt, die vorwiegend aus Rumänien und Bulgarien stammen. Im alt bekannten »Das-Boot-ist-voll«-Stil zeichnen Medien und Politiker ein rassistisches Bild sozialschmarotzender Flüchtlinge, die das Image der Stadt Duisburg in den Dreck ziehen würden.
Inzwischen ist ein Hochhaus im Stadtteil Rheinhausen, in dem über 700 Flüchtlinge unter schlimmsten Umständen untergebracht sind, zum Hassobjekt Nummer eins für Rassisten, organisierte Nazis und angeblich »besorgte« Bürger geworden. Sie beklagen die unzumutbaren Zustände im und rund um das Haus und blenden dabei die Frage nach den Gründen der Überbelegung aus.
200 Euro pro Zimmer
Vorgesehen ist das Haus für etwa 300 Menschen, was die unzumutbaren Verhältnisse für die Flüchtlinge erahnen lässt. Müllsäcke quollen aus den überfüllten Abfallcontainern und stapelten sich auf dem Bürgersteig. Die Stadt hat die Müllberge nicht beseitigt und nach einiger Zeit liefen Ratten durch die Straßen und Gärten.
Keiner fragte mehr danach, warum das Haus überbelegt war. Das ist nämlich gewollt: Der Vermieter stammt aus dem kriminellen Umfeld der Duisburger Rocker-Szene, knöpft den Flüchtlingen pro Zimmer bis zu 200 Euro ab und treibt diese auch mit Gewalt ein.
Die Rechnung ist einfach: Je mehr Matratzen verkauft sind, desto mehr Geld fließt in die Taschen des Vermieters. Die Stadt schaut weg und versucht, ihre Hände in Unschuld zu waschen.
Zur Brandstiftung aufgerufen
SPD-Stadtdirektor Spaniel dazu: »Wir als Stadt pferchen niemanden zusammen. Die Wohnblöcke gehören einem Privatmann«. So wundert es nicht, dass immer mehr Nachbarn verärgert waren. Die Rassisten von Pro NRW und NPD brauchten nicht lange, um eine Hetz-Stimmung zu erzeugen. Auf Facebook-Seiten wurde offen aufgerufen, das Haus anzustecken. Inzwischen ist ein ganzer Fahrplan rassistischer Demonstrationen bekannt gegeben worden, die das Schlimmste erwarten lassen.
In einem weiteren Stadtteil wurde eine Brandstiftung in einem von Sinti und Roma bewohnten Haus von der Polizei bestätigt, angeblich ohne rassistischen Hintergrund. Statt die rassistische Hetze zu bekämpfen und die Wohnsituation der Flüchtlinge zu verbessern, versuchen die Politiker jede Stellungnahme gegen rechtsradikale Parolen zu vermeiden.
Von Abschiebung bedroht
Stattdessen schickte SPD-Oberbürgermeister Sören Link den bulgarischen und rumänischen Flüchtlingen einen Brief, in dem er »aufenthaltsbeendende Maßnahmen« ankündigte. Später schreibt er unmissverständlich: »Sollten Sie weiterhin nicht ausreisen, werde ich Sie in Ihr Heimatland abschieben.«
Der SPD-Oberbürgermeister handelt damit ebenso ausländerfeindlich wie CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich, der jüngst ein härteres Vorgehen gegen »Armutszuwanderer« forderte. Er will eine Wiedereinreisesperre speziell für Menschen aus Bulgarien und Rumänien einführen. Angeblich würden sie »soziale Leistungen erschleichen«, so Friedrich.
Erstmals offener Applaus für Nazis und Rechtspopulisten
Neu in Duisburg ist, dass immer mehr Anwohner die rassistische Hetze akzeptieren. Bei einer Kundgebung der Bürgerinitiative »Wir sind Rheinhausen« applaudierten die Teilnehmer den angereisten Pro-NRW-Mitgliedern. Die Kundgebung sollte dazu dienen, einen öffentlichen Dialog über tatsächliche Probleme zu führen. Die Stimmung kippte aber schnell. Einzelne ließen ihrem angestauten Frust freien Lauf und steigerten sich teils zu rassistischen Aussagen.
Organisierte Nazis konnten sich unbehelligt unter die Teilnehmer mischen und offen ihre menschenverachtenden Parolen in der Menge skandieren, die diese wiederum beklatschte. Im Gegenzug wurden linke Redebeiträge ausgebuht und Rednerinnen sogar angegriffen.
Dieses massive und offene Auftreten gegen solidarische Diskussionen ist in Duisburg neu. Die sogenannte »Pro-Bewegung« und die Alternative für Deutschland (AfD) haben dies bereits wahrgenommen und werden versuchen, diese Stimmung im Kommunalwahlkampf 2014 zu benutzen. Der stellvertretende Vorsitzende der AfD Duisburg, Holger Lücht, rückt sich selbst ins rechte Licht: Auf seinem Facebook-Profil konnte sein Vorschlag zur Verfolgung sogenannter »Klau-Kids« nachgelesen werden: »Eventuell sollte man über körperliche Züchtigung noch an Ort und Stelle nachdenken.«
Gemeinsam querstellen gegen die rassistische Hetze
Inzwischen sind viele linke Gruppen in und um Duisburg auf die rassistische Gefahr aufmerksam geworden und stellen sich ihr aktiv entgegen. Als der Aufruf zur Brandstiftung des Hauses »In den Peschen« bei Facebook entdeckt wurde, organisierten linke Gruppen Nachtwachen als Schutz gegen Nazis.
Das Aktionsbündnis »Duisburg stellt sich quer« versucht die linken Kräfte in einem Bündnis zusammenzuführen und gemeinsam Aktionen, Veranstaltungen und Demonstrationen zu organisieren, die eine Gegenöffentlichkeit schaffen. Unser Ziel ist es dabei, möglichst viele antirassistische Initiativen und gesellschaftliche Akteure wie Gewerkschaften, weitere Parteien, Vereine, Migrantenorganisationen, Jugendverbände und andere unter unserem Dach zu vereinen, um eine solidarische Alternative zu bieten.
Entscheidend für eine solche Alternative ist der Dialog mit den bulgarischen und rumänischen Flüchtlingen. Antirassistische Aktion und Aufklärung sollten nicht neben den Bewohnern des Hauses stattfinden, sondern gemeinsam mit ihnen organisiert werden.
Der Kontakt zu ihnen wurde hierfür in den vergangenen Wochen mühsam aufgebaut. Die Hürden waren nicht nur sprachlich, sondern entstanden auch durch die völlige Überforderung der Flüchtlinge mit ihrer Situation. Sie waren meist schon in Rumänien oder Bulgarien extrem arm und finden sich in ihrem von deutschen Behörden geprägten Alltag nur schwer zurecht. Dadurch werden sie umso leichter Opfer krimineller Banden, die sie wiederum bis auf das Letzte ausbeuten. Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen.
DIE LINKE als Scharnier
DIE LINKE kann hier eine wichtige Scharnier-Funktion zwischen der antifaschistischen Szene auf der einen und bürgerlichen Gruppen, Gewerkschaften und Verbänden auf der anderen Seite, einnehmen. Sie muss dabei im besten Sinne des Wortes parteiisch sein und sich konsequent auf die Seite der Flüchtlinge und des antirassistischen Protests stellen. Sie muss in der praktischen Arbeit vor Ort am Haus Hilfe leisten und im Stadtrat öffentlich Druck auf SPD und Grüne ausüben. Ein Ansatz wäre zum Beispiel, offen die Abschiebepolitik von Oberbürgermeister Link anzugreifen und insbesondere für die Wintermonate ein Abschiebeverbot zu fordern.
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