»Ohne Bürgschaft geht Opel Pleite!« titelte die »Frankfurter Allgemeine Zeitung«. Volkhard Mosler meint, dass der Konzern unter demokratischer Kontrolle der Belegschaft verstaatlicht werden sollte.
Die zu General Motors gehörende Adam Opel GmbH hat bei Bundesregierung und Bundesländern um eine Bürgschaft in Höhe von circa eine Milliarde Euro angefragt. Noch bevor die Bundesregierung dazu Stellung nahm, haben Roland Koch und andere Landesfürsten eine Zusage signalisiert. Hier handelt es sich um reine Wahlpropaganda, die auf eine erneute Sozialisierung der Verluste hinausläuft – ähnlich wie beim so genannten Rettungspaket der Bundesregierung für die Banken. Und ebenso wie bei diesem werden dadurch nicht Arbeitsplätze sondern Aktionäre gerettet. Nur eine Verstaatlichung von Opel würde es dem Staat erlauben, Staatshilfen mit sozialen Bedingungen zu verknüpfen.
Existenzkrise
Der Chef von Opel, Hans Demant, lügt, wenn er behauptet, dass Opel keine Zahlungsschwierigkeiten habe und dass die Bürgschaft nur eine Art Vorsorge für den unwahrscheinlichen Fall sei, dass GM Insolvenz, also Konkurs anmelden müsse. (»Geld soll nicht fließen …«) Der Absatz von General Motors ist im Oktober um 45 Prozent eingebrochen. Einen solch tiefen Einbruch hat es noch nie in der Geschichte von General Motors gegeben, auch nicht 1929. Monatlich „verbrennt« GM etwa eine Milliarde Dollar. Ohne Finanzhilfe der US-Regierung wären die Bargeldreserven bald aufgebraucht.
Deshalb fordert GM zusammen mit den beiden anderen US-Autokonzernen Ford und Chrysler 50 Milliarden Dollar aus dem amerikanischen Rettungspaket, davon 25 Milliarden, um zahlungsfähig zu bleiben. Wie es um die Zahlungsfähigkeit von Opel/GM tatsächlich bestellt ist, lässt sich unschwer an zwei Tatsachen erkennen:
- Der Aktienkurs von GM ist binnen Jahresfrist um 90 Prozent(!) auf jetzt noch 2,80 Dollar abgesackt. Die Deutsche Bank hat ihn bereits auf null herabgestuft. Das heißt, sie schätzt den Wert von GM/Opel auf null.
- Die Kreditversicherer der Autozulieferindustrie wie Euler Hermes (Allianz), Coface und andere haben am 8.11. erklärt, dass sie keine Absicherung der Zulieferer an GM und Ford mehr übernehmen. Das bedeutet, dass zahlreiche Zulieferer vor dem Aus stehen, weil sie auch von anderen Banken keine Überbrückungskredite erhalten. Teile können nur noch gegen Vorkasse geliefert werden und das bringt Opel jetzt sehr rasch an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. Das Beispiel demonstriert auch, dass das Bankenrettungspaket der Bundesregierung nicht dazu beigetragen hat, die Kreditklemme zu überwinden.
Die Milliardenbürgschaft wäre jedoch nur der Anfang! Ist der Staat erst einmal als Bürge mit einer Milliarde in der Verantwortung, dann wird er auch eine zweite und eine dritte Milliarde zu einem späteren Zeitpunkt locker machen – so die Rechnung der Manager und Aktionäre. Außerdem gilt: Wenn GM eine Bürgschaft erhält, werden auch Ford und die übrigen Automobilkonzerne, die Zulieferer und schließlich die Stahlindustrie die Hand aufhalten. Bundesfinanzminister Steinbrück kritisiert zu Recht das Vorpreschen der Landesfürsten in der Bürgschaftsfrage. Ohne eine vorherige Absicherung von General Motors durch die US-Regierung »wäre ein Bürgschaft wie ein Scheck an Lehman Brothers« (Autoexperte Dudenhöffer). General Motors steht in den USA aber kurz vor der Insolvenz.
Nein zur Erpressung der Belegschaften
GM/Opel will die Arbeitnehmer gleich zweimal zur Kasse bitten: einmal soll ein Sparpaket von 750 Millionen Euro durch Lohnverzicht (Nullrunde bei Tariflohnanpassung), Stellenabbau und so weiter von den Belegschaften aufgebracht werden. Zweitens sollen die Arbeitnehmer als Steuerzahler für die Verluste der Aktionäre und Manager aufkommen. Wie schon bei der Bankenkrise sollen Milliarden von Steuermitteln an die für die Krise Verantwortlichen fließen.
Der Rettungsplan der Demokraten im US-Abgeordnetenhaus für die amerikanische Autoindustrie geht einen Schritt weiter: Immerhin soll der Staat Besitzanteile der Autowerke in Höhe der staatlichen Kredite als Sicherheit erhalten.
Die LINKE muss klare Bedingungen für ihre Zustimmung für staatliche Finanzhilfe für General Motors stellen. Erst einmal ist nicht einzusehen, warum das Land Hessen sich an einer solchen Staatshilfe beteiligen soll. Schließlich hat Roland Koch (zusammen mit Peer Steinbrück) den Landeshaushalt schon um eine Milliarde jährlich zugunsten der Unternehmer »erleichtert« (Unternehmenssteuerreform 2008).
Die Bundesregierung sollte daher für die Hilfe aufkommen und zu diesem Zweck eine Millionärssteuer erheben, wie sie Oskar Lafontaine jetzt wieder gefordert hat. Es ist unerträglich, dass die Reichen ihre Verluste einfach auf den Staat und das heißt die Allgemeinheit abwälzen wollen. Sie konnten im Aufschwung nicht genug bekommen. Jetzt in der Krise verlangen sie, dass ihre Risiken durch den Staat übernommen werden.
Bedingungen der LINKEN
Warum überhaupt den Umweg über eine Bürgschaft gehen, von der ohnehin jetzt schon absehbar ist, dass sie eingelöst werden muss, das heißt auch mit Steuergeldern bezahlt werden muss? Die LINKE sollte fordern, dass der Staat, statt gegenüber den Banken und Versicherern der Autoindustrie als Bürge aufzutreten, selbst Kredite an Opel vergibt, daran allerdings klare Bedingungen knüpft.
- Keine Massenentlassungen in den Opel-Werken und keine Standortschließungen
- Fallenlassen der erpresserischen Forderung der Manager an die Belegschaft nach Lohnverzicht und Nullrunden und sonstiger Verschlechterungen für die Belegschaft
- Offenlegung der Bücher/Konten gegenüber dem Kreditgeber (Regierung), aber auch gegenüber den betroffenen Belegschaften und ihrer Interessensvertretung (Betriebsräte, IG Metall)
- Verstaatlichung der Opel GmbH durch ein Notlagegesetz zum Nulltarif, das heißt zum jetzigen Marktpreis der Opel GmbH, mindestens jedoch Beteiligung von Bund (und Ländern, falls diese doch zu beteiligen sind) an der Opel GmbH mit einer Sperrminorität von 20 Prozent (VW-Modell), dazu Herauslösung der Opel GmbH als eigenständiges Unternehmen durch Trennung vom Mutterkonzern GM.
Flächentarifvertrag verteidigen
Wirtschaftsminister Glos hat bereits Punkt 1 gefordert. Punkt 2 ist schon deshalb wichtig, weil ein Ausscheiden von Opel aus den Tariflohnerhöhungen den gerade ausgehandelten Flächentarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie zu reiner Makulatur machen würde. Denn auch Daimler und VW klagen über fallende Aufträge und die Herausnahme von Opel würde unweigerlich dazu führen, dass die Konkurrenz die gleichen Bedingungen fordert. Der Sinn des Flächentarifvertrags besteht aber gerade darin, die Lohn- und Arbeitszeitbedingungen für alle Konkurrenten einer Branche in etwa gleich zu halten, um Schmutzkonkurrenz zu verhindern.
Leider hat der jetzt gerade abgeschlossene Tarifvertrag der IG Metall die Möglichkeit einer solchen Abkopplung von Unternehmen aus der Tariflohnerhöhung ausdrücklich erlaubt. Umso wichtiger ist es, jetzt den neuen Flächentarifvertrag zu verteidigen.
Irrsinn der Marktwirtschaft
Die Forderung von Opel nach einer Nullrunde und Lohnabsenkung zeigt den ganzen Irrsinn der kapitalistischen Marktwirtschaft: Einerseits fordert GM/Opel ein europaweites Hilfsprogramm in Höhe von 40 Milliarden Euro für die europäische Autoindustrie, darunter als wichtigste Maßnahme die Bereitstellung billiger Kredite für Autokäufer und für Verschrottungsprämien. Andererseits sollen die Löhne gesenkt werden. Hier wird ein Grundwiderspruch des Kapitalismus sichtbar, auf den Karl Marx hingewiesen hat. Nämlich dass die Arbeiter einerseits als Konsumenten gesehen werden, die möglichst viele der Waren kaufen sollen, andererseits als Produzenten einen möglichst geringen Lohn erhalten sollen. Dies ist auch ein Element der Krisenanfälligkeit des Kapitalismus.
Weißer Ritter
Roland Koch möchte sich jetzt im Wahlkampf als weißer Ritter zeigen, als Retter der Arbeitsplätze. Er behauptet, die sich abzeichnende Weltwirtschaftskrise sei allein in den USA entstanden. Dabei hat Roland Koch sich wie kein anderer für die Senkung der Lohnkosten, für Deregulierung und Privatisierung eingesetzt. 2004 war er es, der sich für eine Senkung der Lohnkosten bei Opel auf das niedrigere schwedische Niveau eingesetzt hatte.
Diese Politik hat zwar zur Steigerung der Exporte beigetragen, aber gleichzeitig die Binnennachfrage in Deutschland immer weiter herabgedrückt. Solange die Exporte stiegen, konnten Koch und Steinbrück triumphieren. Jetzt zeigt sich: Die hohe Exportabhängigkeit und die extrem niedrige Binnenkaufkraft haben zur Verschärfung der Krisentendenzen der Weltwirtschaft beigetragen. Einen kurzzeitigen »Ausweg« aus diesem Widerspruch hat die Bush-Regierung in den USA gewiesen: Sie förderte über Jahre mit billigen Krediten den Massenkonsum und damit eine enorme Verschuldung der Bevölkerung, auch der Arbeiterklasse. So stieg mit der Verschuldung der Bürger die Nachfrage nach Häusern und Autos, ohne dass steigende Löhne die Profitraten belasteten. Ginge es nach dem Willen von GM/Opel, dann sollte die Bundesregierung diesen verheerenden Weg in Deutschland nachahmen: ein Weg der geradewegs in die gegenwärtige Finanzkrise hineingeführt hat.
Verstaatlichung unter demokratischer Kontrolle
Nur indem der Staat selbst zumindest eine Sperrminorität erwirbt – bei einem Aktienkurs von fast null Euro sollte das durchaus möglich sein – kann er letztlich auch verhindern, dass das Geld im Schwarzen Loch von General Motors verschwindet. Nur so kann er auch garantieren, dass Managergehälter gekürzt werden und dass die Arbeitsplätze erst einmal gesichert sind. Zugleich müssen die Zukunftspläne von Opel auf Belegschaftsversammlungen vorgestellt werden. Belegschaften, Betriebsräte und IG Metall müssen das Recht auf demokratische Kontrolle der Manager und Vorstände haben. Die LINKE muss sich mit ihren Vorschlägen an die Belegschaft und ihre Interessenorgane wenden. Nur so wird zu verhindern sein, dass Opel und die Autoindustrie schrittweise abgewickelt werden. Der Weltkapitalismus befindet sich in einer tiefen Krise. Die Kapitalisten werden versuchen, die Kosten der Krise auf die arbeitenden Klassen abzuwälzen – wie in früheren Krisen auch. Das müssen wir verhindern. Opel hat Modellcharakter. Deswegen: Arbeitsplätze retten – nicht Aktionäre: Keine Sozialisierung der Verluste – die Profiteure sollen zahlen.
Zum Autor:
Volkhard Mosler ist Soziologe und Mitglied im Kreisvorstand der LINKEN in Frankfurt am Main.