Lokale Verankerung ist wichtig für DIE LINKE. Doch Aufwand und Nutzen der Kommunalpolitik müssen in einem gutem Verhältnis stehen, meint Michael Bruns. Vorabveröffentlichung aus marx21 Nr. 27, erhältlich ab 26. September
Ist Kommunalpolitik zu einflusslos, zu unwichtig und frisst Unmengen unserer Ressourcen? Wäre es besser bei Kommunalwahlen auf einen Wahlantritt zu verzichten? Solche und ähnliche Fragestellungen werden gegenwärtig in der LINKEN diskutiert.
Keine Frage: Kommunalpolitik bringt handfeste Vorteile für die Partei vor Ort. Die Einnahmen meines Kreisverbandes haben sich beispielsweise verzehnfacht seitdem wir in den Kommunalparlamenten vertreten sind. 80 Prozent der Einnahmen meines Kreisverbandes würden wegfallen, wenn dies nicht mehr so wäre. Es gäbe keine Kreisgeschäftsstelle mehr. Wir wären arm wie Kirchenmäuse. Das wäre auch mit höheren Mitgliedseinnahmen nicht kompensierbar.
Kommunalpolitik macht bekannt
Sich aktiv in die Kommunalpolitik einzubringen, macht einen bekannter vor Ort und erleichtert die lokale Verankerung. In jeder Rats- und Ausschusssitzung sitzen mehrere Journalisten. Die Namen unserer Kommunalpolitiker und unsere Positionen werden regelmäßig in der Lokalzeitung genannt. Wenn Menschen mich als Ratsmitglied ansprechen wegen wenig weltbewegenden Problemen, dann freue ich mich trotzdem.
Über alltägliche Probleme entstehen Kontakte und weiterführende Gespräche. DIE LINKE braucht lokale Bekanntheit, Anerkennung und Verankerung um erfolgreich zu sein. In der Kommunalpolitik können wir die große Politik auf die Verhältnisse vor Ort runterbrechen. Die Lokalpresse druckt keine Presseerklärungen der LINKEN zu Bundesthemen. Doch den Lokalbezug dieser Themen können wir durch eine kommunalpolitische Vertretung herstellen.
Zu viel Zeit in Sitzungen
Aber ich sehe auch Gefahren. Sie liegen meines Erachtens darin, zu viel Zeit in Sitzungspolitik zu investieren. Die Verwaltung sitzt am längeren Hebel. Es ist nötig, effizient zu arbeiten und nicht zu viel Zeit mit Vorlagenstudium zu verbringen. Anderes ist wichtiger. Stehe ich vor der Frage: Gehe ich heute Abend zum Umfairteilen-Bündnistreffen oder in den Bauausschuss? Dann steht der Ausschuss in der Regel hinten an.
Als kleine linke Oppositionsfraktion besteht auch die Gefahr abzustumpfen. Weil man auch mal ein Erfolgserlebnis möchte, schraubt man die eigenen Positionen zurück. Das ist nicht gut. Die politische Linie muss klar sein: Die falsche Finanzpolitik von Eichel bis Schäuble wird DIE LINKE nicht billigen oder exekutieren – weder im Bund, noch im Land und auch nicht in der Kommune. Kürzungshaushalte müssen wir ablehnen. Wir sagen nein zu Privatisierung, Sozial- und Personalabbau!
Schuldenbremse entmündigt
Es gibt die Schuldenbremse im Grundgesetz, die Länder stehen unter der Aufsicht des Stabilitätsrates und in Kommunen gibt es Nothaushalte. Die Kommunalpolitik wird entmündigt. Ich finde, die vorhandenen Spielräume sind nicht der richtige Maßstab für linke Politik, sonst gibt man sich selber der neoliberalen Maxime »There is no alternative« hin.
Doch es gibt immer Alternativen, auch in den Kommunen: Die Gewerbesteuer kann zum Beispiel erhöht werden. DIE LINKE sollte allerorten Widerstand gegen Sozialabbau fördern. Oder sie kann die Kommunalpolitiker der anderen Fraktionen auffordern, in ihren Parteien eine bessere Finanzierung der Kommunen durchzusetzen.
Nicht ohne aktiven Ortsverband
Voraussetzung für den Antritt bei einer Stadtratswahl ist ein aktiver Ortsverband. Man muss fähig sein, einen Wahlkampf zu bestreiten. Man braucht ausreichend Kandidatinnen und Kandidaten und Unterstützerunterschriften (Diese formalen Voraussetzungen sind teilweise hohe Hürden.)
Auch außerhalb von Wahlkämpfen muss man die Kraft haben, Infostände zu machen und Flugblätter in die Briefkästen stecken zu gehen. Denn die jeweilige Lokalpresse ist zu selten der LINKEN gegenüber aufgeschlossen. Werbung machen müssen wir selber.
Eine Ratsfraktion darf die Parteiarbeit und den Aufbau einer jungen und noch kleinen Partei nicht lähmen. In einer kleinen Ortsgruppe müssen sich die (künftigen) Ratsmitglieder verpflichten, sich an der Parteiarbeit zu beteiligen.
Kommunalwahl für den Widerstand
Aufwand und Nutzen müssen in einem guten Verhältnis stehen. Ist das nicht der Fall, dann kann es besser sein, an einer Kommunalwahl (noch) nicht teilzunehmen. Denn wir kämpfen für soziale Gerechtigkeit und nicht für Mandate als Selbstzweck.
Wenn also
- man eine aktive Ortsgruppe hat
- die Ratsmitglieder sich nicht in den Gremien vergraben
- man nicht nur während des Wahlkampfes Infostände macht
- eine eigene Öffentlichkeitsarbeit stattfindet
- die eigenen Positionen nicht »geschliffen« werden
- das Nein zu Kürzungshaushalten, zu Privatisierung und zu Personalabbau obligatorisch bleibt
- wir populistisch und rebellisch sind
dann bringt Kommunalpolitik Vorteile: Informationen, Kontakte, Bekanntheit und Ressourcen.
Der Autor:
Michael Bruns ist Vorsitzender der Ratsfraktion der LINKEN in Lippstadt.
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