Griechenland ist erst der Anfang – in ganz Europa rollt eine Kürzungswelle an. marx21 über Krise, Kürzungspläne und die Kämpfe dagegen
»Wir sind alle Griechen!« lautet der Beschluss des Bundesparteitags der LINKEN, der zur Solidarität mit den Protesten in Griechenland und zu den Demonstrationen des Bündnis »Wir zahlen nicht für eure Krise« aufruft: »DIE LINKE ruft auf, an den bundesweiten Demonstrationen am 12. Juni in Berlin und Stuttgart teilzunehmen. Wir demonstrieren: gegen die unsoziale Kopfpauschale; gegen die Rente erst ab 67 Jahren für eine gebührenfreie Bildung von der Kita bis zur Uni ; für handlungsfähige Kommunen; für die Regulierung er Finanzsysteme und die Vergesellschaftung der Banken; für Solidarität mit den griechischen Kolleginnen und Kollegen!; Auf die Straße am 12. Juni!«
Auf Grundlage dieses Beschlusses kann die Partei in den kommenden Tagen und Wochen die Mobilisierung zum 12. Juni auf die Tagesordnung setzen. Als Vorlage für eigenes Mobilisierungsmaterial eignet sich das Flugblatt der BaWü-LINKEN hervorragend. Auch wenn die Demonstrationen voraussichtlich nicht riesig sein werden, stellen sie einen wichtigen Fokus für den Aufbau von Widerstandsnetzwerken in Deutschland dar. Denn: Griechenland ist erst der Anfang – in ganz Europa rollt eine Kürzungswelle an.
Bisher auf dem Tisch: Die französischen Regierung will die Ausgaben von 2011 bis Ende 2013 einfrieren. Jede zweite freiwerdende Stelle im öffentlichen Dienst wird nicht besetzt. Die laufenden Ausgaben für den Staatsbetrieb sollen binnen drei Jahren um zehn Prozent gesenkt werden. Die neue britische Regierung will die Staatsausgaben in einem ersten Schritt um sieben Milliarden Euro senken. Die spanische Regierung plant für die kommenden drei Jahre eine Senkung der Ausgaben um 50 Milliarden Euro. Für 2010 und 2011 kündigte die Regierung zusätzliche Einsparungen von 15 Milliarden Euro an. Die Gehälter von Ministern und Beamten werden gekürzt, Staats-Investitionen zusammengestrichen. In Irland werden dieses Jahr die Gehälter im öffentlichen Dienst um bis zu 15 Prozent gekürzt. Die Sozialausgaben werden um 760 Millionen Euro zurückgefahren.
Andere Länder wie Italien wollen demnächst ihre Sparpläne auf den Tisch legen. Diese Sparprogramme werden das Wirtschaftswachstum in der Eurozone bremsen. In Deutschland hat Roland Koch die Diskussion eröffnet. Hintergrund ist die aktuelle Steuerschätzung, welche die steuerlichen Effekte der Wirtschaftskrise grob beziffert. Bund, Länder und Gemeinden müssen bis 2013 mit fast 40 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen rechnen als bislang angenommen. Deshalb sagt Koch: »Wir leben in dramatischer Weise über unsere Verhältnisse. Die Zeit der Behutsamkeit ist vorbei.« (das ganze Interview mit Koch gibt es bei SPIEGEL-Online hier). Koch will insbesondere bei den Kosten für die die Länder zuständig sind, also Bildung und Kinderbetreuung, sparen. Merkel ist nicht so weit von Koch entfernt wie es scheint – auch sie ist für einen Sparkurs, auch sie sagt »wir leben über unsern Verhältnissen«. Streit ist eher die Schwerpunktsetzung – Merkel wies darauf hin dass die größten Posten im Bundesetat »Arbeit und Soziales« sind, was eher auf einen Angriff auf Renten oder Hartz IV Empfänger hindeutet.
Details werden in den nächsten Wochen klarer werden, klar ist jedoch, dass eine europaweite Offensive gegen lohnabhängig Beschäftigte, Arbeitslose und Rentner anläuft. Diese Situation stellt DIE LINKE vor große Herausforderungen: Unter diesen Bedingungen in eine Armutsverwaltung eingebunden zu sein schadet der LINKEN. Beispiel Brandenburg: Hier sind jetzt die Zahlen der Steuerschätzung auf dem Tisch. Insgesamt werden aus Steuern und Finanzausgleich in den Jahren 2010-2013 voraussichtlich 355 Millionen Euro weniger in die Kassen des Landes fließen als in den Planungen auf der Basis der vorangegangenen Schätzungen bislang angenommen – diese Planungen waren auch Grundlage des rot-roten Koalitionsvertrages der damit weitgehend Makulatur ist. Entsprechend auch die Reaktion von LINKE-Finanzminister Markow: »Die erneut gesunkenen Einnahmeerwartungen zwingen uns, die Notwendigkeit von Ausgaben noch genauer zu prüfen, als dies ohnehin schon der Fall ist. Einschnitte werden sich nicht vermeiden lassen, wenn wir die Schuldenbremse einhalten und die Nettokreditaufnahme weiter zurückführen wollen«. Die Führung der LINKEN Brandenburg hatte nach dem Posten des Finanzministers geradezu gegiert, um zu beweisen »das auch die LINKE finanzpolitische Kompetenz hat«. Das Ergebnis: Jetzt gibt es einen "roten" Sparkommissar, der die Gesamtpartei belasten wird. Diese Erfahrung ist auch für die Verhandlungen in NRW lehrreich.
Die Alternative dazu ist der Aufbau von Widerstand – konkret die Krisenproteste am 12. Juni. Das ist umso wichtiger, als das vom DGB-Kongress kein klares Signal des Widerstandes ausging. Stattdessen sagte DGB-Chef Sommer: »In Folge der Wirtschaftskrise gibt es eine Renaissance der Zusammenarbeit zwischen Regierung und Gewerkschaften. Mit Frau Merkel und Frau von der Leyen gehen zwei Spitzenpolitikerinnen der CDU auf die Gewerkschaften zu. Wie es scheint, will sich die Union dem Vorwurf der sozialen Kälte nicht dauerhaft aussetzen.« Das könnte sich fix als Fehleinschätzung erweisen, sobald das Sparpaket auf dem Tisch liegt und umgesetzt wird. Die LINKE hat also eine zentrale politische Aufgabe darin der politischen Entwaffnung von Gewerkschaftsmitgliedern durch Sommer & Co im Rahmen der jetzt anstehenden Auseinandersetzungen zum Sparpaket und der Gesundheitsreform etwas entgegenzusetzen.
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