Am Osterwochenende werden wieder Tausende auf den Ostermärschen gegen Krieg demonstrieren. Im zweiten Teil unseres Interviews mit Christine Buchholz MdB geht es um die Verflechtung von Rüstung und Politik in Deutschland
marx21.de: Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI hat gerade mitgeteilt, dass die Rüstungsausgaben 2013 um 1,9 Prozent gefallen sind. Wird die Welt jetzt von allein friedlicher?
Christine Buchholz: Leider nicht. Dieser Eindruck entsteht nur, weil die USA immer noch den bei weitem größten Rüstungsetat der Welt haben. Und dieser sinkt momentan wegen des Abzugs aus Afghanistan und des Spardrucks angesichts eines immensen öffentlichen Schuldenberges von über 1 Billion US-Dollar. Die US-Regierung hat automatische Haushaltskürzungen um 8 Prozent verordnet, davon ist auch der Rüstungshaushalt betroffen. Auch in anderen westlichen Staaten sind die öffentlichen Haushalte unter Druck, und damit die Rüstungsetats. Gegen den Trend sind die Rüstungsausgaben in Deutschland leicht gestiegen auf 35,1 Milliarden Euro. Im Rest der Welt sind die Militärausgaben im Schnitt um 8 Prozent angestiegen, zum Beispiel um 14 Prozent in Saudi-Arabien und um 4,8 Prozent in Russland. Wir erleben eine kleine Verschiebung, aber die Welt ist mitnichten friedlicher.
Aber dass die Rüstungsausgaben im Westen sinken, ist doch zu begrüßen.
Die meisten Länder in der Nato stecken in einem Dilemma. Sie wollen einerseits der neoliberalen Ideologie folgen und die öffentlichen Haushalte kürzen. Andererseits brauchen sie Geld für ihre strategischen Ambitionen. Daher diskutieren sie derzeit über eine Arbeitsteilung in der Nato und in der EU, um trotz Haushaltskonsolidierung mittelfristig die Militärhaushalte aufzustocken. Um es plastisch zu machen: die einen spezialisieren sich auf Hubschrauber und Kampfflugzeuge, die anderen auf Panzer. Aber im Bündnis hat man alle Fähigkeiten, um Militäreinsätze gemeinsam durchführen zu können.
Der Druck aus der Industrie ist immens, aber auch die SPD drängt. Der Arbeitskreis Sicherheits- und Verteidigungspolitik der SPD-Bundestagsfraktion hat gerade ein Papier veröffentlicht, in dem sie sich zur »politischen Verantwortung gegenüber der wehrtechnischen Industrie und dem damit verbundenen Technologiestandort Deutschland« bekennt. Sie fordert ab 2017 einen Zuwachs des Verteidigungshaushaltes.
Eine Anfrage der LINKEN hat gerade ergeben, dass sich Vertreter der deutschen Rüstungskonzerne bis Anfang 2014 fast wöchentlich mit Regierungsvertretern getroffen haben. Was ist daran denn zu kritisieren?
Die Rüstungsindustrie nimmt systematisch Einfluss auf politische Entscheidungen. Das bedeutet, dass die Rüstungsindustrie Profite auf dem Rücken der Steuerzahler macht. Ein Beispiel ist der neue Militärtransporter Airbus A 400 M. Am 15. Dezember 2010 sollte im Verteidigungsausschuss der Änderungsvertrag mit EADS über eine Stückzahlreduzierung des Militärtransportflugzeuges A 400 M diskutiert werden. Die Beratung wurde auf den 26. Januar 2011 verschoben. Am 19. Januar fand ein Gespräch zwischen Wirtschaftsminister Rösler und Manager Zoller von EADS statt. Am Ende stand ein Änderungsvertrag, der die Erhöhung des Stückpreises des A 400 M von 155 auf 175 Millionen Euro vorsah. Das ist doch auffällig…
Übrigens sind in der Antwort auf unsere Anfrage nur Gespräche auf Leitungsebene erfasst. Die reinen Arbeitskontakte sind so vielfältig, dass sie gar nicht recherchierbar sind, sagt die Bundesregierung.
Nun will Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel nach Informationen der Bild am Sonntag den Verkauf von 800 Panzern nach Saudi-Arabien verhindern. Zeigt das nicht, dass die große Koalition friedlicher ist als die schwarz-gelbe?
Wenn diese Nachricht stimmt, dann ist das vor allem ein Erfolg des öffentlichen Protestes. Breite gesellschaftliche Kreise haben zu Recht angeprangert, dass ein autokratisches Königreich, das geholfen hat, den arabischen Frühling in Bahrain niederzuschlagen, aufgerüstet wird. Bisher gibt es nur eine Voranfrage. Es bleibt also abzuwarten, ob Gabriel es Ernst meint.
DIE LINKE fordert ein Verbot von Rüstungsexporten und hat das Geschäft mit Saudi-Arabien besonders kritisiert. Wie soll die Partei auf Gabriel reagieren?
Der Vorgang zeigt, dass öffentlicher Protest wirksam ist. DIE LINKE muss diese und weitere Projekte weiter an die Öffentlichkeit zu bringen und entsprechend Druck aufbauen.
Auf eine andere Anfrage der LINKEN hin hat die Bundesregierung vor kurzem mitgeteilt, dass die Bundeswehr 2013 bei 8700 Vorträgen an Schulen 189.000 Schüler erreicht hat. Die Bundesregierung begründet ihr Engagement mit ihrer Informationspflicht sowie den Informationsbedürfnissen der Schulen zu sicherheitspolitischen Themen im Rahmen der politischen Bildung. Was ist daran falsch?
Es ist die Aufgabe der ausgebildeten Lehrkräfte und nicht der Bundeswehr, das Informationsbedürfnis zu befriedigen. Die Bundeswehr ist kein neutraler Akteur. Sie hat ein Rekrutierungsproblem, weil die Auslandseinsätze so unbeliebt sind. Es geht bei den Vorträgen an Schulen also nicht um politische Bildung. Es geht darum, den Pool an zukünftigen Rekruten zu erweitern. Die Schule soll aber kein Ort für Rekrutierung sein. Soldat ist kein Beruf wie jeder andere. Kein Mensch soll aus Perspektivlosigkeit und sozialem Zwang in der Armee und ihren Auslandeinsätzen landen.
Eine weitere Anfrage der LINKEN hat Anfang des Jahres ergeben, dass außeruniversitäre Einrichtungen Rüstungsforschung im Auftrag nicht nur der Bundeswehr, sondern auch der USA, Südkoreas, Australiens, Großbritanniens, der Schweiz und Singapurs betreiben. Seit 1998 sind 12 Millionen Euro geflossen. Das sind weniger als eine Million Euro pro Jahr. Warum sollte man sich deswegen Sorgen machen?
Forschung sollte darauf zielen, Probleme zu lösen und nicht Kriege zu führen. Das ist aber die Intention der Verteidigungsministerien bei diesen Aufträgen. Man kann davon ausgehen, dass es militärisch nutzbare Ergebnisse gibt, das heißt, dass man so Kriege unterstützt. Auch ein indirekter Beitrag zum Krieg ist ein Beitrag zum Krieg. Die Anfrage informiert im Übrigen nur über das Ausmaß der Forschungskooperation an außeruniversitären Instituten. Fakt ist: Die im Haushaltsentwurf der Bundesregierung für 2014 vorgesehenen Posten für „verteidigungsinvestive Forschung und Entwicklung« summieren sich auf über 800 Millionen Euro. Unklar ist, wie viel davon in die öffentlichen Hochschulen fließt, da die Bundesregierung hier jede Aussage verweigert. Hochschulangelegenheiten seien Ländersache. Die Länder berufen sich auf die Autonomie der Hochschulen. So wird die Verantwortung immer weiter verschoben.
Und wie kann man dem entgegenwirken?
Vor allem, indem man sich an den Unis organisiert und Transparenz herstellt. Das können die Studierenden und die Mitarbeiter in Forschung und Lehre am besten selbst. An der Universität Bonn und weit darüber hinaus hat es Widerstand gegen die Einrichtung einer Stiftungsprofessur für Völkerrecht, die nach dem ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger – unter anderem mit verantwortlich für den Vietnamkrieg und den Putsch in Chile 1973 – benannt werden sollte. Diese Professur soll überwiegend aus Mitteln des Verteidigungshaushaltes finanziert werden. Nun hat die Universität Bonn die Professur mit einem früheren US-Botschafter besetzt. Von daher war der Protest nicht erfolgreich. Es kommt jetzt darauf an, weiter für das Problem der Einflussnahme des Militärs auf die Bildung zu sensibilisieren und immer wieder Widerstand zu organisieren.
Mehr zur Person:
Christine Buchholz ist Mitglied des Verteidigungsausschusses im Bundestag und des geschäftsführenden Vorstands der LINKEN. Sie unterstützt das Netzwerk marx21.
Mehr im Internet:
- http://www.ostermarsch.info: Liste der Ostermärsche
Mehr auf marx21.de:
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Foto: Uwe Hiksch