Mit Beschwichtigungen versucht die SPD-Spitze, Kritiker der Privatisierung für einen Börsengang der Bahn zu erwärmen. Doch Becks-Modell der »Bahnreform« ist der Einstieg in den Ausverkauf des Unternehmens. Von Frank Eßers, Online-Redakteur marx21.de
SPD-Chef Beck ist sich sicher: Sein Vorschlag für einen Börsengang der Bahn (DB AG) kommt durch – obwohl dieser gegen einen Parteitagsbeschluss verstößt. Denn im vergangenen Oktober hatte die SPD auf ihrem Bundesparteitag in Hamburg entschieden: Private Investoren dürfen keinen Einfluss auf die Bahn erhalten und das Unternehmen soll nicht aufgespalten werden. Doch genau das wird geschehen, wenn die SPD-Führung sich durchsetzt und die Union den Vorschlag akzeptiert. Dann würde Schwarz-Rot die Bahn voraussichtlich noch in diesem Jahr an die Börse bringen.
Gebrochenes Versprechen
Beck hatte auf dem Parteitag zugesagt, dass der SPD-Vorstand sich an den Beschluss halten werde. Sollte dieser in der Regierungskoalition gegenüber der Union nicht durchsetzbar sein, werde ein Sonderparteitag entscheiden, wie weiter verfahren wird (siehe Video bei »Bahn für Alle«). Ob dieser allerdings zustande kommt, ist keineswegs sicher. Denn einige einflussreiche Parteilinke haben Beck bereits signalisiert, dass sie seinen Vorschlag unterstützen, auch ohne Sonderparteitag. Auf einem solchen, so ihre Befürchtung, könnte Beck mit der »Bahnreform« eine Niederlage erleiden. Ihren Parteichef wollen sie nicht demontiert sehen.
Der SPD-Vorsitzende legt sein Versprechen kreativ aus: Auf dem Bundesparteitag im vergangenen Herbst sei befürchtet worden, dass 49 Prozent der Infrastruktur hätten privatisiert werden sollen, darunter Schienen und Bahnhöfe. Das sei nunmehr vom Tisch. Man könne davon ausgehen, dass ein Sonderparteitag »nicht kommt«, sagte er am Montag.
Dabei unterscheidet sich das Privatisierungsmodell des SPD-Vorstands kaum vom so genannten Holdingmodell, welches die SPD-Basis mit großer Mehrheit ablehnt. Das Holdingmodell sieht vor, die Infrastruktur beim Bund zu belassen, Personen- und Güterverkehr hingegen sollen zu 49,9 Prozent an private Investoren verkauft werden (marx 21 berichtete). Die »Privatisierung light« des SPD-Vorstandes sieht eine Veräußerung von »nur« 24,9 Prozent vor. Abgesehen davon sollen Verträge zwischen Bund und Bahn den Konzern angeblich zusammen halten und den Einfluss des Bundes sichern.
Beruhigungspille für Privatisierungsgegner
Die CDU freundet sich derzeit mit Becks Vorschlag an. Denn 70 Prozent der Bevölkerung lehnen jede Form der Bahnprivatisierung ab. Das »Kompromissmodell« der SPD-Spitze ist die einzige Möglichkeit für die Privatisierungsbefürworter, die Bahn doch noch im Herbst an die Börse zu bringen. Allerdings bestehen die Konservativen darauf, dass zu einem späteren Zeitpunkt doch noch 49,9 Prozent veräußert werden.
SPD-Verkehrsminister Tiefensee beschwichtigt: »Die 24,9 Prozent sind die rote Linie, über die die Roten nicht gehen«, behauptete er am Dienstag. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Mark und der SPD-Politiker Peter Conradi sehen das anders: Die geplante Beschränkung des privaten Aktienanteils auf 24,9 Prozent sei Augenwischerei, weil dieser später durch eine einfache Vertragsänderung erhöht werden könne, erklärten sie.
Diese Kritik teilt das Antiprivatisierungsbündnis »Bahn für Alle«: Die Erfahrung bei Telekom und TUI zeige, dass bereits ein paar Prozent Anteile einem Investor reichen, um massiv Einfluss zu nehmen. Mit jeder Variante des Holding-Modells »wird der Einfluss privater Miteigentümer in den gesamten DB-Konzern geholt – auch auf die Infrastruktur, die Teil des DB-Konzerns ist«, warnt »Bahn für Alle«. Weder Gesetze noch Verträge könnten dauerhaft sichern, dass es im Konzern einen gemeinsamen Arbeitsmarkt gibt, dass keine weiteren Anteile oder einzelne Unternehmen verkauft werden, dass private Miteigentümer Forderungen an die Deutsche Bahn AG stellen und bei Nichterfüllung Milliarden Euro an Nachteilsausgleich fordern.
Freude bei der FPD
Die FDP-Bundestagsfraktion vertritt die Einschätzung, dass das Beck-Modell der Einstieg in die vollständige Privatisierung und Aufteilung der Bahn ist. In einem Schreiben der Liberalen heißt es: »Mit dem Einstieg in die Privatisierung wird ein Pfad eingeschlagen, der mittelfristig unweigerlich zu der Aufstellung führt, die von uns und den anderen Wettbewerbsbefürworten schon immer propagiert worden ist: die schrittweise Privatisierung der Verkehrsbereiche des DB-Konzerns ohne Netz bis hin zur Vollprivatisierung und damit der endgültigen Trennung von Netz und Betrieb.«
Laut der FDP-Einschätzung sind die angeblichen vertraglichen Sicherungsmaßnahmen gegen diese Entwicklung »nur ‚weiße Salbe‘ für SPD-Linke und Transnet. Sobald beispielsweise Kapitalerhöhungen notwendig werden, wird der Bund nicht mitziehen können und deswegen weitere Anteile veräußern.«
Die vorläufige Beschränkung der Investoren auf 24,9 Prozent sei »unschädlich, weil die Spielregeln des Kapitalmarktes sofort greifen. Der Bund kann angesichts des Risikos von Gewinnwarnungen und Kursverlusten keine kapitalmarktwidrigen Entscheidungen durchsetzen. Damit steht der mit einer Privatisierung gewollten Stärkung von Effizienz, Kostensenkung und Innovation nichts im Wege.«
Auf Seiten der Liberalen herrscht unverhohlene Freude darüber, dass der SPD-Vorstand nun einem Privatisierunsmodell den Weg ebnet, welches die FDP jahrelang vergeblich vertreten hat..
Einstieg in den Ausverkauf
In den Reihen der Bahner stößt das »alte« Holdingmodell, das einen 49,9 prozentigen Verkauf von Personen- und Güterverkehr vorsieht, auf deutliche Ablehnung. Manfred Schell, Vorsitzender der Lokomotivführergewerkschaft GDL kritisierte: »Jede spätere Bundesregierung, die als Eigentümer gewillt ist, weitere Transportsparten zu verkaufen und damit gleichzeitig die Trennung von Netz und Transport zu vollziehen, kann dies in der Hauptversammlung der DB AG durchsetzen.«
Auch die Verkehrsgewerkschaft GDBA meint, es sei »der Einstieg in die Zerschlagung des DB-Konzerns.« Nur die Führung der Bahngewerkschaft Transnet will sich auf das Holdingmodell einlassen. Dieser Kurs ist in Transnet heftig umstritten.
Allerdings hat sich bisher keine der drei Bahngewerkschaften explizit gegen das neue »Holdingmodell light« des SPD-Vorstandes geäußert.
Grüne und DIE LINKE lehnen Becks Vorschlag ab. »Parteichef Beck will offensichtlich eine Privatisierung der Bahn um jeden Preis«, erklärten die Grünen-Politiker Fritz Kuhn und Winfried Hermann am Montag. Es sei bezeichnend, »dass der SPD-Vorschlag exakt dem entspricht«, was die FDP zwei Tage zuvor angeregt habe.
»Das war ein erneuter Putsch der SPD-Führung gegen die eigene Basis«, sagte Ulrich Maurer, parlamentarische Geschäftsführer der LINKE-Bundestagsfraktion. Der Vorschlag sei »nichts weiter als der Einstieg in den totalen Bahn-Ausverkauf«. DIE LINKE sei »gegen jede Art der Bahnprivatisierung« und fordere, dass die Bahn in öffentlicher Hand bleibe.
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