Der thailändische Wissenschaftler und Dissident Giles Ji Ungpakorn über die Niederschlagung der thailändischen Demokratiebewegung
Thailands Armee und das Regime des rechten Ministerpräsidenten Abhisit Vejjavija sind verantwortlich für ein Blutbad auf den Straßen der Hauptstadt Bangkok. Soldaten sind gegen die Demonstranten vorgerückt, die seit fast zwei Monaten in der Stadt protestieren. Die Bewegung der »Rothemden«, wie sie sich wegen ihrer Kleidung nennen, fordert die Rückkehr zur Demokratie, den Rücktritt der Regierung und Neuwahlen. Die jetzige Regierung wurde im Jahr 2008 mit Unterstützung des Militärs gebildet. Das Militär hat das Gebiet umzingelt, in dem sich die Demonstranten verschanzt haben. Die Polizei hat Scharfschützen rund um ihr Lager postiert, mehrere Menschen wurden bereits erschossen. Aber die Drohungen der Regierung haben die Protestbewegung bisher nicht zum Schweigen bringen können. Am Wochenende lehnte die Regierung ein weiteres Angebot der Rothemden ab, Verhandlungen unter Vermittlung der Vereinten Nationen zu führen. Stattdessen weitete sie den Ausnahmezustand auf jetzt insgesamt 22 Provinzen und Bangkok aus.
Thailands Regierung und die Armee versuchen, den Protestierenden die Verantwortung für den Gewaltausbruch in die Schuhe zu schieben, und die westlichen Medien ergehen sich in wilden Geschichten über geheimnisvolle »Männer in Schwarz«, die angeblich die Zusammenstöße organisieren. Für diese Presseberichte gibt es keine Beweise, während das mörderische Vorgehen der Armee offensichtlich ist.Der thailändische Wissenschaftler und Dissident Giles Ji Ungpakorn wurde des »Verbrechens« der Majestätsbeleidigung angeklagt, also nicht loyal gegenüber Thailands Staatsoberhaupt König Bhumibol zu sein. Angesichts einer möglichen Gefängnisstrafe von 15 Jahren floh er vor einem Jahr aus dem Land. Hier sind Auszüge aus Ungpakorns aktuellem Blogeintrag:
»Die Rothemden tragen einen Mann weg, der verletzt wurde, als das Feuer eröffnet wurde. Nach nicht bestätigten Berichten vom Samstag, 15. Mai, haben Abhisits Soldaten mindestens 50 Menschen erschossen. Später gab das staatliche Unfallkrankenhaus Erawan Emergency Center die Namen von 22 Toten bekannt. Zudem sind Hunderte verletzt. Ein Sprecher des Zentrums sagt, dass die Zahl der Toten tatsächlich weit höher liege, im Moment aber nicht bekannt gegeben werden könne. Ein Sprecher des Notdienstes Por Tek Tung sagt, dass es im Gebiet von Rajpraropa mindestens 14 Leichen gibt, die nicht geborgen werden können, weil die Armee auf die Einsatzkräfte schießt und einer ihrer Leute schon getötet wurde. Damit läge die offizielle Zahl der Todesopfer bei 36. Die Regierung sagt, es gebe 500 »Terroristen« auf der Seite der Protestierenden. Davor hatte sie erklärt, sie werde Scharfschützen einsetzen, um die »Terroristen« zu erschießen.
Doch die wahren Terroristen sitzen in der Regierung, der Armee und im Palast. Die Regierung Abhisit wurde nie gewählt. Sie ist nur an der Macht, weil sie von der Armee gestützt wird. Deshalb fordern die Rothemden demokratische Wahlen, was absolut legitim ist. Die Rothemden waren unbewaffnet und friedlich. Es ist die Armee, die Bangkok in eine Kriegszone verwandelt hat. Die Tyrannen sagen, dass die Rothemden die Monarchie stürzen wollen und es deshalb gerechtfertigt sei, sie zu töten. Eine Monarchie zu haben, ist also eine Entschuldigung, jeden umzubringen, der für Demokratie und soziale Gerechtigkeit kämpft. Verschiedenen Regierungssprecher, darunter auch Abhisits korrupter Wissenschaftler Panitan Wattanayagorn und der »Zensurchef« Satit Wongnongtuay verbreiten weiterhin Lügen. Sie behaupten, dass die Soldaten nur zur Selbstverteidigung schießen würden. Aber all die Auch ein 10 Jahre alte Junge, ein Sanitäter und ein ausländischer Reporter wurden getötet. Scharfschützen der Armee verschanzen sich in Gebäuden, keiner von ihnen ist gefährdet und keiner wird auf irgendeine Weise von den Protestierenden bedroht. Und doch sitzen sie in ihrem Versteck und erschießen gezielt unbewaffnete Zivilisten auf den Straßen. Sogenannte Menschenrechtsgruppen rufen »beide Seiten« auf, die Gewalt zu beenden. Aber es gibt nur eine Seite, die tödliche Gewalt gegen unbewaffnete Demokratieanhänger ausübt. Selbst die Organisation Reporter ohne Grenzen fordert, dass »beide Seiten« die Sicherheit der Berichterstatter garantieren sollen. Wie können die Rothemden die Sicherheit von vom auch immer garantieren, wenn sie kaltblütig umgebracht werden?
In vielen »Berichten« heißt es, dass die Truppen auf Aufständische schießen. Niemand ist aufständisch, außer der Armee. Andere sprechen von Protesten, die in »Gewalt ausgeartet« sind. Es sind nicht die Protestierenden, die gewalttätig sind. Unbewaffnete Demokratieanhänger werden systematisch ermordet, um Abhisit und seine von der Armee gestützte Regierung an der Macht zu halten. Der König schweigt, wie üblich. Sein einziger Job – abgesehen davon, seinen Reichtum zu zählen – besteht darin, jede blutige Tat der Armee zu legitimieren. Dazu schreiben die sogenannten Analysten, dass er »das Land zusammenhält«. Tatsache ist, dass er bis jetzt noch jede Niederschlagung der Demokraite unterstützt hat. Er ist schwach und hat kein Rückgrat. Deshalb sind Millionen Rothemden zu Republikanern geworden. Die Vereinten Nationen habe soeben Thailand zum Mitglied des Menschenrechtsrats erklärt. Was für ein Witz! Aber was können wir von einer Einrichtung erwarten, die von Kriegstreibern kontrolliert wird. Rothemden im ganzen Land bleiben standhaft in ihrem blutigen Kampf für Demokratie, soziale Gerechtigkeit und Würde. Ich ziehe den Hut vor ihnen!«
Über den Autor:
Giles Ji Ungpakorn ist Sozialist und hat für marx21 über die Lage im Land berichtet. Bis Februar dieses Jahres war er außerordentlicher Professor für Politik an der Chulalongkorn-Universität in Bangkok. Nach einer Anklage wegen Majestätsbeleidigung musste er aus Thailand flüchten und lebt derzeit in Großbritannien. Mehr Informationen auf Englisch und Thailändisch unter http://www.pcpthai.org // http://redsiam.wordpress.com // http://wdpress.blog.co.uk/
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