Die Streichung zehntausender Stellen und die Unterfinanzierung der Krankenhäuser verschlechtern zunehmend die Versorgung der Patienten.
Vor einem Pflegenotstand haben am Freitag in Berlin die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und die Ärztevereinigung Marburger Bund gewarnt. Beide Organisationen kritisieren den drastischen Personalabbau.
In den letzten 10 Jahren seien allein in der Pflege rund 50.000 Arbeitsplätze abgebaut worden, obwohl die Zahl der Behandlungsfälle um 600.000 angestiegen sei, teilte ver.di mit.
Am Donnerstag hatte bereits der Deutsche Pflegerat (DPR) Alarm geschlagen: Es drohe eine »Versorgungskrise«. Die durch die Politik verordnete »Ökonomisierung und Rationalisierung« des Gesundheitssystems »schlägt voll durch«, sagte DPR-Präsidentin Marie-Luise Müller. Es sei bereits »fünf nach zwölf«. Der DPR vertritt 12 Pflege- und Berufsverbände.
Ver.di, Marburger Bund und DPR fordern mehr Geld für die Krankenhäuser. Der Vorsitzende des Marburger Bundes, Rudolf Henke, erklärte, dass weder »Preissteigerungen bei Energie oder Lebensmitteln noch Inflation und die Mehrwertsteuererhöhung« in den staatlich reglementierten Preisen für Krankenhausleistungen berücksichtigt seien.
Sparen auf dem Rücken von Patienten und Personal
Die Konsequenz, so Henke, »sind lange Wartezeiten für Patienten und eine zunehmende Arbeitsverdichtung für Ärzte und Pflegekräfte, die nicht zuletzt gravierende Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz zur Folge hat.«
ver.di wies darüber hinaus darauf hin, dass die Bundesländer ihrer Pflicht zur Zahlung der Investitionskosten für Krankenhäuser nicht ausreichend erfüllen würden. Deswegen müssten Kliniken zunehmend Mittel für Investitionen abzweigen, die eigentlich für die Krankenversorgung gedacht seinen. Diese fehlenden Gelder würden weiteren Personalabbau zur Folge haben.
Gemeinsam mit dem »Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe« hat ver.di Ende 2007 eine Unterschriftensammlung gestartet, um auf die »unerträglichen Arbeitsbedingungen in der Pflege« und den Personalabbau aufmerksam zu machen.
Weitere Verschlechterung ab 2009
Mit der vollständigen Umstellung auf ein anderes Finanzierungssystem Anfang 2009 droht sich die Lage der Kliniken weiter zu verschlechtern. Bereits seit vier Jahren wird dieses Fallpauschalensystem (DRG) schrittweise eingeführt. DRG hat sich als ein Brandbeschleuniger der Privatisierungswelle im Gesundheitswesen erwiesen und ist ein Hebel, um Gesundheit zur Ware zu machen.
Gerechtfertigt wird solche Politik von der derzeitigen Bundesregierung mit angeblich steigenden Kosten der Gesundheitsversorgung und einer »Überalterung« der Gesellschaft. Doch tatsächlich ist der Anteil der Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen am Bruttoinlandsprodukt, also an der gesamten wirtschaftlichen Leistung, konstant. Es existiert keine »Kostenexplosion«.
Eine wachsende Anzahl von Rentnern könnte ebenfalls ohne Probleme versorgt werden, weil die Produktivität gestiegen ist. In anderen Worten: Mit der Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers können mehr nicht arbeitende Personen versorgt werden als früher – ohne das ein Arbeitnehmer verzichten müsste.
Die Ursache für die Steigerung der Kassenbeiträge ist auf der Einnahmeseite der Krankenversicherungen zu suchen. Die seit knapp drei Jahrzehnten andauernde Massenarbeitslosigkeit, Leistungskürzungen bei der Arbeitslosenversicherung, eine fehlende Bürgerversicherung, sinkende Reallöhne und die Vernichtung von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung durch eine politisch gewollte Ausweitung des Niedriglohnsektors haben dazu geführt, dass den gesetzlichen Krankenversicherungen Geld fehlt.
Protest für menschenwürdige Pflege
Ver.di-Vorstandmitglied Ellen Paschke kündigte an, dass es außer bundesweiten Mahnwachen und Informationsveranstaltungen im Herbst eine große Demonstration in Berlin geben solle.
Für den 17. Mai haben Betriebs-, Personalräte und Mitarbeitervertretungen aus Köln, Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis zu einer Demonstration »für menschenwürdige Pflege« in Köln aufgerufen.
(Frank Eßers)
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