Nach zwei turbulenten Wochen scheint der Shutdown-Showdown in den USA ein Ende zu finden. Kurz vor dem Staatsbankrott haben sich Demokraten und Republikaner im Haushaltsstreit doch noch einigen können. Das Ergebnis ist, dass sich Obama trotz Kürzungspolitik als progressiv verkaufen kann.
Nach zwei turbulenten Wochen scheint der Shutdown-Showdown ein Ende zu finden. Kurz vor dem Staatsbankrott haben sich Demokraten und Republikaner im US-Haushaltsstreit doch noch einigen können. Das Ergebnis ist, dass Obama eine Kürzungspolitik à la Reagan macht und es zugleich schafft, sich als progressiv zu verkaufen.
Obwohl die Details noch nicht bekannt sind, ist schon jetzt klar, dass die Angriffe der Republikaner auf Obamas Gesundheitsreform aufhören. Im Gegenzug stimmen die Demokraten noch größeren Kürzungen zu, um einen »Kompromiss« zwischen den Parteien zu finden. Die Demokraten sind mittlerweile bereit, über 200 Milliarden Dollar weniger für Soziales auszugeben als sie am Anfang des Jahres noch wollten. Ein Staatsbankrott ist zwar noch nicht auszuschließen, doch sehr, sehr unwahrscheinlich.
Die US-amerikanische Medien betrachten den Ausgang des Konflikts als ein Sieg für Obama und die gesellschaftliche Linke. Die Demokraten unter seiner Führung haben sich von den Republikanern nicht unterkriegen lassen, ihre Gesundheitsreform durchgesetzt und das Land wieder zu Vernunft gebracht. Der Konflikt wird in den US-Medien als ein Kampf zwischen Linken und Rechten dargestellt, bei dem es um die Seele des Landes geht.
Obama macht Politik à la Reagan
Dabei wird allerdings der eigentliche Ausgang ignoriert. Denn obwohl Obama seine Reform verteidigt hat, benutzt er den Konflikt, um sein eigenes Kürzungsprogramm zu verschleiern: Seine Kürzungen sind dann nur »Zugeständnisse« an die Republikaner und damit das Beste, was Obama heraushandeln konnte. Dahinter steht jedoch eine seit zehn Jahren andauernde drastische Verschiebung der politischen Mitte nach rechts. Wie Obama einst selber sagte, ähnelt sein politisches Programm dem der moderaten Republikaner vor 30 Jahren. Sprich, Obama macht Politik à la Reagan, schafft es aber, sich als progressiv zu verkaufen.
Dennoch ist das Verhalten der Republikaner für viele einfach unverständlich. Mehrere ihrer Aussagen grenzen ans Fanatische und ihre Programmvorschläge sind oft schlecht durchdacht. Dies war bei ihnen zwar immer der Fall, aber seit der Wahl Obamas erreicht ihr verzweifeltes Geschrei neue Höhen der Sinnlosigkeit. Viele ziehen deshalb den Schluss, dass die US-amerikanische Rechte einfach verrückt geworden ist. Obwohl einige wenige Tea Party-Anhänger wahrscheinlich wirklich in Richtung Nervenklink abdriften, steckt hinter dem Chaos System. Weil Obama so viele Seiten aus dem republikanischen Programm klaut, müssen die Republikaner immer neue Methoden finden, sich im politischen Diskurs zu differenzieren.
»Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen«
Die Republikaner greifen Obamas Gesundheitsreform an, weil sie Obama in fast allen anderen Punkten zustimmen – wie sollen sie sonst relevant bleiben? Das Theater in der Hauptstadt wird von den meisten als eine politische Polarisierung wahrgenommen. Aber real sind sich die zwei Parteien einig, dass die Arbeiterklasse die Kosten für die Wirtschaftskrise in Form von höheren Steuern und Studiengebühren und weniger Sozialstaat zahlen muss. Die Frage ist daher nur, wie viel sie zahlen müssen.
Beispielhaft dafür ist der Streit um das sogenannte »Farm Bill«: Traditionell werden Agrarsubventionen und Essensmarken im selben Gesetz verabschiedet. Die Republikaner kriegen Steuergelder für Agrarkonzerne und stimmen im Gegenzug der Finanzierung von Essensmarken für Geringverdiener zu. Doch dieses Jahr wurde der Kompromiss von den Republikanern gekündigt: Im Moment versuchen sie 40 Milliarden US-Dollar aus dem Topf zu kürzen, Essensmarken mit Arbeitsverpflichtungen zu verknüpfen und den Erhalt davon auf drei Monate pro drei Jahre zu begrenzen. Stephen Fincher, ein Republikaner aus Tennessee (einer der ärmsten Bundesstaaten, in dem 19 Prozent der Bevölkerung auf Essensmarken angewiesen ist) verteidigte die Kürzung mit einem Bibel-Zitat: »Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.« Die Demokraten sagen, dass sie die vorgeschlagenen Kürzungen bekämpfen werden, doch die Milliarden für die Agrarindustrie stellen keine der beiden Parteien in Frage.
Die Demokraten drängen die Republikaner nach rechts
Der bisherige »Kompromiss«-Vorschlag seitens Obama und seiner Partei beinhaltet Kürzungen der Sozialausgaben bis zu 18 Prozent des bisherigen Haushalts. Solche Kürzungen betreffen vor allem die Schwächsten der Gesellschaft: Alleinerziehende Mütter, Arbeitslose und Schwarze.
Auch seine Gesundheitsreform, das Prunkstück von Obamas Amtszeit, stellt sich als deutlich schlechter als erhofft heraus. Denn die Reform beinhaltet keinerlei Preiskontrollen. Obwohl Millionen US-Amerikaner durch die Reform versichert werden (was immerhin ein Fortschritt ist), werden ohne die Preiskontrollen in den nächsten zehn Jahren über eine Billionen Dollar Steuergelder in die Versicherungsindustrie transferiert. Diverse Einschränkungen, Gesetzeslücken und Selbstbeteiligungspflichten garantieren, dass eine Versicherung nach wie vor hunderte oder sogar tausende Dollar im Monat kosten wird.
Auch die Online-Märkte, die die Reform geschaffen hat, um so durch Marktwettbewerb die Kosten zu senken, funktionieren nicht wie gedacht. Neben technischen Fehlern weigern sich auch viele Firmen und Bundesstaaten, an ihnen teilzunehmen. Es bleibt unklar, wie viele Bürger von der Reform ausgeschlossen werden. Experten schätzen aber, dass auch nach der Umsetzung ca. 30 Millionen Amerikaner – vor allem Geringverdiener – nicht versichert sein werden.
Diese Runde haben die Demokraten überstanden und laut Umfragen profitieren sie auch politisch davon. 74 Prozent der amerikanischen Bevölkerung beurteilen den Umgang der Republikaner als falsch. Obama und die Demokraten rutschen immer weiter nach rechts – in der Bildungs- und Einwanderungspolitik stehen sie mittlerweile deutlich rechts von der damaligen Bush-Regierung. Damit drängen sie die Republikaner immer weiter in die rechte Ecke. Diese Eigendynamik der US-Politik bedeutet nicht nur weitere Angriffe auf die amerikanische Arbeiterklasse, sondern könnte – wie die Börsennachrichten der letzten Wochen gezeigt haben – irgendwann auch zu einem Problem für die gesamte Welt werden.
Loren Balhorn ist US-Amerikaner, studiert an der Freien Universität Berlin Nordamerikastudien und ist aktiv bei Die Linke.SDS.