Die EU erhält den Friedensnobelpreis. So paradox ist die Auszeichnung von Kriegstreibern gar nicht, findet Arno Klönne
Viel dankbaren Beifall hat das norwegische Friedensnobelpreis-Komitee gefunden, für seine Entscheidung, diesmal die Europäische Union zu ehren.In der Bundesrepublik zeigten sich die beiden konkurrierenden Volksparteien hochzufrieden: In ihrer Erzählung von Europa seien sie nun bestätigt.
Im Grunde gelte die Nobelitierung dem Werk des deutschen Kanzlers Helmut Kohl, meinen die CDU-Politiker; der eigentliche Adressat des Preises sei, so hört man es aus der SPD, der gegenwärtige Präsident des Europäischen Parlaments, der Sozialdemokrat Martin Schulz.
Verwunderung über EU-Würdigung
Allerdings kam auch Verwunderung auf: Wieso die glanzbringende Würdigung der Europäischen Union durch ein Land, das sich geweigert hat, eben diesem Staatenbündnis beizutreten? Da machte sich ein Informationsdefizit bemerkbar; Nichtnorweger wissen zumeist, wenn nicht gerade ein Vielfachmord dort geschehen ist, nur wenig über Norwegen, und zu Klagen darüber, dass man ihm schon wieder aus der Schuldenmisere helfen müsse, gibt dieses Land keinen Anlass.
Klarzustellen ist also: Nicht der norwegische Staat, sondern ein in seinen Optionen freies Gremium von einigen politisch Prominenten sucht aus, welche Person oder Organisation den Friedensnobelpreis bekommen soll.
Friedenspreis für Kriegführende
Vorsitzender dieses Komitees ist der sozialdemokratische Politiker und Ex-Ministerpräsident Thorbjörn Jagland, derzeit auch Generalsekretär des Europarates. Er wird das Bedürfnis verspürt haben, der Mehrheit seiner Landsleute einen nachträglichen Tadel zu erteilen; er selbst hatte nämlich für den Beitritt zur EU plädiert.
Und Jagland ist robust, schon den Beschluss, einen gerade Krieg führenden Präsidenten der USA zum Friedensnobelpreisträger zu erklären, konnte er gegen Bedenken anderer Mitglieder des Komitees durchsetzen.So auch jetzt; günstigerweise war die EU-kritische linke Politikerin, die dem Komitee angehört, bei der entscheidenden Sitzung verhindert.
Aufrüstung und Waffenexport
Alfred Nobel, als er den Preis testamentarisch stiftete, wollte Friedensverfechter damit auszeichnen. Da gibt es nun etwas Erklärungsbedarf: Die EU hat doch im Lissabonvertrag ausdrücklich ihre Mitgliedsstaaten darauf verpflichtet, Aufrüstung zu betreiben. Ohne die EU wäre die NATO als Militärbündnis gar nicht aktionsfähig.
Und der EU-Wirtschaftsraum steht beim weltweiten Waffenexport im obersten Rang. Hieß es nicht »Die Waffen nieder!« – bei Bertha von Suttner, die seinerzeit den großen Unternehmer und Sprengstoffproduzenten Alfred Nobel dazu brachte, sich über die Folgen militärischer Geschäftigkeit Sorgen zu machen und einen Preis auch für die Ehrung von Gegnern der Kriegspolitik vorzusehen?
Vor dem Frieden kommt der Krieg
Darauf lässt sich eine im Sinne von Hagland und derjenigen, die in den EU-Staaten regieren, bewährte Antwort geben: »Si vis pacem, para bellum« sagten schon die alten Römer. Bevor es Frieden geben kann, wo auch immer, muss es logischerweise ja erst Krieg geben, und der bedarf einer Vorbereitung, beim eigenen Arsenal und mit der Lieferung in andere Länder.
Wer da passiv bleibt, ist der Dumme. »Parabellum« – so benannte man einst eine heute noch gebräuchliche Sorte von Schusswaffen, an die lateinische Spruchweisheit anknüpfend. Das »Si vis pacem« wurde hierbei weggelassen, sicher nur der Kürze wegen.
Zuletzt in Klönnes Klassenbuch:
- Renten und Renditen: Mit seinem Rentenplan ist Sigmar Gabriel auf innerparteiliche Kritiker gestoßen. Nun wird nachgebessert, aber die Grundrichtung bleibt: Materielle Sicherung im Alter soll schrittweise privatisiert werden. Die SPD will sich wahlwerbend als Kümmererpartei präsentieren, regierend wird sie kapitalkompatibel tätig werden – meint Arno Klönne
- Scheingefechte um Spitzenämter: Im jetzt bereits angelaufenen Parteienwettbewerb für die Bundestagswahl 2013 wird die öffentliche Aufmerksamkeit auf zwei Fragen ausgerichtet: Wer wird von den einzelnen Parteien als Spitzenkandidat aufgestellt und welche Partei erhält von welcher anderen das Prädikat, für eine Regierungskoalition akzeptabel zu sein. In beiden Fällen handelt es sich um Täuschungsmanöver, meint Arno Klönne
- Leichter Töten mit Bundeswehr-Drohnen: Die Bundeswehr bereitet sich auf den Gebrauch von Kampfdrohnen vor – eine folgenschwere Neuerung in der Militärpolitik, meint Arno Klönne