Der französische Staat führt in Westafrika seine militärischen Fähigkeiten vor. Deutsche Politiker versprechen volle politische Unterstützung. Auf dreiste Weise wird im Fall Mali über die geopolitischen Realitäten hinweggetäuscht, meint Arno Klönne
Bombenflugzeuge und Bodentruppen – die »Große Nation« schlägt zu in »Französisch-Afrika«, ihrem ehemaligen Kolonialgebiet. Der regierungsoffiziellen Aussage nach: Um Menschenrechte und Demokratie in Mali vor Gotteskriegern zu retten und vor allem, um nicht nur Frankreich, sondern gleich ganz Europa vor einem Ansturm der Terroristen zu schützen.
Mali, sagt bestätigend der deutsche Außenminister Guido Westerwelle, liege ja vor der Haustür der Europäer. »Konsequent und richtig« nennt der deutsche Verteidigungsminister die »Operation Serval«. Der Name klingt hierzulande vertraut, denn »Serval« heißt auch das Kampffahrzeug, mit dem die Rüstungsfirma Rheinmetall seine Kunden ausstattet.
Anteilnahme sicherte Thomas de Maizière »den Opfern unserer französischen Kameraden« zu ( im FAZ-Interview). Er meint damit Opfer unter den Soldaten Frankreichs, nicht etwa Opfer des Einsatzes derselben, denn die sind ja Gotteskrieger.
Trittin besonders forsch
Noch nicht geklärt ist, wie nun die deutsche Teilnahme an diesem Feldzug im einzelnen ausgestaltet wird. Je nach Kriegsverlauf wird dafür auch der Bundestag noch heranzuziehen sein. Besonders forsch gibt sich Jürgen Trittin, der Spitzenmann der grünen Partei, er hat keinen Zweifel an der Förderungswürdigkeit des französischen Militärunternehmens, und Entschlossenheit macht sich gut, wenn einer Vizekanzler werden will.
Fast ausnahmslos wird die Intervention in Mali hierzulande als ein erfreulicher Akt politischer Uneigennützigkeit dargestellt. Verdeckt werden von Politikern wie (ganz überwiegend) von den Medien jene Tatbestände, die den Konflikt in seinen realen Herkünften und Antrieben erkennbar machen.
Koloniale Geschichte
Mali ist in seinen gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen ein Resultat kolonialer Geschichte und anhaltender postkolonialer Ausbeutung. Die Bevölkerungsmehrheit dort lebt in extremer Verarmung, aber das Land ist eine Goldgrube für externe Geschäftsbetreiber. Nicht nur als drittgrößter Lieferant in Afrika für das Edelmetall selbst, auch als begehrtes Fundterrain für Bodenschätze wie Uran, Phosphate, Kupfer, Bauxit, Erdöl und Erdgas.
Die Konkurrenz der Konzerne um diese Ressourcen ist heftig. Selbstverständlich bedarf sie politisch-militärischer Begleitung, und verhindert werden soll jede Entwicklung, die langfristig so etwas wie ökonomische Souveränität für westafrikanische Gesellschaften bedeuten könnte.
Wirtschaftliche Interessen
Die Gotteskrieger wiederum, die angeblich ganz Europa in Gefahr bringen, sind Geschöpfe machttaktischer Geopolitik westlichen Formates, freilich leicht aus der Kontrolle geratend, fallweise unterstützt von muslimischen Feudalherren, die als Partner der NATO gelten.
Eine verwirrende Gemengelage von wirtschaftlichen Herrschaftsinteressen, Schachzügen im Kampf um politischen Geländegewinn, Eigenmächtigkeiten einzelner Warlords und Verselbständigung religiös sich gebender Ideologien. Eindeutig ist nur: Bei alledem werden die massenhaften Kollateralschäden in Kauf genommen, Hunger und Tod treffen ja nicht die Firmenzentralen und die politisch-militärischen Führungsstäbe fernab von Mali und dessen Nachbarländern.
Kriegsgewinnler Hollande
Als Kriegsgewinnler kann sich schon jetzt der französische Präsident Francois Hollande fühlen. Vor seiner Wahl, ist in der FAZ zu lesen, habe er sich »bei Linkssympathisanten mit antimilitaristischen Tönen eingeschmeichelt«, nun aber in einen »entschlossenen Kriegsherrn verwandelt«. Das werde ihm Respekt verschaffen, bei innenpolitischen Gegnern, und Frankreich stehe nun wieder im Glanz seiner militärischen Tradition da, die Intervention im afrikanischen Hinterhof zahle sich aus.
Und wenn solcherart Weltpolitik in den Hinterhöfen Kleingewerbetreibende in Gewalt hervorbringt, Terroristen genannt, wird immer nur eine Ursache genannt: Am Koran liegt es.
Mehr im Internet:
- Christine Buchholz: Keine Beteiligung am Krieg in Mali
Zuletzt in Klönnes Klassenbuch:
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