Die NPD versucht, sich ein sauberes Image zu geben. Dieses zu zerstören und Hilfe im Kampf gegen die Nazipartei zu leisten, haben sich die Autoren von drei neuen Bücher vorgenommen. Jan Maas hat sie gelesen.
Im vergangenen Jahr wollte die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) den großen Durchbruch schaffen. Die derzeit führende deutsche Nazipartei plante, ihre bestehenden Landtagsfraktionen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern um eine dritte in Thüringen zu ergänzen und mit einer vierten im Saarland erstmals seit Langem wieder in ein westdeutsches Landesparlament einzuziehen. Dieses Szenario war der Anlass für das Erscheinen einer Reihe neuer Bücher, die den aktuellen Stand der Nazibewegung beschreiben und Gegenstrategien entwerfen.
Das »Buch gegen Nazis«, herausgegeben von Holger Kulick und Toralf Staud, ist ein gemeinsames Projekt der Wochenzeitung Die Zeit und der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB). Es schließt an das Internetportal Netz-Gegen-Nazis.de an, das Die Zeit 2008 gemeinsam mit der Amadeu-Antonio-Stiftung ins Leben rief. Das Portal soll »möglichst viele Menschen zu Aktivitäten gegen Rechtsextremismus ermutigen«. Texte dieses Projektes werden nun zusammen mit Beiträgen der BPB in dem Buch veröffentlicht. Es trägt den Untertitel »Rechtsextremismus – was man wissen muss und wie man sich wehren kann«.
Ähnlich gelagert ist das Werk »Angriff von Rechts. Die Strategien der Neonazis – und was man dagegen tun kann« von Patrick Gensing. Der Autor betreibt seit 2005 die Internetseite www.npd-blog.info, welche die Nazibewegung in Deutschland und Europa beobachtet. Gensing will über Nazistrategien aufklären: »Sie treten nach außen bieder auf, doch Menschen, die nicht in ihr eng abgestecktes Weltbild passen, überziehen sie mit Drohungen.«
Auch im dritten 2009 erschienenen Anti-Nazi-Buch stehen die Nationaldemokraten im Zentrum: »In der NPD« verfolgt allerdings weniger den Anspruch der beiden erstgenannten Bücher, wirksame Gegenstrategien zu entwerfen. Den Autoren Christoph Ruf und Olaf Sundermeyer geht es vor allem darum, die NPD als knallharte Nazipartei zu zeigen, denn die Partei versucht, sich in der Öffentlichkeit als gemäßigt darzustellen.
Den anvisierten großen Durchbruch hat die NPD 2009 zwar nicht geschafft, aber die Gefahr, die von ihr ausgeht, besteht weiterhin. In Sachsen ist der Partei erstmals der Wiedereinzug in einen Landtag gelungen. Auch wenn sie Verluste hinnehmen musste, zeigt sich, dass sie in diesem Bundesland eine feste Wählerschaft aufgebaut hat.
Bei den verschiedenen Kommunalwahlen 2009 gewann die NPD über 100 Sitze hinzu. Sie verfügt nun über mehr als 300 Mandate, verteilt auf 14 von 16 Bundesländern. Ein Schwerpunkt liegt in Sachsen, wo die Partei 118 Abgeordnete stellt.
Auch der Terror auf der Straße nimmt zu. Nach dem erfolgreichen Aufmarsch in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden im Februar 2009 überfielen Teilnehmer der Nazidemonstration einen Bus mit Gewerkschaftern, die von der Gegendemonstration kamen. Auch wenn Sachsen offensichtlich eine herausragende Rolle für den Aufbau der Nazis spielt, ist ihr Terror nicht auf den Osten beschränkt. 2008 überfielen Nazischläger ein Sommercamp der linksjugend [’solid] im hessischen Schwalm-Eder-Kreis und verletzten ein Mädchen schwer. Am 1. Mai 2009 griffen hunderte Nazis die Gewerkschaftsdemonstration in Dortmund an.
Angesichts dieser Tatsachen ist eine Diskussion über die Gründe, warum die Nazis aufbauen und an Selbstbewusstsein gewinnen, absolut angesagt – ebenso über wirksame Gegenstrategien. Das »Buch gegen Nazis« kommt in seiner Form diesem Anspruch am nächsten. Es ist im Frage-und-Antwort-Stil wie ein praktisches Handbuch aufgebaut. Grundsätzliche Fragen wie »Was will die NPD eigentlich?« und »War unter Adolf alles schlecht?« werden von einem breiten Spektrum an Autoren kurz und prägnant beantwortet. Auf die Frage »Soll man mit der Antifa zusammenarbeiten?« antwortet überraschenderweise ausgerechnet der Generalstaatsanwalt von Brandenburg mit »Ja.« Kontroverse Themen wie die Frage nach einem Verbot der NPD werden mit einem Pro-und einem Contra-Beitrag beantwortet.
Viel Platz nimmt der Abschnitt »Handeln« ein. Dort geben Aktivisten hilfreiche Antworten auf die Fragen »Wie organisiere ich ein Konzert gegen Rechtsextremismus?« und »Woher bekommt man Geld?«. Im Beitrag »Sind Sitzblockaden eigentlich strafbar?« argumentiert der Jenaer Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD), dass es einen Ermessensspielraum für die Polizei gibt: »Wenn zum Ausdruck kommt, dass die Blockade eine friedliche Willensbekundung sogar von vielen Bürgern ist, dann wird ein kluger Einsatzleiter anerkennen, dass hier Bürgerwille zum Ausdruck kommt.« Im Anschluss erklärt Schröter, wie in Jena die Blockade eines Nazifestes mit so breiter Beteiligung organisiert wurde, dass die Polizei sich entschloss, die Blockade zu dulden.
In seiner Antwort auf die Frage »Wieso bringen die vielen Projekte so wenig?« bringt der Fachbereichsleiter »Extremismus« der BPB Ulrich Dovermann das Wachstum der Nazis mit der weit verbreiteten Perspektivlosigkeit unter Jugendlichen und Arbeitslosen zusammen: »Wo Menschen permanent zwischen Krisen und Katastrophen hin- und hergeschleudert werden – real oder medial -, da liegt irgendwann die Entscheidung zwischen Resignation und Notwehr nahe. Rechtsextremisten sind nicht nur aus sich selbst heraus zu verstehen. Sie wachsen in sozialen Räumen und Bezügen auf und meist unter Bedingungen manifester Gewalt, die sie prägen und denen sie gegenüber (Über-)Lebensstrategien entwickeln.«
Das ist zwar verquastes Soziologendeutsch, meint aber im Grunde nichts anderes, als dass der Kapitalismus Bedingungen schafft, unter denen Nazis gut aufbauen können. Leider bleiben die Schlussfolgerungen ähnlich abstrakt: »Solange sich alles Handeln auf eine Änderung der Menschen richtet, die Räume aber so bleiben, wie sie sind, wird sich im Ergebnis wenig ändern.« Sprich: Solange Kapitalismus Not schafft und Konkurrenz schürt, werden Nazis weiter Zulauf erhalten. Die Konsequenz daraus kann eigentlich nur sein, neben den Nazis auch den Kapitalismus zu bekämpfen. Aber das zu schreiben, wäre für ein Buch der staatlichen BPB dann wohl doch zu viel verlangt.
Die staatstragende Haltung der BPB zeigt sich auch im ständigen Gebrauch des Wortes »Rechtsextremismus«, wenn es eigentlich um Nazis geht. Hintergrund ist der Versuch, linke und rechte Bewegungen gleichermaßen zur Gefahr für »die Demokratie« zu erklären. Der parlamentarischen Demokratie stehen angeblich »Extremisten« gegenüber, die einen auf der linken und die anderen auf der rechten Seite. Dabei wird unterschlagen, dass es linken Bewegungen um die Ausweitung der Demokratie, beispielsweise in den Betrieben, geht, während die Nazis für die Abschaffung jeglicher Demokratie kämpfen. Der Extremismus-Begriff liefert keinerlei analytische Klarheit, sondern dient als Kampfbegriff, um linke Bewegungen zu diskreditieren.
Dennoch ist das »Buch gegen Nazis« für eine Veröffentlichung, die unter Mitwirkung der BPB entstanden ist, erstaunlich brauchbar.
Den Nährboden, auf dem die NPD gedeihen kann, zeigt Patrick Gensing in »Angriff von Rechts« deutlicher auf: »Die Kritik am Kapitalismus verbietet sich offenbar nach dem Zusammenbruch der DDR von selbst. Dies öffnet der NPD eine Flanke, da sie zunehmend auf ihren völkischen Antikapitalismus setzt. Dabei wäre es im Zuge der Finanzkrise und der ungerechten Verteilung der Reichtümer weltweit durchaus geboten, über Alternativen oder zumindest eine Weiterentwicklung der bestehenden Wirtschafts- und Finanzordnung nachzudenken.«
Gensing verdeutlicht außerdem, wie die Mainstream-Medien und rechte Politiker indirekt das Wachstum der Nazis unterstützen: »Kampagnen gegen ›kriminelle Ausländer‹ – wie die von ›Bild-Zeitung‹ und Roland Koch im hessischen Wahlkampf 2007/2008 – spalten die Gesellschaft und ermutigen Rechtsextremisten, ihre völkische Ideologie offensiver zu verbreiten.« Darüber hinaus zeigt Gensing dankenswerter Weise, wen die rassistischen Kampagnen von CDU bis NPD im Moment vor allem treffen: »Das fehlende Selbstverständnis der Bundesrepublik als Einwanderungsland greifen die Neonazis durch Kampagnen gegen Moscheen auf.« Die Tatsache, dass Rassismus sich heute vor allem gegen Muslime richtet, ist ansonsten in den hier vorgestellten Büchern reichlich unterbelichtet.
Viel Platz verwendet der Autor für die Auseinandersetzung mit Theorie und Praxis der Naziorganisationen heute. Zu den interessantesten Teilen gehört das Kapitel über den »Rechtsextremismus als soziale Bewegung«. Hier wird deutlich, wie es den Nazis gelingt, mit einem breit angelegten Netzwerk ein Umfeld zu sammeln und an sich zu binden. Um die Nazistrukturen heute zu verstehen, so argumentiert Gensing, sei es wichtig, sich von dem Bild einer isolierten rechten »Szene« zu lösen. »Rechtsextremisten bemühen sich um Anschluss an die Mitte der Gesellschaft, agieren bundesweit – sogar international -, und es gibt diverse Organisationsformen: Parteien, Freie Kameradschaften, kriminelle Banden, Musikgruppen, mittelständische Unternehmen, einzelne Aktivisten.« Damit sind Gensing zufolge die Nazistrukturen heute besser als soziale Bewegung zu begreifen, die einen »kollektiver Akteur« darstellt und die ein gemeinsames Ziel verbindet.
Bei aller Vielfalt der Organisationformen stellt die NPD dennoch die zentrale Kraft im Nazilager dar. Das arbeitet Gensing sehr gut heraus. Er beleuchtet auch die vielen Streitigkeiten innerhalb der Partei sowie zwischen der Partei und den so genannten »Freien Kräften«. Meistens gehen sie auf den Grundwiderspruch zurück, den die NPD aushalten muss: Einerseits anschlussfähig für die Mitte der Gesellschaft zu sein und anderseits den offen nationalsozialistisch gesonnenen Kadern Radikalität zu signalisieren. Gensing macht deutlich, dass es sich bei all diesen Streitigkeiten um taktische Differenzen handelt, nicht um grundsätzliche. Oder, um den NPD-Vorsitzenden Udo Voigt zu zitieren: »Das Reich ist unser Ziel und die NPD ist unser Weg.«
Einzig bei den konkreten Strategien gegen die Nazis bliebt Gensings Buch schwach, vor allem im Vergleich zum »Buch gegen Nazis«. Seinem Anspruch, Hinweise zu liefern, »was man dagegen tun kann«, wird es nicht gerecht. Der Autor illustriert zwar sehr schön die Widersprüche der Nazibewegung, an denen Antifaschisten ansetzen könnten, aber er liefert kaum praktische Hilfestellungen dafür. Es wäre ein Leichtes gewesen, der sehr gut dargestellten Geschichte der NPD eine Geschichte der Gegenmobilisierungen gegenüberzustellen. Allein das wäre ein reicher Fundus an Erfahrungen gewesen: Mit den Protesten Ende der 1960er Jahre, »Rock gegen Rechts« Ende der 1970er und den erfolgreichen Blockaden wie in München 1997 oder Berlin 2005. Leider hat Gensing diese Chance nicht genutzt.
Weitere sehr interessante Einblicke in die NPD liefert das Buch »In der NPD. Reisen in die National Befreite Zone« von Ruf und Sundermeyer. Im Gegensatz zu den beiden erstgenannten Büchern ist es nicht im Zusammenhang mit einem antifaschistischen Projekt entstanden, sondern als rein journalistisches Werk. Die Autoren haben lange offen im Umfeld der NPD recherchiert und die so entstandenen Reportagen und Interviews zusammengestellt.
Ihre Ergebnisse fassen sie so zusammen: »Wir haben eine Partei kennen gelernt, die nicht weniger plant als die radikale Umwälzung der bestehenden Gesellschaftsordnung und der Werteordnung, auf der die parlamentarische Demokratie fußt – eine Partei, deren Aktivisten bereit sind, alles diesen politischen Zielen unterzuordnen. Sie haben sich Geduld verordnet und einen strategischen Plan ausgearbeitet, an dessen Ende in vielen Jahren die Machtübernahme in Deutschland stehen soll. Auf die Verwirklichung dieses Ziels arbeiten die Strategen jeden Tag hin.«
Den »strategischen Plan« nennt die NPD »Drei-Säulen-Strategie«. Sie besteht aus dem »Kampf um die Köpfe«, dem »Kampf um die Straße« und dem »Kampf um die Parlamente«. In jüngster Zeit fügt die Führung der Partei den drei Säulen häufig noch eine vierte hinzu: die »Wortergreifungsstrategie«. Eine der großen Stärken des Buches von Ruf und Sundermeyer liegt darin, dass es veranschaulicht, wie der »strategische Plan« der Nazis im Alltag umgesetzt wird. In den Worten von NPD-Pressesprecher Klaus Beier sieht er so aus: »Als geselliger Mensch lerne ich jemanden beim Bier oder auf einem Feuerwehrfest kennen – und am nächsten Tag fahre ich dann bei ihm vorbei, um zu hören, ob seine nationale Gesinnung die Bierlaune überdauert hat.«
In einem sehr lesenswerten Abschnitt berichten die Autoren, wie der Nazi-Kader Tommy Frenck im thüringischen Schleusingen diese Strategie in die Tat umsetzen wollte und sich bei der Freiwilligen Feuerwehr meldete, um schließlich am Widerstand des ganzen Dorfes zu scheitern. Er zog aus dem Dorf weg. Leider verhalten sich nicht alle Feuerwehren entsprechend.
Die Ernsthaftigkeit des langfristigen »strategischen Plans« belegen Artikel über die tragende Rolle der Landtagsfraktionen für den Aufbau der Nazibewegung. Sie dienen als Geldquelle und Schulungszentren der Partei. Beispielhaft deutlich wird das an der Biografie des sächsischen NPD-Fraktionsvorsitzenden Holger Apfel, der 1990 als 18-jähriger Kader der Jugendorganisation »Junge Nationaldemokraten« (JN) nach Sachsen übersiedelte und seitdem planmäßig die NPD aufbaut. Die JN zeigen die Autoren als auch in der Außendarstellung bestens geschulte Nachwuchsorganisation: »Es geht um ein moderates Auftreten. Nicht um ein moderates Programm.«
Geradezu prophetisch liest sich heute der Abschnitt über die NPD im Saarland. 2004 erzielte die Partei bei den dortigen Landtagswahlen 4,0 Prozent und hoffte, auf diesem Erfolg aufbauen zu können und 2009 ins Landesparlament einziehen zu können. Doch mit Gründung der LINKEN entstand plötzlich bundesweit eine wählbare linke Alternative zu CDU, FDP, SPD und Grünen. Das Saarland entwickelte sich zu einer der Hochburgen der LINKEN. Plötzlich fiel es der NPD dort wesentlich schwerer, sich als soziale Partei zu präsentieren. Das Landtagswahlergebnis hat inzwischen unter Beweis gestellt, dass eine starke Linke die Nazis in die Schranken weisen kann. DIE LINKE wurde mit über 20 Prozent der Stimmen drittstärkste Kraft im Saarland, die NPD fiel auf 1,5 Prozent zurück.
Die sorgfältige Recherche in der Nähe der Nazis gehört zu den großen Pluspunkten des Buches. Doch das Interview mit NPD-Kader Jürgen Gansel zeigt, dass der Plan, Nazis sich selbst demaskieren zu lassen, nicht funktioniert. Der intelligente Gansel vermeidet offenen Rassismus und stellt die Politik seiner Partei als vernünftige Antwort auf die Sorgen der breiten Bevölkerung dar. Die Interviewer fragen zwar brav kritisch nach, fungieren letztlich aber doch nur als Stichwortgeber für Gansels Lügen. Das missratene Interview bestätigt die antifaschistische Losung »Keine Plattform für Nazis«. Es wäre schön, wenn sie sich auch unter Journalisten durchsetzen würde. Wer wissen will, was die NPD sagt, findet die Antworten auch auf deren Homepage.
Zum Autor:
Jan Maas wurde 1992 durch die rassistischen Brandanschläge in seiner Heimatstadt Mölln politisiert und ist heute aktiv in der LINKEN.Berlin-Neukölln. Er ist Online-Redakteur von marx21.de.