Bernd Hüttner hat ein Handbuch alternativer Medien veröffentlicht. Im Interview erklärt er, warum linke Presse zu wenig Leser hat und wie das mit dem Unterschied zwischen innen und außen zusammenhängt
marx21.de: Bernd, du bist Mitherausgeber des »Handbuchs Alternativmedien«. Worum geht es in eurem Buch?
Bernd Hüttner: Wir haben etwa tausend Adressen von alternativen Medien aus dem deutschsprachigen Raum zusammengetragen: Zeitschriften, Radios und Verlage. Über verschiedene Register sind sie in dem Buch erschlossen. Weiter sind dort 15 redaktionelle Beiträge abgedruckt, mit denen wir einige Medienprojekte näher vorstellen und auch theoretische Aspekte anschneiden.
Was verstehst du unter Alternativmedien und was ist ihre Aufgabe?
Klar, der Begriff »alternativ« ist ausgelutscht, er hat sich auch stark verändert. Der Höhepunkt von alternativen Medien und Gegenöffentlichkeit waren die 1980er Jahre. Es handelte sich von der Idee her um basisdemokratische Einrichtungen, die Themen abseits des Mainstreams in einer nichtkommerziellen Weise publizierten. Ihr Politikverständnis beruhte auf einer Ablehnung von Stellvertreterpolitik. Daher sollten beispielsweise Betroffene selbst berichten. Dies führte aber schnell zu Wiederholungen und Langeweile in den Texten. Als Reaktion darauf wurden journalistische und redaktionelle Arbeitsweisen gestärkt. Die heutigen Alternativmedien haben meines Erachtens zwei Funktionen: Zum einen die interne Verständigung und die Debatte unter den Linken und Alternativen im weitesten Sinne. Zum anderen die Propagierung eigener Inhalte und Kritiken nach »außen«, also die Ansprache und Überzeugung anderer. Beides wird gerne mal verwechselt oder die Medienschaffenden versuchen, mit dem internen Modus eine große Öffentlichkeit zu erreichen. Das geht dann meistens schief.
Gab es seit der ersten Auflage eures Buches im Jahr 2006 gravierende Veränderungen in der alternativen Medienlandschaft?
Quantitativ eigentlich nicht, die Zahl der Printmedien ist nahezu gleich geblieben. Gestiegen ist seitdem jedoch die Bedeutung von Publikationsorten im Netz, also beispielsweise Blogs. Wir haben uns letztendlich entscheiden, diese nicht aufzunehmen, obwohl wir das ursprünglich vorhatten. Es schien uns widersinnig, Internetadressen in einem Buch abzudrucken und auch die Auswahlkriterien für dieses dann doch stellenweise sehr kurzlebige Feld wären noch unschärfer gewesen als für den Printbereich.
In einem deiner Beiträge kritisierst du die Medienstrategie der LINKEN. Was müsste sich ändern?
Auf jeden Fall muss sich etwas ändern, denn vermutlich weniger als fünf Prozent der Wählerinnen und Wähler der Partei lesen linke Medien einschließlich der Tageszeitungen. Hier gibt es ein nennenswertes Potential, auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Gleichzeitig wird die Bedeutung des Internet noch weiter steigen, gerade bei Jüngeren. In der LINKEN hängen noch zu viele den Top-Down-Kommunikationsstrategien der 1970er und 1980er Jahre an. Patentrezepte habe ich auch nicht. Vielleicht sollten die linken Medien ihre Leserinnen und Leser für klüger halten, als sie das manchmal tun. Sie sollten auch populärer werden, ohne populistisch zu sein. Kooperation, Kreativität, Gleichheit und Neugier – die Schlüsselbegriffe für eine neue progressive Ära werden bislang kaum mit der parteipolitischen Linken assoziiert. Dies sollte sich dringend ändern. Dazu sollten linke Medien einen Beitrag leisten – und ich denke, das können sie auch.
(Die Fragen stellte Martin Haller.)
Zur Person:
Bernd Hüttner ist Vorsitzender des Vereins Linke Medienakademie e.V. Gemeinsam mit Gottfried Oy und Christiane Leidinger hat er eine Neuauflage des Handbuchs Alternativmedien herausgebracht.
Über das Buch:
Bernd Hüttner / Christiane Leidinger / Gottfried Oy (Hrsg.): Handbuch Alternativmedien 2011/2012. Printmedien, Freie Radios, Archive & Verlage in der BRD, Österreich und der Schweiz (AG SPAK Bücher 2011).
Mehr im Internet:
- Weitere Informationen und eine Titel-Datenbank finden sich unter www.alternativmedien.org.
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