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marx21.de dokumentiert eine Stellungnahme der "Sozialistischen Linken" in Hessen zur Politik der "Haushaltskonsolidierung" in Zeiten der Finanzkrise und zur Frage, wie sich die LINKE zu einer rot-grünen Minderheitsregierung verhalten sollte:
"Drum prüfe, wer sich ewig bindet…"
schrieb Friedrich Schiller in der "Glocke". Wenn auch dieses Werk gar nichts mit der aktuellen Situation in Hessen zu tun hat, so mag den GenossInnen dieses „geflügelte Wort" in den letzten Wochen einige Male in den Sinn gekommen sein: Ausgehend von der (richtigen) politischen Botschaft, man werde eine rotgrüne Minderheitsregierung wählen, ist DIE LINKE in Hessen in die Lage geraten, dass ihr – Fraktion und Partei – verbindliche Zusagen abverlangt werden, damit das Regime von Roland Koch und seiner CDU in Hessen beendet werden kann.
Die SOZIALISTISCHE LINKE unterstützt alle Bestrebungen, einen Ministerpräsidenten abzuwählen, dessen Politik des Sozialkahlschlages und latenten Rassismus die gesellschaftliche Spaltung in Hessen verschärft hat und – sollte er im Amt bleiben – weiter verschärfen wird. Gleichzeitig bestehen wir darauf, dass die Unterstützung eines rotgrünen Minderheitskabinetts einer permanenten Überprüfung unterliegt und keine Vorhaben unterstützt werden, die
- weiteren Sozialabbau bedeuten
- weitere Privatisierung und weiteren Arbeitsplatzabbau im öffentlichen Dienst beinhalten
- umwelt-, bzw. klimaschädliche Investitionen zur Folge haben
Keine Haushaltskonsolidierung in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheiten!
Der SPD-Landesvorstand hat einen Forderungskatalog an DIE LINKE veröffentlicht, der das Bekenntnis zur Haushaltkonsolidierung enthält. Kernpunkt ist, bis 2013 den hessischen Haushalt auszugleichen. Darüber hinaus werden wir aufgefordert allen zukünftigen Haushaltsentwürfen bis 2013 zu zustimmen.
Die wirtschaftliche Entwicklung lässt eine solche Zusage nicht zu. Der Abschwung, das Chaos an den internationalen Finanzmärkten wird Auswirkungen auf die Realwirtschaft in Deutschland haben. Inzwischen geht sogar die Bundesregierung von einer Wachstumsdelle (0,5 statt 1,2 % Wachstum) für 2008 aus – bereits jetzt befindet sich Deutschland in einer Rezession, in den letzten beiden Quartalen ist die Wirtschaft geschrumpft. Tatsächlich könnte eine Weltrezession wie1980/81 drohen: Helmut Schmidt warnte in der "Zeit" davor, dass "die schwerste Bankenkrise seit 1929 doch noch, wie in den dreißiger Jahren, in eine Weltkrise mündet". 1980/81 stieg die Arbeitslosigkeit in kürzester Zeit um eine Million. Der hessische Landeshaushalt, rechnet der Landesfinanzminister alle Tage vor, wird von dem wirtschaftlichen Abschwung schon jetzt mit 200 bzw. 500 Millionen Euro belastet werden. Das sind die bisherigen, gewiss auch politisch motivierten Schätzungen.
Dies bedeutet, dass sich die Auswirkungen der arbeitnehmerfeindlichen Steuer- und Einnahmepolitik der Bundesregierung und die möglichen Folgen der Krise an den Finanzmärkten auf rund eine Milliarde Euro addieren. Hinzu kommen die Kosten für die Beseitigung der kochschen Kahlschlagorgie in der Sozialpolitik („Operation sichere Zukunft"), die noch einmal mit rund 1,1 Milliarden Euro zu veranschlagen sind. In allererster Linie bedeutet dies, dass wir uns um eine andere Steuerpolitik auf Bundesebene bemühen müssen: Statt die "Massensteuern" permanent zu erhöhen und die Unternehmenssteuern zu senken ist eine Politik notwendig, die das Großkapital an den Kosten für die selbst verursachten wirtschaftlichen Verwerfungen beteiligt!
Der "Fetisch Haushaltskonsolidierung" ist für uns kein ein Wert an sich. Wer darauf hinweist, dass "nachfolgende Generationen" für die Staatsverschuldung zahlen müssen, der sollte auch mitdenken, dass sparen im Sozialbereich, bei der Bildung oder im Bereich einer nachhaltigen Energie- und Umweltpolitik langfristig nicht nur höhere Folgekosten generiert, sondern zudem die soziale Spaltung in der Gesellschaft vertieft, bzw. gar zukünftigen Generationen die Lebensgrundlage entzieht! DIE LINKE sollte keine "Konsolidierungspolitik" zu Lasten der Mehrheit akzeptieren. Der Hinweis, der Haushalt müsse "verfassungsgemäß" sein, ist ein Scheinargument. Der vielzitierte Artikel 141 der hessischen Verfassung kennt den Begriff des „außerordentlichen Bedarfs: in Zeiten, wo der EU-Stabilitätspakt ausgesetzt wird, kann man wohl von der Störung des "gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" und einem "außerordentlichen Bedarf" ausgehen. Wir halten eine Absenkung der Staatsnachfrage in der gegenwärtigen Situation für kontraproduktiv!
Eckpunkte einer sozialen Politik für Hessen
Wir treten dafür ein, dass die Landtagsfraktion der LINKEN parlamentarische Initiativen ergreifen soll, die unser Forderung nach Abschaffung der Hartz-Gesetze verdeutlichen. In dieser Frage darf es keine politischen Kuhhandel, keine Absprachen oder Rücksichtnahmen geben. Millionen Menschen in der Bundesrepublik sind zu einem Leben in permanenter Armut und Würdelosigkeit verurteilt. Dies abzuschaffen ist unverhandelbarer Teil des Selbstverständnisses unserer Partei!
Unter dieser Maßgabe begreifen wir die im bisherigen Schriftwechsel mit SPD und Grünen festgehaltene Absicht, 25.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze als ersten Schritt, einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor jenseits der HARTZ IV-Logik zu etablieren. Allerdings darf es nicht bei Absichtserklärungen bleiben: Bis spätestens 2010 soll hierzu im Landtag ein konkreter Gesetzesentwurf vorliegen und beschlossen werden!
Die Privatisierung der Unikliniken rückgängig zu machen, muss unser Ziel bleiben. Forschung und Lehre in der Medizin und die dazu gehörige Praxis müssen vollständig unabhängig von Profitinteressen sein. Inzwischen steht auch außer Frage, dass die Privatisierung gravierende Folgen für Personal und Patienten gezeitigt hat. Eine Politik, die kranke Menschen als Kostenfaktoren begreift und Gesundheitsvorsorge, sowie Krankenversorgung unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten regeln will, hat nicht die Unterstützung unserer Partei!
Die Einführung einer "Hessen Card", die sozial Benachteiligten eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht ist muss zentraler Bestandteil einer fortschrittlichen Sozialpolitik für die kommende Legislaturperiode sein. Mobilität ist eine wichtige Vorraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Dies beinhaltet, dass als erster Schritt in den jeweiligen Verkehrsverbünden Monatskarten einzuführen sind, die sich am festgesetzten ALG II-Richtwert für Mobilität orientieren. Weitere Schritte, wie die kostenfreie Nutzung von Volkshochschulen, Schwimmbädern, Museen und sonstigen kulturellen Einrichtungen müssen folgen. Wer arm ist, darf nicht ausgeschlossen werden!
Wir treten dafür ein, dass ohne Haushaltsvorbehalt in Hessen jede Maßnahme zurückzunehmen sind, die Koch unter den Oberbegriff "Operation Sichere Zukunft" zu verantworten hat: In Hessen sind Frauenhäuser, Schuldnerberatung, Erziehungsberatungsstellen, Unterstützung und Beratung für sozial Benachteiligte in einem Maße zusammengekürzt worden, dass Einrichtungen ganz oder teilweise geschlossen werden mussten. Die Förderung dieser wichtigen, sozialen Initiativen ist mindestens auf dem Niveau vor der CDU-Alleinregierung wieder herzustellen, bzw. angepasst an die aktuelle politische Entwicklung auszuweiten!
DIE LINKE muss jetzt in die Offensive gehen
Unsere Partei muss schon jetzt damit beginnen, das eigene Profil gegenüber der SPD und den Grünen weiter zu schärfen. DIE LINKE in Hessen sollte nicht vergessen, dass die hessische SPD den Agenda-Kurs und die "HARTZ-Reformen" mitgetragen hat und weiter mit trägt. Das bedeutet nicht unsere Position, Koch abzuwählen, aufzugeben. Aber DIE LINKE ist aufgefordert, niemals zu vergessen, dass wir es mit Parteien zu tun haben, die im Kern einer neoliberalen Ideologie verpflichtet sind. Deshalb sollte die eigene Profilbildung Vorrang vor der Unterstützung der Minderheitsregierung haben!
Die von uns eingeforderte "Verlässlichkeit" beinhaltet zuallererst, verlässlicher Partner der sozialen Bewegungen und der Gewerkschaften zu sein. So sehr die Abwahl Kochs ein „Wert an sich" ist, so wenig ist es sinnvoll, dass eigene Profil zu Lasten der Unterstützung von SPDgrün zu verwischen!
DIE LINKE. steht an der Seite der Menschen, die gegen soziale Missstände, gegen ökonomischen Wahnsinn und ökologischen Raubbau auf die Straße gehen. Sie steht an der Seite der Kolleginnen und Kollegen, die in aktuellen Tarifauseinandersetzungen stehen oder sich gegen Arbeitsplatzabbau wehren! Nur so werden letztlich auch in Hessen sozialer und ökologischer Fortschritt durchsetzbar!
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