Dreieinhalb Jahre Haft für Uli Hoeneß wären eine bisher einmalige Strafe für Steuerhinterziehung in der Geschichte Deutschlands. Doch die Reichsten der Reichen sind Konzerne, die dem Staat Milliarden Euro Steuern entziehen, und zwar ganz legal. Von Hans Krause.
Klaus Zumwinkel kostete sein Prozess nur ein müdes Lächeln. Nachdem der damalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Post 2008 wegen der Hinterziehung von 970.000 Euro Steuern angeklagt wurde, verurteilte ihn das Landgericht Bochum zu zwei Jahren Gefängnis auf Bewährung und einer Geldstrafe von 1 Million.
Allerdings hatte Zumwinkel mit einer Stiftung in Liechtenstein weit mehr Steuern hinterzogen, was aber nicht berücksichtigt werden konnte. Ein Richter hatte Beschüsse »versehentlich« zwölf Stunden zu spät fertiggestellt und dadurch die Verjährung in Kraft gesetzt. Seine 20-Millionen-Euro-Pension hat Zumwinkel von der Deutschen Post trotzdem kassiert.
So gut ergeht es Uli Hoeneß nicht. Der Präsident von Bayern München muss ein paar Jahre ins Gefängnis, falls seine Berufung vor dem Bundesgerichtshof erfolglos ist.
Millionäre lernen von Hoeneß
Dass in Zukunft weitere Multimillionäre für ihre hinterzogenen Steuern hinter Gitter kommen, ist trotzdem unwahrscheinlich. Auch Hoeneß wurde nur verurteilt weil er ein paar dumme Fehler gemacht hat: Im Januar 2013 gab er eine hektisch erstellte und unvollständige Selbstanzeige bei der Polizei ab, weil ihm seine Schweizer Bank gesagt hatte, ein Journalist habe nach einem »Sport-Prominenten« gefragt.
Ob der Journalist wirklich Hoeneß auf der Spur war, wurde nie bekannt. Aber durch seine unvollständige Selbstanzeige hatte Hoeneß 1. das Strafverfahren gegen sich praktisch selbst eröffnet und 2. die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige verloren, weil sie eben unvollständig war. Daraus werden alle anderen Millionäre lernen.
Ob die Bedingungen für eine strafbefreiende Selbstanzeige verschärft werden, ist weiter unklar. Sicher ist jedoch, dass es sie weiter geben wird, obwohl zurzeit selbst konservative Medien zu Recht ihre Abschaffung fordern. Auch die von der LINKEN vorgeschlagene »Bundesfinanzpolizei« wäre ein Schritt, um Leuten wie Hoeneß illegales Zocken mit Millionenbeträgen zu vermiesen.
CDU und SPD beschenkten Reiche
Doch auch wenn Steuerhinterziehung in Zukunft erschwert werden sollte, werden die Reichen weiter Reicher und die öffentlichen Kassen immer leerer werden. Denn keine noch so gnadenlosen Richter oder Fahnder können etwas dagegen tun, dass die größten Vermögen in Deutschland von Volkswagen, E.ON, Daimler und anderen Konzernen nur wenig besteuert werden.
Bei der Unternehmenssteuerreform 2008, dem größten staatlichen Geschenk an Reiche, Banken und Konzerne in der Geschichte Deutschlands, wurde die Kapitalertragssteuer auf Zinsen für große Vermögen auf 25 Prozent gesenkt. In der Schweiz beträgt diese Steuer 35 Prozent, falls man sein Geld dem Finanzamt meldet.
Noch katastrophaler für die Staatskassen war 2008, dass der Steuersatz auf Unternehmensgewinne von etwa 39 auf 30 Prozent gesenkt wurde. Das sind nur zwei Drittel des entsprechenden Spitzensteuersatzes von 45 Prozent für Personen mit hohem Einkommen. Ziel der Reform war laut CDU-SPD-Bundesregierung offiziell die Entlastung der Unternehmen von 5 Milliarden Euro pro Jahr.
Konzerne tricksen auch
Doch auch dieser Steuersatz von 30 Prozent wird normalerweise nicht annährend eingehalten. So errechnete das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) für das Jahr 2008 einen tatsächlich gezahlten Steuersatz von durchschnittlich 21 Prozent. Die erzielten Unternehmensgewinne waren demnach 92 Milliarden Euro höher als versteuert wurden. Auch in den Jahren zuvor ab 2000 errechnete das DIW jedes Jahr eine »Steuerlücke« bei Unternehmensgewinnen von mindestens 90 Milliarden pro Jahr, 2007 gar von 120 Milliarden Euro.
Dadurch werden ausgerechnet Gewinne von Unternehmen real am niedrigsten besteuert, obwohl sie nicht durch die Arbeit der Eigentümer entstanden sind. Vielmehr werden die Beschäftigten in Fabriken und Büros jeden Tag enteignet, weil sie nur ihren Lohn, nicht aber den von ihnen erarbeiteten Mehrwert ausgezahlt bekommen, der an die Besitzer oder Aktionäre eines Unternehmens geht.
Legale »Steuervermeidung«
Welche Steuertricks die Konzerne dafür anwenden, lässt sich wegen der mangelhaften Datenerhebung der Bundesregierung nicht herausfinden. Jedoch schließt das DIW aus seinen Ergebnissen, »dass die Nutzung von Bilanzierungsspielräumen und Steuergestaltungen systematisch zugenommen hat«.
Dass die Regierung diese legale »Steuervermeidung« absichtlich ermöglicht, lässt sich aus einer Antwort auf eine Bundestagsanfrage der Grünen erkennen. Sie wollten wissen, ob man nach dem Vorbild der USA eine jährliche »Steuerlückenberechnung« des Unterschieds zwischen erwirtschafteten und versteuerten Unternehmensgewinnen machen könne. Das Finanzministerium dazu: »Eine Steuerlückenberechnung würde keinen Erkenntnisgewinn bringen. Es ist unstrittig, dass eine Differenz zwischen den erwirtschafteten und den steuerlich erfassten Gewinnen besteht.«
Auch Hoeneß wird nach einer möglichen Haft wieder ausreichend Geld zum Verzocken haben. Denn selbst wenn er nicht mehr Bayern München führen darf, wird Hoeneß mit seiner eigenen Fabrik »HoWe Wurstwaren KG« jedes Jahr Millionen Euro verdienen. Die Wurstfabrik produziert »Nürnberger« unter anderem für Aldi und Lidl und zahlt wie alle Konzerne in Deutschland ganz legal nur ganz, ganz wenig Steuern.
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- Mit Kampagnen die Wirklichkeit verändern: Die von der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) entwickelte Einheitsfrontstrategie sollte Revolutionären dazu dienen, in nicht revolutionären Zeiten eine massenwirksame Politik auf einer nicht sektiererischen Grundlage zu entfalten. Dieses Konzept ist in der LINKEN heute kaum bekannt. Die Einheitsfront-Politik war aber in der Weimarer Republik ungemein erfolgreich. Deshalb haben wir uns mit dem Parteivorsitzenden Bernd Riexinger darüber unterhalten, ob sie nicht auch ein Konzept für die LINKE sein könnte.