Ende vergangenen Jahres sorgte eine von der BBC ausgestrahlte Dokumentation für Aufsehen. Der Film »Großbritanniens geheime Terror-Truppe« legte dar, dass die britische Armee Anfang der 1970er Jahre Mordkommandos unterhielt.
In der BBC-Doku berichten Mitglieder der damaligen »Military Reaction Force« (MRF), wie Angehörige der MRF vor allem in der Metropole Belfast irische Zivilisten ermordete, um die »IRA zur Strecke zu bringen«. Sie bestätigen erneut, was Hinterbliebene, lokale Initiativen und Menschenrechtsorganisationen in jahrzehntelanger Recherchearbeit ans Tageslicht gebracht haben: Britische Sicherheitskräfte – Polizei, Militär und auch die Geheimdienste – führten einen schmutzigen Krieg in Nordirland, kooperierten mit Todesschwadronen und schreckten auch selbst vor extralegalen Hinrichtungen nicht zurück.
Tödliche Verbündete
Seit der Jahrtausendwende gilt Nordirland als weitgehend befriedet. Nach Unterzeichnung des Karfreitags-Friedensabkommens von 1998 beendete die Irisch-Republikanischen Armee (IRA) den bewaffnete Kampf. Die irisch-republikanische Freiheitsbewegung – die IRA führte sie fast 30 Jahre als Guerillakrieg – tritt für die Unabhängigkeit Irlands vom britischen Empire und für Gleichberechtigung und ein Ende der Diskriminierung von irischen Katholiken in Nordirland ein.
Die »Military Reaction Force« wurde 1973 aufgelöst, agierte aber unter einem anderen Namen weiter. Die langjährige Nordirlandaktivistin Uschi Grandel spricht von einem »Netz aus Sondereinheiten der nordirischen Polizei, des britischen Militärs und ihrer »Lethal Allies« – ihrer tödlichen Verbündeten – aus Reihen pro-britischer Milizen«.
Zusammenarbeit mit Milizen
Die Zusammenarbeit zwischen Gruppierungen wie der »Ulster Volunteer Force« (UVF) und der »Ulster Defence Association« (UDA) mit den Sicherheitskräften ist inzwischen umfangreich dokumentiert. Sie reicht von Anstiftung zum Mord, Bewaffnung von UDA und UVF, Abzug von Polizeisperren vor Anschlägen der Milizen bis zur Nichtverfolgung von Straftaten. In Nordirland wird diese Kooperation, die hunderten irisch-katholischen Bürger das Leben kostete, als »Collusion (Zusammenarbeit)« bezeichnet.
Ein Beispiel ist der Mord an drei Mitgliedern der irischen Kabarettgruppe »Miami Showband« am 31. Juli 1975. Nach einer Vorstellung wurde ihr Wagen bei Newry von einer Gruppe Uniformierter gestoppt. Checkpoints der Armee waren zu dieser Zeit keine Seltenheit, die Männer trugen Uniformen der britischen Armee. Es war eine Gruppe britischer Soldaten – allesamt auch Angehörige der Miliz »Ulster Volunteer Force« –, die in ihrer Freizeit Mordoperationen durchführten.
Sie ließen die Künstler aus ihrem Kleinbus aussteigen und platzierten darin eine Bombe mit Zeitzünder. Diese sollte explodieren, die Kabarettgruppe auslöschen und sie als Bombenschmuggler der IRA denunzieren. Der Plan schlug jedoch fehl, als der Sprengsatz vorzeitig detonierte. Zwei Soldaten starben. Die anderen eröffneten das Feuer auf die Künstler: Drei Mitglieder der »Miami Showband« wurden getötet.
Aufarbeitung der Vergangenheit
Die Aufarbeitung des staatlich geförderten Terrors ist schwierig, weil die Polizei gegen eigene Kollegen und Staatsanwälte gegen teils hochrangige Militärs ermitteln müssten. Die Angehörigen der Opfer fordern vor allem Aufklärung. Eine Bestrafung der politisch Verantwortlichen wird gewünscht, steht allerdings nicht im Mittelpunkt.
Die Enthüllungen der BBC zum schmutzigen Krieg in Nordirland kommt für die britische Regierung zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Denn in einer neuen politischen Verhandlungsrunde unter der Moderation des amerikanischen Politikers Richard Haas wird gerade über ungelöste Themen des Friedensabkommens von 1998 diskutiert. Dabei geht es unter anderem auch um die Aufarbeitung der Vergangenheit.
Der nordirische Generalstaatsanwalt John Larkin forderte kürzlich eine Amnestie für alle konfliktbezogenen Straftaten vor 1998. Im Lichte der derzeitigen Enthüllungen ist dies ein durchsichtiges Manöver, das den Mantel des Schweigens über die Aktivitäten des britischen Staates ausbreiten soll.
Weiterlesen:
Margaret Urwin: COUNTER-GANGS: A history of undercover military units in Northern Ireland 1971-1976. Kostenloser PDF-Download unter: www.spinwatch.org/images/Countergangs1971-76.pdf
Zum Autor:
Florian Osuch schreibt seit zehn Jahren zum Nordirlandkonflikt unter anderem für junge Welt.