Die Dreiprozenthürde bei der Europawahl ist gefallen. Gegen Nazis hätte sie ohnehin nichts genützt
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Dreiprozenthürde bei der Europawahl in Deutschland gegen das Grundgesetz verstößt. Die Sperrklausel hatten CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne letztes Jahr gegen die Stimmen der LINKEN beschlossen. Nun warnen Vertreter von Union und SPD, im Mai könnten rechte Parteien aus Deutschland ins Europaparlament einziehen.
Nazis sind eine große Gefahr, aber nicht erst, wenn sie im Parlamenten vertreten sind. Denn Nazis sind jederzeit und überall eine Bedrohung für Leib und Leben von Schwulen, Lesben, Linken, Menschen mit anderer Hautfarbe – kurz allen, die sie nicht für richtig »deutsch« halten. Um diese Gefahr zu bannen, ist es nötig, ihre Strukturen an jedem Ort zu bekämpfen.
Sperrklausel bringt nichts
Die Sperrklausel nützt dabei nichts. Entscheidend ist vielmehr, dass sich möglichst breite Anti-Nazi-Bündnisse den Rechtsradikalen in den Weg stellen, wo auch immer sie ihre menschenverachtende Ideologie verbreiten wollen. Die Blockaden der rechtsradikalen Aufmärsche in Dresden in den letzten Jahren, sind dafür ein erfolgreiches Beispiel.
Als die Fünfprozenthürde nach 1945 in Westdeutschland eingeführt wurde, diente die Zersplitterung des Parlaments der Weimarer Republik als Begründung. Doch Hitlers NSDAP bekam die Macht übertragen, als sie die stärkste Fraktion stellte. Für den Sieg der Nazis über die Arbeiterbewegung war nicht die mangelnde Größe der Oppositionsfraktionen verantwortlich, sondern die Tatsache, dass ihre starken Gegner, SPD und KPD, politisch gespalten waren und die Nazis nicht rechtzeitig gemeinsam stoppten.
Dreiprozenthürde trifft alle
Außerdem richtet sich eine Sperrklausel natürlich gegen alle schwächeren Parteien, also auch gegen linke. LINKE-MdB Halina Wawzyniak argumentiert: »DIE LINKE fordert den völligen Verzicht auf derartige Hürden. Der Souverän sind die Wählerinnen und Wähler. Sie allein sollen über die Zusammensetzung des Parlaments entscheiden. Zu einer freien Wahl und zur Chancengleichheit gehört, dass man jede Partei wählen kann ohne Angst haben zu müssen, dass die Stimmen wegen einer Sperrklausel verloren gehen.«
Die Begründung des Gerichts für seine Entscheidung ist interessant. Sinngemäß: Im Bundestag ist die Fünfprozenthürde notwendig, damit die Regierung eine stabile Mehrheit hat. Weil aber die EU-Kommission sowieso unabhängig vom Parlament regiert, kann man im Europaparlament auch gleich auf die Sperrklausel verzichten. Mit anderen Worten: Lassen wir die Leute wählen, wen sie wollen – mitentscheiden können sie ohnehin nichts.
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