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Bahnchef Mehdorn macht Druck: Teile der Bahn sollen noch in diesem Jahr verkauft werden. Die Bundesregierung steht hinter ihm. Doch der Widerstand gegen die Privatisierung könnte ihm einen Strich durch die Rechnung machen. Von Frank Eßers, Online-Redakteur marx21.de
Ein schriller Pfiff mit der Trillerpfeiffe gibt das Zeichen: Langsam senkt sich ein Dutzend riesige rote Signalkellen, die denen bei der Bahn ähneln. Stoppen wollen die Aktivisten des Anti-Privatisierungs-Bündnisses »Bahn für Alle« den neuen Plan von Bahnchef Mehdorn, das Staatsunternehmen noch in diesem Jahr teilweise zu verkaufen. Deswegen sind sie Ende Februar vor den DB Tower in Berlin gezogen, dort hat das Unternehmen seinen Hauptsitz. In weiteren 19 Städten hatte das Bündnis ebenfalls Aktionen organisiert. Vor allem soll die Öffentlichkeit informiert werden, denn der Bahnchef drückt aufs Tempo, um Proteste auszuhebeln.
Kritik am Börsengang
Kritiker der Bahnprivatisierung befürchten, dass es privaten Investoren nur um ihren Profit geht. Ginge die Bahn an die Börse, hätte das Nachteile für Kunden und Bahnpersonal, sagen sie. Noch höhere Ticketpreise, drastische Stilllegung von Strecken, Lohndumping, weiterer Personalabbau und Einsparungen bei der Sicherheit wären die Folge.
Auch die Umwelt würde darunter leiden, wenn deshalb weniger Menschen mit der Bahn fahren und stattdessen aufs Auto umsteigen, meint »Bahn Für Alle«. »Geht die Bahn zum Börsenhandel, befördert das den Klimawandel« steht deshalb auf einem großen Transparent des Bündnisses, mit dem sich das Bündnis vor den Eingang des DB Tower gestellt hat.
Schlechte Erfahrungen mit Bahnprivatisierungen in anderen Ländern geben den Kritikern Recht. »Bahn Für Alle« fordert statt des Börsengangs einen Verbleib der Bahn in öffentlicher Hand.
Genervte Kunden
Die Bahn dürfe aber auch nicht bleiben, wie sie ist. Zwar hält der Bund alle Anteile des 1994 in eine Aktiengesellschaft umgewandelten Unternehmens. Doch seitdem verhält sich die DB AG zum Teil wie ein privates Unternehmen. Steigende Ticketpreise, Personalabbau und die Stilllegung von Strecken, die aus Sicht des Unternehmensvorstandes unrentabel sind, nerven Millionen Kunden und das Bahnpersonal. Stattdessen fordert das Bündnis einen billigen und gut ausgebauten öffentlichen Bahnverkehr, der den Bedürfnissen von Kunden und Personal entspricht (siehe Hintergrund).
{slide=Hintergrund: Alternative zum Börsengang der Bahn}
Bahn für Alle sagt: »Die Alternative lautet: Bürgerbahn und Flächenbahn statt Börsenbahn und Geschwindigkeitswahn.«
Das Alternativmodell von »Bahn für Alle« hat die folgenden Grundbestandteile:
- Öffentliches Eigentum der Schieneninfrastruktur sowie im Kernbereich des Schienenverkehrs – beim integrierten Unternehmen Deutsche Bahn. Ziel: Die Verantwortung für die Infrastruktur wird gewahrt, Orientierung auf eine zukunftsfähige Verkehrspolitik.
- Kombination des öffentlichen Eigentums in Form von Bundeseigentum und Ländereigentum, teilweise auch Kreiseigentum. Einfluss der Länder stärken. Mitbestimmung für Gewerkschaften, Fahrgastverbände und Umweltorganisationen. Ziel: Bürgernähe und demokratische Kontrolle.
- Priorität für die Erschließung der Fläche. Ausbau (statt Abbau) des Schienennetzes. Wiedereinführung eines modernisierten InterRegio. Ziel: Bahn für Alle.
- Einheitlichkeit bei Fahrplan, Tarifsystem und den Standards für Sicherheit und Service. Enge Vernetzung mit dem übrigen öffentlichen Verkehr. Preisgünstige und familienfreundliche Mobilitätskarten für ein Massenpublikum (optimierte BahnCard50 bzw. BahnCard100). Ziel: Eine transparente, fahrgastfreundliche Bahn.
- Integraler Taktverkehr für das gesamte Schienennetz. Ziel: Hohe »Netzgeschwindigkeit« anstelle von Hochgeschwindigkeit zwischen Metropolen mit jeweils abgehängtem Umland.
- Regionalisierungsgelder auf dem Niveau des Jahres 2005 erhalten und dynamisieren entsprechend der Inflationsrate. Ziel: Stärkung der Bahn dort, wo 90 Prozent der Schienenverkehre anfallen.
- Entwicklung einer Unternehmenskultur, welche die Initiative und das Engagement der Beschäftigten fördert. Ziel: Aufbau der Serviceleistungen statt Personalabbau.
- Das Management bei der DB muss kompetent sein und sich mit dem Schienenverkehr identifizieren. Ziel: Das Unternehmen darf nicht – wie der Fisch – vom Kopf her stinken.
(Quelle: www.deinebahn.de)
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Mehdorn drängt
Noch vor der Bundestagswahl 2009 will der Bahnchef den Gang an die Börse unter Dach und Fach bringen − unter weitgehendem Ausschluss des Parlamentes. Denn zwei Drittel der Bevölkerung lehnen die weitere Privatisierung ab. Im Wahljahr will keine der beiden Regierungsparteien einen Teilverkauf der Bahn verkünden müssen und dadurch Stimmen verlieren.
Schon ein Mal, Ende 2007, sind Bahnvorstand, Regierung und Privatisierungsbefürworter im Bundestag gescheitert. Auf dem SPD-Parteitag am 27. Oktober haben die Delegierten den Vertretern ihrer Partei in der Regierung die rote Karte gezeigt. Dem bisherigen Modell der Privatisierung erteilten sie eine Absage und erreichten einen Beschluss über eine alternative Variante. Nach diesem so genannten »Volksaktienmodell« sollen private Investoren zwar Anteile der Bahn kaufen können, aber nicht über das Unternehmen bestimmen. Doch die CDU lehnt das Modell ab. Damit schien vielen die Bahnprivatisierung abgewendet, zumindest bis zur Bundestagswahl.
Das »Holdingmodell«
Doch die Privatisierungsbefürworter geben sich nicht so schnell geschlagen. Nach dem Parteitag legten sie einen neuen Plan vor, das »Holdingmodell«. Es sieht vor, die Infrastruktur der Bahn (zum Beispiel Schienen, Bahnhöfe) vom Bereich Transport und Logistik (Personen- und Güterverkehr) zu trennen. In staatlicher Hand bleiben soll nur die Infrastruktur. Der Transport- und Logistikbereich hingegen soll schrittweise verkauft werden.
Aus Sicht der Befürworter eines Verkaufs hat das Modell den Vorteil, dass beim »Holdingmodell« Bahnvorstand und Regierung alleine über den Börsengang entscheiden können. Bei der gescheiterten Privatisierungsvariante, die einen gemeinsamen Verkauf von Infrastruktur und Transport vorsah, hätte das Parlament beteiligt werden müssen.
Im Kern läuft das Holdingmodell darauf hinaus, dass sich private Investoren die Rosinen aus dem Unternehmen Bahn herauspicken können. Die Bereiche, in denen vor allem Kosten anfallen, sollen beim Staat bleiben. Privatisierung der Gewinne, Vergesellschaftung der Verluste ist das Motto.
Kein Wunder, dass Mehdorn die Öffentlichkeit fürchtet. Am liebsten würde er auf der Eigentümerversammlung der Bahn, die in diesem Monat stattfindet, die Ausgliederung des Bereiches Transport und Logistik in eine Finanzholding-Gesellschaft verkünden. Eine entsprechende Transportholding »DB Mobility and Logistics AG« hat das Bahnmanagement bereits gegründet. Seit dem 1. Februar ist sie im Handelsregister eingetragen.
Die Regierung hat der Bahnchef auf seiner Seite. Kanzlerin Merkel sieht im Holdingmodell »eine Chance«, Wirtschaftsminister Glos ist dafür und auch SPD-Finanzminister Steinbrück und SPD-Verkehrsminister Tiefensee befürworten es.
Transnetvorsitzender für Privatisierung
Der Vorsitzende der Bahngewerkschaft Transnet, Norbert Hansen, hat sich ebenfalls für dieses Privatisierungsmodell ausgesprochen − entgegen eines Gewerkschaftsbeschlusses. Dagegen hat die Initiative »Bahn von unten« protestiert, ein Zusammenschluss von Transnet-Gewerkschaftern: »Wir wissen nicht, warum der Kollege Norbert Hansen jetzt lautstark die Privatisierung propagiert. Wir wissen aber, dass es nicht der Beschlusslage unserer Gewerkschaft entspricht und auch nicht im Interesse der Eisenbahnerinnen und Eisenbahner liegt, die Bahn ganz oder teilweise zu privatisieren«, schreibt die Initiative in einem »Extrablatt«. Auch die Führungen der anderen beiden Bahngewerkschaften GDL und GDBA äußern sich nicht deutlich gegen eine Privatisierung.
Alle drei Gewerkschaften befürchten, dass die Bahn ohne privates Kapital in Zukunft nicht konkurrenzfähig ist. Transnet-Chef Hansen meinte am Rande einer Gewerkschaftsveranstaltung in Nürnberg, dass die Bahn durch eine weitere Privatisierung mehr Güter und Reisende auf der Schiene befördern könne. Gleichzeitig könne sie beweisen, dass in einem internationalen Konzern Sozialpartnerschaft möglich ist. Das entspricht genau der Argumentation des DB-Managements.
Schlechte Erfahrungen in anderen Ländern
Doch die Realität nach einem Börsengang würde anders aussehen. Ein Blick auf die Bahnprivatisierungen in anderen Ländern, zum Beispiel Japan und Großbritannien, lohnt sich: Rund die Hälfte der Arbeitsplätze ist jeweils abgebaut worden. Belegschaften sind aufgespalten und dadurch die gewerkschaftliche Aktionsfähigkeit erheblich eingeschränkt worden.
Weitere Folgen der Privatisierungen waren eine Absenkung des Einkommensniveaus vor allem bei neu Eingestellten, mehr Arbeitshetze und die Zunahme prekärer Beschäftigungverhältnisse. Auch der Service hat gelitten: Bahnhöfe und Schalter wurden geschlossen.
Mit der Privatisierung ist jeweils eine Konzentration auf den Geschäftsreiseverkehr mit Hochgeschwindigkeitszügen zwischen großen Städten einher gegangen. Gleichzeitig wurden »unrentable« Strecken stillgelegt.
Staat zahlt, Investoren kassieren
Eine Privatisierung macht staatliche Subventionierung der Schiene nicht überflüssig, wie die Befürworter eines Börsengangs behaupten. Nach den Privatisierungen in anderen Ländern musste der Staat fleißig weiter zahlen: In Großbritannien und Schweden sogar mehr als vorher. Es verwundert nicht, dass angesichts dieser Folgen die privatisierten Bahnen Anteile am Verkehrsmarkt verloren haben und die PKW-Dichte erheblich angestiegen ist. Das wird noch befördert durch die Tatsache, dass Konkurrenten der Bahn, zum Beispiel private Bus- und Fluggesellschaften, sich nach einem Börsengang einkaufen können und die Bahn dort verdrängen, wo es diesen Unternehmen nutzt. Genau das ist in Großbritannien der Fall.
Klimaschutz auf dem Abstellgleis
Einst waren die USA das Land der Eisenbahnen. In keinem anderen Land »gab es eine derart stringente Orientierung auf den Charakter einer privaten Eisenbahn. Nirgendwo reicht der Niedergang [der Bahn, F.E.] weiter«, schreibt der Verkehrsexperte Winfried Wolf in seinem neuen Buch »Verkehr. Umwelt Klima«. In den USA beträgt der Anteil der Schiene am Personenverkehr nur noch 0,3 Prozent (EU-15-Staaten: 5,9 Prozent, Deutschland: 6,9 Prozent).
EU-Kommission und Bundesregierung verfolgen eine Verkehrspolitik, die der in den USA ähnelt. Ihre selbst gesteckten Ziele zum Schutz des Klimas werden sie auf diese Art nicht erreichen. Das würde erfordern, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, statt diese zurechtzustutzen.
Weitere Proteste
Auf dem Parteirat der SPD, der am 3. März tagte, ist die Bahnprivatisierung nicht diskutiert worden. Eine Mehrheit für eine Bahnprivatisierung wäre dort auch nicht zustande gekommen. Damit ist Mehdorns Zeitplan durcheinander geraten und die Privatisierungsbefürworter in der Regierung werden es schwerer haben. »Bahn Für Alle« gibt allerdings keine Entwarnung. Das Bündnis hat weitere Aktionstage vor Ostern abgekündigt.
Mehr auf marx21.de:
- Regierungsbericht: Nach Börsengang drohen Kürzungen bei Strecken und Sicherheit
Mehr im Internet:
- Bündnis »Bahn für Alle«
- Buchtipp: Winfried Wolf, »Verkehr.Umwelt.Klima«
DIE LINKE und Bahn:
- Beschluss des Parteivorstandes: Keine Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn
- Linksverkehr (Informationsblatt der verkehrspolitischen Sprecherin der LINKEN im Bundestag)