Die Bahnbosse haben gestern beim Mainzer Arbeitsgericht eine einstweilige Verfügung gegen den Warnstreik der Lokführer erreicht.
Doch zunächst hat die Lokführergewerkschaft GDL den für 8 Uhr am Dienstag angesetzten Warnstreik durchgeführt, weil ihr die Verfügung bis dahin noch nicht zugestellt worden war. 140 Nah- und Fernverkehrszüge waren am Morgen blockiert, berichtete das Handelsblatt. Das Blatt berief sich dabei auf Angaben des Bahnchefs Mehdorn. Der Streik zeigte seine Wirkung laut Handelsblatt beim Nahverkehr im Rhein-Main-Gebiet, in Berlin, München, Hannover, Stuttgart, Hamburg sowie in der Region Rhein-Neckar. Im Fernverkehr konnten Züge in Hessen, Berlin, Hamburg und Hannover nicht fahren.
Um 10.15 Uhr wurde der bundesweite Streik dann beendet. Die GDL hat bekannt gegeben, sie wolle alle "ihr zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ausschöpfen. Darüber hinaus wird sie allen Mitgliedern Rechtsbeistand gewähren, die infolge ihrer Streikteilnahme abgemahnt oder gekündigt werden." Dennoch sei der Streik auch an diesem Tag ein Erfolg gewesen, so die GDL.
Begründet hat das Arbeitgericht sein Verbot damit, dass der Streik angeblich gegen die Friedenspflicht verstoße. Denn die GDL verlange neben Entgelterhöhungen auch die Abänderung ungekündigter Tarifverträge. Die GDL hingegen sagt, sie habe zu keiner Zeit gegen die Friedenspflicht verstoßen.
Die Bahnbosse prüfen derzeit, ob das Unternehmen die Gewerkschaft für die "Schäden" durch den Ausfall von Zügen zur Kasse bitten kann. Gegenüber den Lokführern bleibt Bahnchef Mehdorn stur. Er will beim Gespräch mit der GD am Freitag nur das Angebot vorlegen, mit dem die beiden anderen Gewerkschaften Transnet und GDBA am Montag abgeschlossen haben. Einen eigenen Tarifvertrag will der Bahnchef mit der GDL nicht abschließen.
Scharfe Kritik seitens der Lokführergewerkschaft findet das Vorgehen der Bosse gegen Streikende. Laut GDL haben "Arbeitgebervertreter mit Falschinformationen und nicht abgestimmten Notdienstvereinbarungen insbesondere auf die Lokomotivführer eingewirkt und diese während des Streiks mit Nachdruck zur Arbeitsaufnahme aufgefordert haben." Das sei auch ein Grund für den Abbruch des Streiks gewesen.
Die GDL besteht auf einem eigenen Tarifvertrag. Sie fordert ein Anfangsentgelt von 2500 Euro für Lokführer, 2180 Euro für Zugbegleiter und 1820 Euro für Gastromitarbeiter, sowie die Verkürzung der Arbeitszeit von 41 auf 40 Wochenstunden. Außerdem will sie eine stufenweise Erhöhung des Entgelts je nach Konzernzugehörigkeit und Berufserfahrung durchsetzen.
Bisher bekommt ein Lokführer rund 1500 Euro netto im Monat: "Das ist völlig unangemessen. Das Fahrpersonal trägt schließlich eine große Verantwortung für Mensch und Material", sagte der GDL-Bundesvorsitzende Manfred Schell. Lokführer und Zugbegleiter hätten im ständigen Schicht- und Wechseldienst ihren Beitrag zur Sanierung der Bahn schon mehr als erfüllt. Seit der schrittweisen Privatisierung der Bahn ab 1994 haben sie einen Reallohnverlust von 9,5 Prozent in Kauf nehmen müssen.
Die Mehrheit der Bevölkerung hat Verständnis für die Forderungen der Lokführer. Bei einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Bild am Sonntag erklärten 59 Prozent der Befragten, Lokomotivführer sollten künftig "deutlich mehr Geld" verdienen. Nur 25 Prozent waren nicht dieser Meinung.
Hintergrund:
marx21-Analyse: "Bahn: Der Kampf ist nicht zu Ende"