Die LINKE hat ihre Wahlziele in Hessen erreicht. Wir wollten Schwarz-Gelb in der Regierung abwählen und wir wollten wieder in den Landtag einziehen. Wie kann es für DIE LINKE jetzt weitergehen?
DIE LINKE hat zum dritten Mal den Einzug in den Hessischen Landtag geschafft. Das ist ein wichtiger Erfolg, der über Hessen hinaus in die Gesellschaft und unsere Partei ausstrahlt. Deutlich mehr Menschen als bei der letzten Landtagswahl haben der hessischen LINKEN ihre Stimme gegeben. Das ist einerseits dem Auftreten der Bundespartei geschuldet, die am 22. September ebenfalls zur Wahl stand, vor allem aber das Ergebnis des Einsatzes der hessischen LINKEN in den vergangenen fünf Jahren. Die hessische LINKE hat als Landesverband, im Hessischen Landtag und an vielen, vielen Orten kommunal Initiativen mitgetragen und unterstützt, in denen sich Menschen gegen neoliberale Politik, gegen Kürzungen, soziale Verschlechterungen, gegen Rassismus, Fluglärm oder behördliche Willkür zusammengeschlossen haben. Wir haben uns an betrieblichen Auseinandersetzungen oder zuletzt an den Blockupy-Protesten beteiligt. Wir sind an der Seite der Aktiven auf die Straße gegangen und haben ihren Anliegen in den Parlamenten öffentlich Gehör verschafft. Das hat der LINKEN Glaubwürdigkeit eingebracht und sie zu einem Ansprech- und Bündnispartner für Bewegungen und Gewerkschaften gemacht.
Kürzungen bis es es quietscht
Wir wollen einen dringend nötigen Politikwechsel in vielen gesellschaftlichen Bereichen. Wir wollen ein Bildungssystem, in dem Chancen nicht nach dem Geldbeutel der Eltern vergeben werden, sondern wo jedes Kind seinen Bedürfnissen entsprechend gefördert wird. Wir wollen den wachsenden Niedriglohnsektor in Hessen zurückdrängen, damit Menschen von ihrer Arbeit wieder leben können. Das Land Hessen soll in die Tarifgemeinschaft der Länder zurückkehren. Wir wollen ein Ende von Privatisierungen und PPP-Projekten und stattdessen die Rücküberführung privatisierter Einrichtungen an die öffentliche Hand. Wir wollen die unerträgliche Verlärmung der Rhein-Main-Region durch den Frankfurter Flughafen beenden und vieles mehr.
Viele in den Gewerkschaften, in den sozialen Verbänden und Umweltorganisationen, in Bürgerinitiativen und darüber hinaus setzen große Hoffnungen in eine neue Landesregierung, die ihre Forderungen und die aus dem LINKE-Wahlprogramm umsetzen soll. Diese Hoffnungen sollten wir als LINKE aufgreifen und unterstützen, aber um spürbare Veränderungen durchzusetzen, wird weiter politischer Druck nötig sein, in den Parlamenten und außerhalb.
Denn zum einen stehen uns Parteien gegenüber, denen im Zweifelsfall Haushaltskürzungen wichtiger sind als die sozialen Anliegen der Bevölkerung. Und falls auf Bundesebene keine spürbaren Steuererhöhungen für Reiche und Unternehmen beschlossen werden, bedeutet die Schuldenbremse, dass der Landeshaushalt in der kommenden Wahlperiode bis 2019 im Vergleich zu heute (2013) um 1,4 Milliarden Euro gekürzt werden muss. Zum Vergleich: Das Kürzungsprogramm der Regierung von CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch von 2003 bedeutete eine Kürzung von 1 Milliarde. SPD und Grüne kündigen auf Bundesebene schon jetzt an, Steuern nur erhöhen zu wollen, um damit bestimmte Projekte zu finanzieren. Für eine pauschale Verbesserung der Landeshaushalte werden sie sich in den anstehenden Koalitionsgesprächen nicht stark machen. In Hessen hat der Grünen-Vorsitzende Tarek al-Wazir erklärt, dass er eine Reduzierung der Ausgaben des Landes für erforderlich hält (FAZ, 09.10.2013). Wenn die neue Landesregierung sich an die Vorgaben der Schuldenbremse halten will, wird sie kürzen müssen, »bis es quietscht«, wie es der damalige SPD-Finanzsenator Thilo Sarrazin seinerzeit für Berlin ankündigte.
DIE LINKE darf nicht enttäuschen
Zum anderen stehen hinter der Umverteilungspolitik von unten nach oben mächtige Interessen aus dem Unternehmerlager, die schon frühere linke Regierungsprojekte torpediert haben. Als zum Beispiel die erste rot-grüne Koalition in Hessen in den 80er Jahren eine sozial-ökologische Wende ankündigte, drohte das Chemieunternehmen Hoechst AG mit dem Abzug seiner Produktionsstätten aus Hessen. Der Zuständigkeitsbereich des Umweltministers Fischer wurde daraufhin massiv zusammengestrichen.
Auch die Erfahrungen mit der raschen »Entzauberung« der LINKEN durch die Arbeit im rot-roten Senat in Berlin zeigt die großen Risiken, auf die sich gerade linke Parteien einlassen, wenn sie in Zeiten knapper Kassen an die Regierung kommen. Auch in Berlin hatten Gewerkschaften und Bewegungen Druck auf die LINKE gemacht, eine Regierungskoalition mit der SPD einzugehen. Vor dem Hintergrund der Finanznot des Landes beschloss der Senat schon bald schmerzliche Kürzungen im öffentlichen Dienst und enttäuschte auch sonst die Hoffnungen der rot-roten Wählerschaft. Es dauerte nicht lange, bis es die ersten Demonstrationen gegen den rot-roten Senat gab. Am schwersten enttäuscht waren Aktive aus Gewerkschaften und zum Beispiel aus den Mieterinitiativen von der LINKEN, weil ihre Hoffnungen in sie größer gewesen waren als in die SPD. Nach seinen Erfahrungen warnt Harald Wolf, ehemaliger Berliner Wirtschaftssenator im rot-roten Senat, vor solchen Koalitionen, denn sie bedeuten »permanenten Einigungszwang mit SPD und Grünen«, den »Ausschluss abweichenden Stimmverhaltens in der Koalition – und Koalitionszwang.«
Versprechen auch nach der Wahl einhalten
»Wechselnde Mehrheiten« dagegen, argumentiert er weiter, »bedeuten gleichzeitig einen Zugewinn an Demokratie, weil politische Entscheidungen wieder aus den Hinterzimmern der Koalitionsausschüsse und Kungelrunden ins Parlament verlagert werden und unterschiedliche politische Konzepte wieder deutlich werden und öffentlich ausgetragen werden.« (»Wechselnde Mehrheiten statt Rot-Grün«, Cicero, 5. August 2013)
2008 hatte DIE LINKE in Hessen beschlossen, dass sie nur eine Regierung unterstützen kann, die keinen Sozialabbau, keine Privatisierungen und keinen Stellenabbau plant. Das ist die Schranke gegen die Fortsetzung der Umverteilung von unten nach oben, gegen die Unterstützung weiterer Verschlechterungen für die Mehrheit der Bevölkerung. Damals sagten wir: Es gibt noch etwas Schlimmeres als Schwarz-Gelb, nämlich einen Verrat der LINKEN. Das gilt auch heute. Wir haben versprochen: Sozial – vor und nach der Wahl.
Wichtig ist, dass DIE LINKE ihre gute Arbeit weiterführt und die politische Selbstorganisation der Menschen nach Kräften unterstützt, die für ein menschenwürdiges Leben für alle und gegen das Diktat von Banken und Konzernen kämpfen.
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