US-Präsident Obama hätte die drohende Fiskalklippe nutzen können, um Steuern für Reiche und Konzerne zu erhöhen. Stattdessen hat er Beschäftigte und Arme zahlen lassen. Von Hans Krause
Viel versprochen hatte er im Wahlkampf nicht. Aber ein bisschen mehr »change« wollte Barack Obama schon durchsetzen, vor allem eine Steuererhöhung für alle mit einem Einkommen über umgerechnet 190.000 Euro im Jahr. Dieser Plan war im November einer der Hauptgründe für den Wahlsieg Obamas, der seinen Gegner Mitt Romney zu Recht als Politiker für Millionäre darstellte.
Die Verhandlungen zur Umgehung der Fiskalklippe wären für den Präsidenten die Möglichkeit gewesen, seinen Worten Taten folgen zu lassen. Zahlreiche Steuersenkungen für Reiche, die Präsident Bush eingeführt hatte, sind Ende 2012 ausgelaufen.
Steuersenkungen für Besserverdiener
Obama hätte diese Gelegenheit nutzen können, um die Staatsverschuldung zu begrenzen, ohne bei Beschäftigten und Armen zu kürzen. Doch sein Verhandlungsergebnis lässt diese Chance ungenutzt.
Bushs Steuersenkungen werden nur für Reiche aufgehoben, die mehr als umgerechnet 310.000 Euro im Jahr verdienen. Allen anderen Wohlhabenden bleiben die niedrigen Steuersätze nicht nur erhalten. Sie wurden zudem in einem jetzt unbefristeten Gesetz festgeschrieben.
Anderer Sozialabbau
Stattdessen wird das meiste der größeren Einnahmen für den Staat durch Erhöhung der Lohnsteuer erzielt. Diese Erhöhung trifft etwa 160 Millionen Menschen in den USA, und sie trifft sie hart: Beispielsweise muss jemand mit einem Jahreseinkommen von umgerechnet 38.000 Euro jetzt etwa 770 Euro mehr Steuern zahlen.
Dass Obama und die Medien das Umgehen der Fiskalklippe dabei als sozialen Erfolg verkaufen, ist eine Propaganda-Lüge. In Wirklichkeit wurden die Kürzungen und Steuererhöhungen nur verhindert, indem durch den neuen Haushalt anderer, aber nicht weniger Sozialabbau beschlossen wurden.
Lohnsteuer erhöht
So haben Demokraten und Republikaner mit ihrer Einigung beispielsweise umgerechnet 23 Milliarden Euro für die Arbeitslosenhilfe erhalten. Gleichzeitig wurde die Lohnsteuer aber um 92 Milliarden Euro erhöht. Während niedrige Steuern für viele Wohlhabende unbefristet festgeschrieben wurden, sind Budgets für Kinderbetreuung und Bildung erneut auf fünf Jahre begrenzt und fallen dann weg, wenn nichts anderes beschlossen wird.
Hinzu kommen Steuersenkungen für verschiedene Großkonzerne, die von Politikern und Medien fast nie erwähnt werden, aber insgesamt umgerechnet 160 Milliarden Euro ausmachen. So erhält beispielsweise die Investmentbank Goldman Sachs 1,2 Milliarden Euro aus einem Budget für die Opfer der Anschläge vom 9. September 2001. Begründung: Durch die Anschläge wurde ein Hochhaus von Goldman Sachs zerstört.
Weitere Kürzungen drohen
Und obwohl die Einzelheiten der Beschlüsse eine Ansammlung von milliardenschweren Ungerechtigkeiten sind, steht den US-Amerikanern die größte Katastrophe möglicherweise noch bevor. Denn vereinbart wurde auch, im März über die Erhöhung der Schuldenobergrenze für den Haushalt zu verhandeln.
Als diese Grenze 2011 das letzte Mal erhöht wurde, hat Obama sich das von den Republikanern mit der Zustimmung zu Kürzungen über umgerechnet 770 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren erkauft. Führende Politiker der Republikaner fordern jetzt, die aus ihrer Sicht bisher unzureichenden Kürzungen in diesen Verhandlungen nachzuholen.
Stimmung nicht genutzt
Ursache für diese schlechte Vereinbarung war nicht die Einstellung der US-Amerikaner, die zu Unrecht oft als unverbesserliche marktliberale dargestellt werden. Vielmehr ergaben Umfragen im Dezember, dass zwei Drittel der Bevölkerung für deutliche Steuererhöhungen für Reiche sind.
Doch Obama ließ einmal mehr die Chance ungenutzt, die öffentliche Meinung in Beschlüsse umzusetzen oder gar die Occupy-Bewegung anzusprechen, um mit ihr für einen sozialen Staatshaushalt zu demonstrieren. Stattdessen gab der Präsident erneut alle Trümpfe aus der Hand und überließ den marktliberalen Fanatikern der Republikaner einen Sieg, den sie niemals verdient hatten.
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