Die Kanzlerin verbreitet Optimismus über die Wirtschaftslage, doch die Hauptabnehmer deutscher Waren stecken in der Krise. Merkels Hoffnung ist auf Sand gebaut, meint Volkhard Mosler
Laut Umfrage der ARD vom 5. Januar ist die Akzeptanz von Kanzlerin Angela Merkel Ende Dezember um 7 Prozentpunkte auf 63 Prozent gestiegen. Ähnlich auch die von Wolfgang Schäuble und Thomas de Maizière.
Deutschland gehe es gut, sagte Merkel in ihrer Neujahrsrede. Zur Unterstreichung trat ein paar Tage später Arbeitsministerin Ursula von der Leyen mit den neuen Zahlen zum Arbeitsmarkt vor die Presse: »Zum ersten Mal« sei »die Marke von 41 Millionen Erwerbstätigen geknackt worden… mehr als 700.000 sozialversicherungspflichtige Jobs« seien in den vergangenen zwölf Monaten entstanden.
Doch abgesehen davon, dass die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden niedriger liegt als 1994 und die Zahl der Erwerbstätigen zwar gestiegen ist, aber zugleich die bezahlte Arbeit abgenommen hat (und die »gute Arbeit« erst recht), stellt sich angesichts der Rahmenbedingungen im Euroraum die Frage, ob der gegenwärtige Aufschwung auf Basis der Exporterfolge auch 2012 anhalten wird.
Rezession im Euroraum
In der FAZ war unter der Überschrift »Die deutsche Insel« zu lesen: »Der Euroraum rutscht 2012 in eine Rezession. Der ganze Euroraum? Nein. Ein Land hört nicht auf Widerstand zu leisten, Deutschland. Das könnte gut gehen. Solange Berlin nicht doch noch der Euro-Himmel auf den Kopf fällt.«
Hält man die wirtschaftliche Entwicklung der ersten eineinhalb Wochen dagegen, dann erhält die Einschränkung des letzten Satzes ihre ganze Bedeutung. Der Eurokurs gegenüber dem Dollar ist auf einen Tiefststand gerutscht (1,27) und signalisiert eine Flucht aus dem Euro.
Die niederländische Regierung hat in der Auseinandersetzung um eine Aufstockung des Euro-Rettungsfonds die Seite gewechselt und kritisiert zusammen mit Italien, Frankreich und anderen die »zögerliche Haltung« Merkels. Andere Schlagzeilen wiesen in die gleiche Richtung: »IWF zweifelt an Griechenlands Sanierung«, »Anleger finden Frankreich riskanter als Entwicklungsländer«, »Ungarn am Abgrund«, »Italien steht die Rezession ins Haus, Frankreich die Stagnation«.
Billiglöhne finanzieren Export
Die FAZ zitiert den Konjunkturforscher Scheide: »Die Exportnachfrage ist eingebrochen«. Es sei durchaus fraglich, »ob die deutsche Wirtschaft sich wirklich so spürbar vom Reste Europas abkoppeln könne wie im vergangenen Jahr«. Vor allem deshalb, weil »der Abschwung synchron auf der ganzen Welt stattfinde.« Auch China wachse langsamer als zuvor, »das spüren die deutschen Exporteure.«
Noch hält der von Merkel versprühte Optimismus. Die große Mehrheit, die dem Heer der Millionen Niedriglöhner, Zeitarbeiter, Teilzeitbeschäftigten, Praktikanten nicht angehört, ist bereit die Augen zu schließen. Leider herrscht in den Reihen der Gewerkschaftsführungen der Exportindustrien (Metall, Elektro, Maschinenbau, Chemie, Auto) eine stillschweigende Übereinkunft mit der Politik des »Exports der Krise«. Dabei wären die kommenden Tarifrunden in Chemie, Metall und öffentlichem Dienst eine gute Gelegenheit, diese Politik von unten herauszufordern.
Mehr auf marx21.de:
- »Wir haben nicht das Interesse, die Währungsunion zu retten«: Griechenland soll raus aus dem Euro und die deutsche Linke dringend ihre Haltung zu Europa überdenken. Costas Lapavitsas ist nicht nur Professor für Ökonomie, sondern auch ein Freund der klaren Worte. Ein Interview, das reichlich Diskussionsstoff liefert
- Superstaat unter deutscher Führung: Diktieren die Banken wirklich die Politik in der Eurozone? Thomas Walter antwortet auf unser Interview mit Costas Lapavitsas