„Feindbild Islam – Der neue Rassismus?" – lautete der Titel einer Podiumsdiskussion auf der Marx is' Muss Konferenz 2007 in Berlin. Marx21 dokumentiert den Redebeitrag von Marwa Al-Radwany.
Das Feindbild Islam existiert nicht erst seit gestern, sondern blickt kulturgeschichtlich auf eine lange Tradition der Bipolarität zwischen Europa und dem Orient zurück. In unserem kollektiven Gedächtnis ist der islamische Orient schon als das andere, fremdartige, rückständige und geheimnisvolle Land von Tausendundeiner Nacht tradiert. Dies wird von dem palästinensisch-amerikanischen Literaturtheoretiker Edward Said 1978 als kulturelle Konzepttheorie unter dem Namen „Orientalismus" begründet, die in ihrer Kernthese bis heute Gültigkeit beweist und ihren Niederschlag in jüngeren Theorien wie derer des „kritischen Okzidentalismus" findet. Als Feindbild-Ideologie medieneffektiv re-aktiviert wurde diese Dichotomie aber spätestens 1990 mit dem 2. Golfkrieg. Dabei möchte ich nur an die Debatte im SPIEGEL mit Wolf Biermann oder Hans-Magnus-Enzensberger erinnern. Besonders seit den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington hat das Wort ‚Islam' aber eine derartige Symbolkraft bekommen, dass die bloße Nennung in der Öffentlichkeit schon tausendfache Assoziationen hervorruft – meistens negative.
Das Feindbild Islam ist jedoch mehr als ein theoretisches Phänomen für Islamwissenschaftler oder ein Imageproblem für Muslime, wie es manche behaupten wollen. Wir haben es hier mit einem greifbaren Problem zu tun, mit handfesten Auswirkungen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Sozialwissenschaftliche Studien belegen, dass die Zustimmung zu islamophoben Äußerungen in den letzten Jahren stark zugenommen hat1; in Deutschland wurden seit dem 11. September weit über 70 Razzien in Moscheen und über 1400 Haus- und Bürodurchsuchungen ausgelöst2 – übrigens kam bei keiner ein nennenswerter Straftatbestand heraus – und es wurden seit 1981 mindestens 63 Übergriffe auf Moscheen gezählt3.
Besonders ausdrucksstark sind die Reaktionen in den Ländern, in denen es Attentate islamistischer Fundamentalisten gegeben hat: So wurden z.B. in London in den ersten drei Tagen nach den Anschlägen auf die U-Bahn der Polizei 180 rassistische Übergriffe auf Muslime gemeldet und 58 Verbrechen mit islamophober Motivation (also z.B. Sachbeschädigung) wurden registriert. Im selben Zeitraum im vorigen Jahr gab es einen einzigen Fall4.
Nun könnte man behaupten, dass sich in diesem Falle der Volkszorn entladen habe und die Zahlen nicht repräsentativ für den Normalzustand der britischen Gesellschaft seien. Vordergründig lässt sich das bestätigen. Jedoch ist dieser ‚Volkszorn' nicht aus dem Nichts entstanden, sondern wurde in den vergangenen Jahren politisch gezielt geschürt.
Das Feindbild Islam ist politisch gewollt und wird medial inszeniert und bestärkt. Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Untersuchungen verschiedenster Disziplinen über die Darstellung des Islams in Presse und Fernsehen, über Wortwahl, Repräsentation und gezielte Medienmechanismen, die zu nennen hier den Rahmen sprengen würden5. Aber es sollte uns alleine zu denken geben, dass von 133 Sendungen auf ARD und ZDF in 81 Prozent der Fälle der Islam in Zusammenhang mit negativ konnotierten Themen repräsentiert wurde6.
Ein weiteres typisches Beispiel für die mediale Repräsentation von Muslimen ist die Anekdote Bekir Albogas, Sprecher des Koordinierungsrates der Muslime. Er war zur Talkshow bei Sabine Christiansen eingeladen und wurde wenige Tage später wieder ausgeladen, weil seine Ansichten zu gemäßigt waren; man wollte einen radikaleren Moslem für die Sendung.
Wer braucht jedoch ein solches Feindbild Islam und wozu dient es?
Im globalen Rahmen dient das Feindbild Islam imperialistischen Ansprüchen; der Krieg gegen den Terror ist hier zu nennen – übrigens ein räumlich wie zeitlich unbegrenzter Krieg ohne genau definierten Feind, was auch schon eine historische Besonderheit darstellt. Weiterhin können ‚harte' geostrategische Ziele wie beispielsweise die Gewinnung von Ölressourcen mit dem Argument des „Kulturkampfs" weich ummantelt werden. In der nationalen oder lokalen Politik dient der Islam oft als willkommene Ablenkung von hausgemachten Problemen wie verfehlter Einwanderungspolitik, als Mittel zur Einschüchterung von Minderheiten, der Spaltung der Marginalisierten und Ausgebeuteten oder zur Verdeckung ganz anderer Interessenkonflikte. Das bezieht sich im Übrigen nicht nur auf Deutschland; in China wurden in der überwiegend von Muslimen bewohnten Provinz Xinjiang unter dem Label „Bekämpfung islamistischen Terrors" über 50 Menschen zum Tode verurteilt und weitere tausend verhaftet, Moscheen geschlossen usw.
Unter den Vorzeichen eines globalen Feindbilds Islam wird der permanente Diskurs über ‚den' Islam und ‚die' Muslime in sämtlichen Feuilletons und Talkshows geführt. Die Anführungszeichen setze ich, weil wir, wenn wir von ‚den' Muslimen sprechen, immer bedenken müssen, dass wir dabei von 1,2 Milliarden Menschen reden, die über die Welt verteilt von Tunesien bis Indonesien leben – als einer scheinbar homogenen Gruppe wohlgemerkt!
Dieser Diskurs ist ein rassistischer Diskurs. Denn Rassismus beginnt, in seiner frühesten Stufe, mit der Markierung einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe als ‚anders'. Gleich einem Scheinwerfer wird der Fokus auf diese Gruppe gerichtet und es werden Eigenschaften ausgemacht, die die Gruppe als eine Out-Group definieren, als ein Gegenpol zum ‚Wir'. Im Fall der Islamophobie ist die Eigenschaft, die im Rassismus des 20. Jahrhunderts noch biologisch erkennbar war, die vermeintliche Zugehörigkeit zur Religion des Islam, wobei implizit eine quasi-ethnische oder pseudo-kulturelle Zugehörigkeit zu einer „Religionskultur Islam" gemeint wird. Nachdem diese Gruppe gesellschaftlich markiert und fokussiert wird, werden Beobachtungen von Eigenschaften und Taten immer im Zusammenhang der Gruppenzugehörigkeit gesehen (Die Türken handeln so, weil sie Muslime sind etc.). Die Hervorhebung von Unterschieden und die Wertung dieser Unterschiede stellen die wesentlichen Elemente von Rassismus dar.7
Diese Fokussierung alles Islamischen finden wir in der „Islamisierung" aller sozialen oder gesellschaftlichen Problemstellungen wie z.B. Homophobie, Frauenunterdrückung, Machismo, Jugendgewalt, Antisemitismus – scheinbar alles genuin islamische Phänomene, wenn man den Medien glauben will.
Es gibt jedoch nicht nur islamische Ehrenmorde, es gibt auch ‚deutsche' oder ‚europäische' Ehrenmorde, nur werden diese meistens „Familiendramen" genannt; sie sind den vermeintlich „islamischen" laut juristischer Empirie zahlenmäßig aber nicht unterlegen. Es gibt auch, dies sage ich polemisch, ‚christliche Ehrenmorde': Im südlichen Italien z.B. ist dies ein bekanntes Phänomen. Es gab im bürgerlichen Gesetzbuch des katholischen Italien sogar bis in die 60er Jahre einen Paragraphen, der einen Mann, der seine Frau umbrachte, weil sie ihn betrogen hatte, lediglich des Totschlags und nicht des Mordes schuldig sprach, da es sich ja um ein Ehrenverbrechen, un „delitto d'onore", handelte.
Und es gibt auch überall auf der Welt, sei es in Afrika, Lateinamerika oder Indien (also auch unter Christen, Hindus oder Volksreligionen) Frauenunterdrückung und gesellschaftlich legitimierte Gewalt gegen Frauen. Wir finden sie z.B. häufig in strukturschwachen Regionen, die einer Turbomodernisierung oder Industrialisierung unterzogen worden sind.
Wir täten also gut daran, die Ursachen für Frauenunterdrückung woanders als im Islam zu suchen.
Dabei ist mir wichtig zu sagen, dass es nicht darum gehen soll, bestehende gravierende Probleme nicht anzusprechen oder kulturrelativistisch unter den Tisch zu kehren, sondern darum, das diffamierende Attribut „islamisch" wegzulassen, um dem Kern der Probleme beizukommen, der eher in ökonomischen Verhältnissen, sozialen Problemen, fehlender gesellschaftlicher Anerkennung u.a. liegt.
Die Islamisierung der Probleme vollzieht sich mittlerweile so unbemerkt, weil sie in unsere Alltagssprache eingegangen ist. Wenn beispielsweise gefordert wird, man wolle in einen Dialog mit dem „moderaten Islam" eintreten, dann impliziert dies rein semantisch, dass der Islam an sich, im Grundkern, nicht moderat ist.
Sollte es uns nicht zu denken geben, wenn eine Religion per se pauschal als gefährlich benannt wird?
Ein weiteres Beispiel aus dem Alltagswissen sind die Zahlen über „Muslime in Deutschland". Immer wieder liest man in offiziellen Angaben die Zahl, das ca. 2,8-3,2 Millionen Muslime in der Bundesrepublik leben, dass ihr Anteil also ca. 3,5% der Gesamtbevölkerung beträgt. Woher kommen diese Zahlen? Deutschland erhebt keine Daten über die religiöse Zugehörigkeit, lediglich das Finanzamt über die Mitglieder der katholischen und evangelischen Kirche aufgrund der Kirchensteuer. Woher werden sie dann zitiert?
Die Daten werden aus unterschiedlichsten Stellen generiert: Schätzungen von Migranten aus Ländern mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung bzw. dem Islam als Staatsreligion wird der geschätzte Prozentsatz nicht-muslimischer Bewohner (basierend auf deren Verteilung im Herkunftsland) abgezogen; weiterhin wird eine halbe Million MuslimInnen mit deutscher Staatsbürgerschaft (aus Eingebürgerten mit mehrheitlich muslimisch bewohntem Herkunftsland) hinzuaddiert.8 Eigentlich handelt es sich bei den ca. 3 Millionen Menschen um Menschen mit muslimischen Hintergrund, nicht aber um Muslime, denn die Unterstellung, die der deutsche Staat hierbei trifft, liegt darin, vorauszusetzen, im Leben dieser Menschen spiele der Islam eine bestimmende Rolle. Ebenso wenig würden sich sämtliche Deutschen als Christen bezeichnen lassen wollen. Problematisch sind diese amtlichen Zahlen insofern, da mit ihnen ‚Muslime in Deutschland' als quasi homogene Entität angesehen und als eine spezifische, gesonderte Bevölkerungsgruppe behandelt werden und nicht als Bürger unter Bürgern, die teilweise schon seit über 40 Jahren hier leben und die, was die ökonomische, soziale und auch kulturelle Lebenssituation betrifft, viel gemein haben mit ‚herkunftsdeutschen' Durchschnittsbürgern. Darin zeigen sich auch die rassistischen Wirkungsmechanismen: ‚Muslime' werden als Problem oder Fremdkörper im Staat gehandelt, deren zuständiges staatliches Organ der Verfassungsschutz ist.
Meine Erfahrung in linken Kreisen ist, dass die allerwenigsten Organisationen und Parteien eine klare Analyse des Feindbilds noch eine konkrete Programmatik aufgestellt haben. Schlimmer noch, in manchen Teilen der Linken, die sich in anderen Fragen äußerst progressiv gerieren, wird beim „Fall Islam" kein Handlungsbedarf gesehen oder es finden sich sogar den populistischen Islamkritikern unterstützende Positionen. Meistens überwiegt jedoch eine Unsicherheit in Fragen zum Umgang mit Muslimen.
Woher rührt diese Unsicherheit in der Linken?
Vorwiegend aufgrund zweier Themen: Dem Casus Religion und der Frauenfrage. Eine Religion zu verteidigen widerstrebt dem Prinzip der Säkularisierung – die heilige Kuh aller Linken. Dabei wird häufig übersehen, dass es überhaupt nicht darum gehen soll, den Islam als Religion zu verteidigen, sondern die Menschen, denen eine – oft auch potentielle Anhängerschaft zu dieser Religion zugeschrieben wird. Diese Menschen werden strukturell diskriminiert. Daher betrachte ich es als meine Pflicht, das Recht dieser Menschen, eine Moschee zu bauen, auch mit Straßendemonstrationen zu verteidigen. Besonders wenn auf den zahlreichen Anti-Moscheedemonstrationen in jüngster Zeit NPD-Mitglieder und Vorsitzende der CDU einträchtig nebeneinander marschieren, wie ein Berlin geschehen. Selbst wenn ich Religion für überflüssig halte und Moscheen mich nicht interessieren: Es geht um die Verteidigung von Grundrechten, nämlich derer auf Religions- und Versammlungsfreiheit, die diesen Menschen genommen werden soll. Die Muslimfeindlichkeit ist ein beliebtes Thema für neonazistische Gruppierungen geworden (man braucht sich nur einmal entsprechende Internetseiten anzuschauen) und allein das sollte für uns Grund genug sein, dem öffentlich entschieden entgegen zu halten.
Der zweite Widerstand der Linken ist die erwähnte Frauenfrage. Diese wird in der aktuellen Debatte um muslimische Frauen äußerst scheinheilig behandelt und frau muss sich manchmal fragen, ob es in den erhitzten Debatten wirklich um das Wohl und die Freiheit der muslimischen Frauen geht oder nicht vielmehr um eine hegemoniale Verteidigung ideologischer Werte. Da dieses Thema von meiner Nachrednerin ausführlich behandelt wurde, möchte ich nicht zu lange darauf eingehen. Lassen Sie mich lediglich ein paar Fragen stellen:
Wie kann ich es als Feministin vertreten, dass der Staat allein die Deutungshoheit über ein Kleidungsstück und deren Trägerin hält, wie das in den Gesetzen zum Kopftuchverbot zum Tragen kommt? Ist es nicht vollkommen paternalistisch zu behaupten, alle Kopftuchträgerinnen seien per se unterdrückt (und vielleicht nur zu rückständig um dies zu erkennen) um anfolgend die Methode ihrer ‚Befreiung' mit staatlichem Zwang vorzuschreiben – einem Zwang zur Anpassung an westliche Kleidungsnormen? Was ist das für ein Signal an die Frauen?
Muss ich es als Frau nicht akzeptieren oder wenigstens nachvollziehen, wenn es für eine Gruppe von Frauen ein Weg ist, der sexistischen Reduzierungsfalle zu entkommen, indem der Blick auf den Körper weitgehend unterbunden wird und damit das Gegenüber gezwungen wird, lediglich das Gesagte und damit die innere Persönlichkeit wahrzunehmen? Frauenbefreiung und Berufsverbote passen meiner Meinung nach nicht gut zusammen. Als internationalistische, emanzipatorische Linke müssten uns bessere Maßnahmen als Zwang und Berufsverbote einfallen.
Aus Debatten mit Linken habe ich oft Argumente gehört wie: „Na ja, ich kann aber unmöglich für den Moscheebau demonstrieren, denn die Gemeinde XY hat eine problematische Position zu Homosexuellen eingenommen" etc. Die Kritik mag im Einzelnen sicher stimmen, nur wird sie an der ganz falschen Stelle angesetzt, denn damit zäumen wir das Pferd von hinten auf. Eine grundsätzliche Verweigerung der Unterstützung einer wie auch immer definierten Bevölkerungsgruppe oder die Fortführung der rassistischen Spaltung in gute und böse Muslime lässt uns keine gemeinsamen Kämpfe gewinnen. Viele vergessen (vielleicht aufgrund der medial inszenierten Bedrohung) die Tatsache, dass Muslime in Deutschland eine Minderheit darstellen, die oft aufgrund fehlender Staatsbürgerschaft oder eines illegalen Status' nicht die gleichen bürgerlichen Rechte innehat und keine wirkliche Repräsentation besitzt. Für uns sollte in diesem Fall die erste Regel Solidarität heißen. Die Kritik kann und soll dann, innerhalb der Comunity, im Dialog miteinander, kommen. „Es ist heutzutage leichter ein Atomkraftwerk zu bauen als eine Moschee" sagte Ayyub Axel Köhler, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, zum Tag der offenen Moschee. Die momentane Stimmung in Deutschland trifft er damit im Kern.
Die Unsicherheit vieler Linker, das Herumlavieren um Fragestellungen über den Islam und die defensive Haltung halte ich für äußerst gefährlich. Schließlich haben wir es hier mit einer hochaktuellen Problematik zu tun, die zunimmt und globale und immense Auswirkungen hat. Wer sich nur ein wenig mit der Geschichte des Antisemitismus auseinandergesetzt hat, wird gemerkt haben, dass sich in der Art und Weise der gesellschaftlichen Thematisierung des Islam in der Öffentlichkeit erschreckende Parallelen auftun. Ich spreche hier, wohlgemerkt, nicht vom historischen Ausmaß und beziehe mich nicht auf die Zeit nach 1933, sondern auf die diskursiven Praktiken eines aufkeimenden Antisemitismus in der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts.
So lassen sich der Vorwurf der Unterwanderung und Verstellung, die Klage über die Unmöglichkeit der Integration und die Forderung nach Assimilation, die Juden gegenüber gebracht wurden, im heutigen Sprachgebrauch auch gegenüber Muslimen finden (z.B. im Begriff Schläfer). Glaubt man populären Intellektuellen wie Henryk M.Broder oder auch Ralph Giordano, so ist die Frage des Zusammenlebens mit Muslimen die dringendste unserer Tage und die Haltung der westeuropäischen Zivilgesellschaft ihnen gegenüber als entscheidend für das Wohl unserer Zukunft. Ist es da tatsächlich so abwegig, Parallelen zum Paradigma der so genannten „Judenfrage" zu finden, das in dem fürchterlichen Satz Professor von Treitschkes „Die Juden sind unser Unglück" mündete? Im Jahr 1880 gab es eine reichsweite Kampagne in Deutschland mit dem Ziel, Juden ihre bürgerlichen Rechte abzuerkennen. 265 000 Unterschriften wurden gesammelt, in der Mehrheit von Lehrern, Beamten und Priestern, also der Mittel- und Oberschicht.9 Eine Sonderbehandlung von Muslimen wurde zwar vorerst nur in Baden-Württemberg durch den „Leitfaden zur Einbürgerung" geschaffen. Dennoch sollten uns solche Instrumente der Ungleichbehandlung zutiefst beunruhigen, zumal sie auf einer Einschätzung des Innenministeriums beruhen, das von „Zweifeln, ob bei Muslimen generell davon auszugehen sei, dass ihr Bekenntnis bei der Einbürgerung auch ihrer tatsächlichen inneren Einstellung entspreche"10 spricht, das also Menschen muslimischer Religion pauschal als potentielle Lügner abstraft.
Die Linke in Deutschland muss sich der Islamophobie stellen, diese treffsicher als einen Rassismus analysieren und dementsprechend entschieden und offensiv dagegen vorgehen.
Marwa Al-Radwany, November 2007
Anmerkungen:
1 So wurden z.B. in den Umfragen des Allensbacher Instituts für Demoskopie in den letzten vier Jahren rasant steigende Umfragewerte zu Aussagen festgehalten, nach denen „der Islam uns bedroh[e]" oder nach denen es „zu Spannungen mit der muslimischen Bevölkerung in Deutschland" kommen werde (2006: 56 % bzw. 58 %). Vgl.: Noelle,Elisabeth /Petersen, Thomas: „Eine fremde, bedrohliche Welt" In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 114, 17.Mai 2006, S.5. Ähnliches stellt die jährliche Heitmeyer-Studie des Bielefelder Instituts für Sozialforschung fest. Beide Studien sehe ich jedoch nicht unkritisch, da durch die suggestive Fragestellung mit vorgegebenen Aussagen die Zustimmung zu solchen Aussagen leichter zu erhalten ist als wenn es sich um eine qualitative Befragung mit freien Aussagemöglichkeiten handeln würde.
2 Siehe auch: Daniel Bax: „'Die Hemmschwelle vor den muslimischen Gotteshäusern sinkt', sagt Nadeem Elyas" in: tageszeitung 30.07.2004, S. 12
3 Quelle: Zentralinstitut Islamarchiv Soest, eigenes Archiv seit 2004
4 Sotscheck, Ralf: „Wie viel müssen wir weinen?" In: taz, 13.Juli 2005, S. 3
5 Als kompaktes ‚Standardwerk' empfehle ich: Schiffer, Dr. Sabine (2005): Die Darstellung des Islams in der Presse. Sprache, Bilder, Suggestionen. Eine Auswahl von Techniken und Beispielen. Würzburg: Ergon-Verlag. Einen Überblick gebe ich in: Al-Radwany, Marwa (2007): Die Sprache der Medien: eine exemplarische Analyse der Berichterstattung zum Thema „Islam" in Deutschland. (Am Institut für Slavistik der Universität Potsdam veröffentl. Hausarbeit)
6 Dieser Sachverhalt wurde in einer aufwändigen Studie von Kai Hafez und Carola Richter nachgewiesen. Im Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2006 wurden sämtliche Magazinsendungen, Talkshows, Reportagen und Dokumentationen auf ARD und ZDF hinsichtlich des thematischen Zusammenhangs, in denen der Islam in Erscheinung trat, untersucht. Von 133 Beiträgen befassten sich lediglich 11 mit dem Alltagsleben /sozialen Themen der Muslime. Der größte Teil der Beiträge (40%) stand in Zusammenhang mit den Themen Terrorismus/ Extremismus/ internationale Konflikte. Vgl.: Hafez, Kai / Richter, Carola: „Das Islambild von ARD und ZDF". In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.) (26-27/2007): Aus Politik und Zeitgeschichte. (Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament). Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH: Frankfurt/Main, S. 40-46
7 Vgl. Schiffer 2005: 203 f.
8 Vgl. Spielhaus, Riehm: „Religion und Identität: Vom deutschen Versuch, „Ausländer" zu „Muslimen" zu machen." In: Zeitschrift Internationale Politik, März 2006
9 Goldhagen, Daniel Jonah (1998): Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust. Berlin: Siedler, S. 86
10Aus der Pressemitteilung des baden-württembergischen Innenministeriums vom 14.12.2005
Bibliographie:
Al-Radwany, Marwa (2007): Die Sprache der Medien: eine exemplarische Analyse der Berichterstattung zum Thema „Islam" in Deutschland. Berlin (Am Institut für Slavistik der Universität Potsdam veröffentlichte Hausarbeit) http://www.uni-potsdam.de/u/slavistik/
Al-Radwany, Marwa (2007): Sachbericht zum Workshop »Feindbild Islam« – »Feindbild Westen«?Eine kritische Reflexion gegenseitiger Wahrnehmungen und der gleichnamigen Podiumsdiskussion am 06.07.2007 in der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Berlin: http://www.rosalux.de/cms/index.php?id=14097
Amanuel, Saba : „Frauenfeind Islam? Wie die Frauenzeitschrift ‚Brigitte' an Klischees weiterstrickt". In: Röben, Bärbel (Hrsg.) (1996): Verwaschen und verschwommen : fremde Frauenwelten in den Medien. Dritte Welt Journalistinnen-Netz
Attia, Iman : „Antiislamischer Rassismus. Stereotypen – Erfahrungen -Machtverhältnisse". In: Jäger, Siegfried (1994): Aus der Werkstatt: Antirassistische Praxen. Duisburg: DISS
Attia, Iman (Hg.) (2007): Orient- und Islambilder. Interdisziplinäre Beiträge zu Orientalismus und antimuslimischen Rassismus. Münster: Unrast
Boulangé, Antoine (2004): Der Hidschab, Rassismus und der Staat. Die Kopftuchdebatte in Frankreich. Originalausgabe erschienen in International Socialism, Nr. 102; übersetzter Nachdruck
Cichowicz, Andreas : „Probleme der Wahrnehmung: Der Islam in der deutschen Fernsehberichterstattung." In: Hippler, Jochen / Lueg, Andrea (Hrsg.) (2002): Feindbild Islam oder Dialog der Kulturen. Hamburg: Konkret Literatur Verlag. S.35-48.
Gräfe, Stefanie: „Im Westen nichts Neues. Der Islam als Antithese zum ‚freien Westen'". In: Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi): Forum Wissenschaft http://www.bdwi.de/forum/fw1-02-30.htm (geöffnet am 12.03.2005)
Hafez, Kai : „Antisemitismus, Philosemitismus und Islamfeindlichkeit: ein Vergleich ethnisch-religiöser Medienbilder". In: Butterwegge, Christoph (Hrsg.) (1999): Medien und multikulturelle Gesellschaft. Opladen: Leske & Budrich, S.122-135
Hafez, Kai: „Öffentlichkeitsbilder des Islam. Kultur- und rassismustheoretische Grundlagen ihrer politikwissenschaftlichen Erforschung." In: Disselnkötter, Andreas (Hrsg.) (1997): Evidenzen im Fluss – Demokratieverluste in Deutschland. Duisburg: DISS, S.188-203
Hafez, Kai / Richter, Carola : „Das Islambild von ARD und ZDF". In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.) (26-27/2007): Aus Politik und Zeitgeschichte. (Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament). Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH: Frankfurt/Main, S. 40-46
Hippler, Jochen / Lueg, Andrea (Hrsg.) (2002): Feindbild Islam oder Dialog der Kulturen. Hamburg: Konkret Literatur Verlag
Jedlitschka, Anja (2004): Weibliche Emanzipation in Orient und Okzident. Von der Unmöglichkeit die andere zu befreien. Würzburg: Ergon Verlag
Lueg, Andrea: „Der Islam in den Medien". In: Hippler / Lueg 2002: S. 16-34.
Mamdani, Mahmood (2006): Guter Moslem, böser Moslem. Amerika und die Wurzeln des Terrors. Hamburg: Edition Nautilus
Oestreich, Heide (2005): Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam. Frankfurt am Main: Brandes und Apsel
Pinn, Irmgard: „Muslimische Migranten und Migrantinnen in deutschen Medien". In: Cleve/Ruth/Schulte-Holtey/Wichert (Hrsg.) (1997): Wissenschaft Macht Politik. Interventionen in aktuelle gesellschaftliche Diskurse. Münster: Westfälisches Dampfboot, S.215-234
Pinn, Irmgard, Wehner, Marlies (1995): EuroPhantasien. Die islamische Frau aus westlicher Sicht. Duisburg: DISS
Ruf, Werner : „Islamische Bedrohung?". In: Rosa-Luxemburg-Stiftung, Gesellschaftsanalyse und Politische Bildung e.V.: Standpunkte, Nr. 08/2007, Berlin
Schiffer, Dr. Sabine (2005): Die Darstellung des Islams in der Presse. Sprache, Bilder, Suggestionen. Eine Auswahl von Techniken und Beispielen. Würzburg: Ergon-Verlag
Schiffer, Sabine (2005): „Der Islam der Medien – ein Beitrag der Medienpädagogik zur Rassismusforschung." In: merz, medien + erziehung, Heft 2/05, S. 43 – 48.
Schiffer, Sabine (2005): „Der Islam in deutschen Medien" In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.) (20/2005): Aus Politik und Zeitgeschichte. (Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament). Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH: Frankfurt/Main, S. 23-30
Spielhaus, Riehm : „Religion und Identität: Vom deutschen Versuch, „Ausländer" zu „Muslimen" zu machen." In: Zeitschrift Internationale Politik, März 2006
Winkelmann, Anne / Könemann, Flora / Rabbow, Sandra / Al-Radwany; Marwa (2006): Bilderwelten-Weltbilder. Auseinandersetzungen mit Islamophobie. Berlin