Die LINKE-Abgeordnete Nicole Gohlke nimmt am 20. Oktober beim Berliner Marx-is-Muss Kongress am Podium „Vom Wahlkampf zum Klassenkampf“ teil. Was beides miteinander zu tun hat, erläutert sie im Marx21-Gespräch.
Nicole, hat DIE LINKE schon Strategien für 2014?
DIE LINKE. hat in den kommenden Jahren große Chancen, als die linke und antikapitalistische Oppositionspartei wahrgenommen zu werden. Bei den Grünen ist nach dem Wahldebakel ein regelrechter Putsch der Realos und damit nochmal ein deutlicher Rechtsruck hin zum ‚grünen Kapitalismus‘ im Gange. Die SPD wird sich vermutlich auf eine Große Koalition mit der Union einlassen, und wir können uns vorstellen, was das für die im Wahlkampf von der SPD angekündigten sozialen Reformen bedeuten wird.
Kann DIE LINKE auch Klassenkampf unterstützen?
Selbstverständlich. Man sollte »Klassenkampf« aber etwas genauer fassen, denn die letzten Jahre waren gesellschaftspolitisch eher durch das Fehlen größerer gewerkschaftlicher Kämpfe und von einem tendenziell weichen Kurs der Gewerkschaftsführungen gegen die Kürzungspolitik der Bundesregierung geprägt. Die LINKE kann das sicher nicht allein kompensieren.
Was die LINKE aber auf jeden Fall machen kann, ist, Teil, vielleicht auch Motor sozialer Auseinandersetzungen und außerparlamentarischer Bewegungen zu werden, also die realen Auseinandersetzungen und den Widerstand in der Gesellschaft mit aufzubauen. An einigen Punkten ist uns das in der Vergangenheit schon geglückt: Ich denke da an „Blockupy“ in Frankfurt, an die Kampagne „Dresden Nazifrei“ oder auch an einzelne betriebliche Kämpfe, die die LINKE unterstützt hat.
Trotzdem sind die Beispiele bislang überschaubar …
So ein politisches Selbstverständnis und so eine interventionistische, auf Kampagnen basierende Kultur muss in einer Partei erst wachsen. Da hat es uns die politische Entwicklung der letzten Jahre auch nicht gerade leicht gemacht: DIE LINKE. ist ja eine Partei, die von der Hoffnung auf Veränderung lebt. Unter dem Eindruck der großen Proteste, die die Gründung der LINKEN begleiteten und prägten, also gegen die Agenda 2010, die Montagsdemonstrationen oder die Anti-Kriegs-Demonstrationen gegen den Irak-Krieg schien diese Hoffnung auch zum Greifen nah. In den letzten Jahren allerdings führte gerade das Fehlen solcher Bewegungen dazu, dass die Perspektive, außerparlamentarischer Widerstand könne das Mittel zur Veränderung sein, an Überzeugungskraft verlor. Eine auf parlamentarische Politik fixierte Strategie kann sich unter solchen Bedingungen eher durchsetzen.
Dein Schwerpunkt ist Hochschulpolitik. Wann werden die Studierenden sich wieder bewegen?
Das lässt sich nicht exakt vorhersagen. Allerdings treten Studierendenbewegungen doch mit schöner Regelmäßigkeit auf. Die Frage ist, an welchen Themen sich eine solche Dynamik entzündet.
Vor zwei Jahren dachte ich, dass die Tatsache, dass viele junge Menschen keinen Studienplatz kriegen oder nicht den, den sie wollen, zu einer neuen Bewegung führen könnte. Damit lag ich falsch.
Das aktuell größte Problem für viele Studierenden ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, also horrende Mieten in vielen Hochschulstädten, zu wenig öffentlich geförderte Wohnheime für Studierende. Für solche infrastrukturellen Projekte gibt es keinen Cent vom Bund, und die Länder werden mit der Schuldenbremse zu großen Kürzungen gezwungen. In vielen Großstädten gibt es ja bereits Initiativen und Bündnisse für bezahlbaren Wohnraum, Ende September auch bundesweit beachtete Demonstrationen gegen Gentrifizierung und für die gesetzliche Beschränkung von Mieten.
Aus meiner Sicht sollten sich Studierende am Aufbau dieser Bewegungen beteiligen, weil diese Bewegung Potenzial hat, groß zu werden, und es eine Chance ist, studentische Belange mit einem breiteren gesellschaftlichen Widerstand zu verbinden.
Liegt die neue Studierendenbewegung außerhalb der Unis?
Thematisch vielleicht schon, weil Studierende heute wie nie zuvor dieselben sozialen Probleme haben wie junge Arbeiter und Angestellte. Trotzdem kann der Campus der Hochschule ein bedeutender Ort sein, um sich zu treffen, zu diskutieren, zu planen, die Vereinzelung zu überwinden.
Das Interview führte Hans Krause.
Nicole Gohlke ist Hochschulpolitische Sprecherin der LINKE-Fraktion im Bundestag und Unterstützerin von marx21. Sie nimmt am 20. Oktober bei der Berliner Marx-is-Muss-Konferenz an der Podiumsdiskussion „Vom Wahlkampf zum Klassenkampf – Strategien für Linke 2014“ teil.
Marx-is-Muss-Konferenz Berlin
20. Oktober, 11.30 bis 17.30 Uhr
Mehringhof, Gneisenaustr. 2a, zweiter Hinterhof, rechter Eingang, 1. Stock
Weitere Informationen: www.marxismuss.de