Hugo Chávez ist mit fast 55 Prozent der Stimmen als Präsident von Venezuela wiedergewählt worden – dem schlechtesten Ergebnis, seit er 1998 zum ersten Mal Präsident wurde. Von Mike Gonzalez
Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung haben gewählt. Henrique Capriles, der Kandidat der Opposition, hat etwa 45 Prozent erreicht, teilweise dank der riesigen Summen, die seiner Kampagne zur Verfügung gestellt wurden (und denen von Chávez in nichts nachstanden).
Der Großteil der internationalen Medien sahen den adretten weißen Kandidaten als ungefährlichen Sozialdemokraten, der versprach, Chávez‘ Sozialreformen im Gesundheits-, Wohnungs- und Bildungswesen fortzusetzen.
Doch hinter Capriles standen dieselben Kräfte, die während Chávez‘ bisheriger Amtszeit aggressive Kampagnen gegen ihn geführt hatten. Es waren dieselben Leute, die Chávez während eines erfolglosen Putsches 2002 entführt hatten und im »Streik der Bosse« 2002-2003 versuchten, die venezolanische Wirtschaft zu zerstören. Ihre Politik hätte Venezuela zurück in die Hände jener Neoliberalen gelegt, die in den 1990ern ein Jahrzehnt der Angriffe auf die Lebensstandards der Mehrheit des Landes gestartet hatten.
Widerstand
Von den Venezolanern wurde Hugo Chávez mit dem Widerstand gegen diese neoliberalen Strategien identifiziert, der mit dem Volksaufstand von 1989, dem Caracazo, begann. Deshalb genießt er nach wie vor große Unterstützung, trotz des wachsenden Unmuts über der Richtung, in die die Bolivarische Revolution gegangen ist.
2002 und 2003 waren es die Massenmobilisierungen der Armen und der Arbeiterklasse, die Chávez verteidigten und den »Streik der Bosse« brachen. Außerdem brachten Chávez‘ Sozialreformen, die durch Öleinnahmen finanziert wurden, spürbare Verbesserungen für Venezuelas Unterschicht: lokale Gesundheitseinrichtungen, freier Zugang zu Bildung, ein gewisses Maß an sozialem Wohnungsbau, billige Nahrungsmittel.
Herrschende Clique
Doch diese Leistungen gehen zurück, größtenteils wegen der tief sitzenden und im Staat weit verbreiteten Korruption. Der Grund ist der Aufstieg einer neuen herrschenden Clique, die sich trotz der roten T-Shirts und der revolutionären Rhetorik bereichert und einen Machtapparat errichtet hat, der niemandem Rechenschaft schuldig ist.
Die Bürokraten bringen sich bereits für den Moment in Stellung, in dem der alternde Chávez die Macht abgeben muss. Sie werden nur ihre eigenen Interessen verfolgen.
Die unmittelbare Aufgabe für die Linke und für Aktivistinnen und Aktivisten, egal ob Chávez-Anhänger oder nicht, ist, Organisationen von unten wieder aufzubauen, die in der Lage sind unabhängig von den Herrschenden zu agieren – wer auch immer diese sein werden. Solche Organisationen würden es den Venezolanern ermöglichen, ihre eigenen Klasseninteressen zu verteidigen und die Revolution, die noch einen weiten Weg vor sich hat, zu stärken.
(Zuerst erschienen auf www.socialistworker.co.uk. Übersetzt von Linkswende)
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