Bei den Kontroversen um die Zuschussrente geht es nicht darum, etwas gegen Armut im Alter zu tun, sondern das Versicherungsgeschäft soll gefördert werden – meint Arno Klönne
Auf eines versteht sie sich, die Bundesministerin Ursula von der Leyen, auf Öffentlichkeitsarbeit. Jetzt hat sie einmal mehr gewaltig von sich reden gemacht, mit einem Schreckensszenario: Wenn nichts unternommen werde, dann sei schon bald der Tag des Eintritts ins Rentenalter ein Termin, um schleunigst das Sozialamt aufzusuchen.
Sie hat das vorgerechnet: Wer 35 Jahre lang von einem Lohn in Höhe von 2.500 Euro monatlich treu und brav in die gesetzliche Rentenversicherung einzahle, bekomme in seinen alten Tagen nur eine Rente von 688 Euro im Monat. An dieser Rechnung kann man im Detail herumkritteln, richtig bleibt, dass massenhafte Armut im Alter droht.
Segen vom Rentenpapst
Was hat sich die Bundesministerin ausgedacht, um dem entgegenzuwirken? Durch einen Rentenzuschuss sollen, um beim Beispiel zu bleiben, die 688 auf 850 Euro aufgestockt werden. Bei Bedürftigkeit, und wenn all die Jahre über ein Arbeitsverhältnis mit Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung bestand – und unter der Voraussetzung, dass die zu Bezuschussenden auch private Altersvorsorge betrieben, also irgendwie »geriestert« haben. Praktisch würden also nur wenige RentnerInnen in den Genuss dieser milden Gabe kommen.
Den Segen für ihr Modell bekam von der Leyen dennoch vom deutschen Rentenpapst, dem ehemaligen Wirtschaftsweisen und Politikberater Bert Rürup. Warum wohl? Rürup (SPD) war es, der durch seine ins Gewand der wissenschaftlichen Expertise gekleideten Ratschläge den politischen Weg hin zur privaten kapitalgedeckten Rente ebnete. Längst ist er selbst höchst umtriebig in dieser expandierenden und profitablen Branche tätig.
Rot-grüne Heuchelei
Kritik am Vorschlag der Arbeitsministerin äußerte sich in der SPD, bei den Grünen, in der Linkspartei und von Seiten des DGB, aber auch in der CDU/CSU und bei der FDP. Mit recht unterschiedlichen, teils gegensätzlichen Argumenten.
Von der einen Seite kam die Feststellung, dass so die Gefahr der Altersarmut nicht gebannt werden könne. Das stimmt ganz gewiss, jedoch ist zu fragen: Waren denn nicht Sozialdemokraten und Grüne in regierender Funktion daran beteiligt, eben dieses Problem zu produzieren – durch Absenken des gesetzlichen Rentenniveaus, Hinaufsetzen des Eintrittsalters in die Rente und Begünstigung der kommerziellen Versicherungsgesellschaften?
Und welche Parteien waren es, die ganz eifrig den Arbeitsmarkt auflockerten, der Ausbreitung von Fristarbeit, Leiharbeit und Niedriglohn voranhalfen? Eben dadurch wurde dem System der gesetzlichen Rentenversicherung zunehmend Boden entzogen und inzwischen ist es tatsächlich instabil.
Schub für die Versicherungen
Aus dem sogenannten bürgerlichen Lager wurde von der Leyen entgegengehalten, sie wolle zu Lasten der ohnehin verschuldeten Staatskasse neue Wohltaten verteilen. Da ist der etwas versteckte Sinn des Auftritts der Bundesministerin nicht begriffen worden.
Wenn sich die Angst ausbreitet, mit dem Umlageverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung könne ein Existenzminimum im Alter nicht mehr erreicht werden, entsteht ein verstärkter Schub hin zur kapitalgedeckten Rente, zu Verträgen mit den privaten Versicherungsunternehmen.
»Alarmismus« freilich dürfe, sagt die Bundeskanzlerin, beim öffentlichen Reden über Rente und Armut nicht aufkommen. Das versteht sich, denn dann kämen die Regierenden in Misskredit. Wenn das Projekt Zuschussrente in der Versenkung wieder verschwindet, ist das für von der Leyen nicht tragisch, das Reden darüber bringt ja den Effekt.
Verlogen und trügerisch
In der Empfehlung, sich doch privat abzusichern, steckt etwas Verlogenes, denn: Aus Niedriglöhnen und bei gebrochenen Beschäftigungsverläufen lassen sich die Beiträge für eine hinreichende private Zusatzversicherung gar nicht aufbringen. Und trügerisch ist jedes Versprechen, die kapitalgedeckte Rente sei sicher. Die so hoch geachteten Finanzmärkte haben keine Hemmungen, Rentenfonds in ihrem Wert absinken zu lassen oder auch dem Konkurs zu überlassen.
So bleibt nur der Schluss: Zu befürchten ist für einen immer größeren Teil der Bevölkerung soziale Not im Alter, insoweit hat die Bundesministerin Recht. Aber sie selbst wirkt mit an einer großangelegten Fallenstellerei, die in Sachen Rente die regierenden oder im Wartestand fürs Regieren befindlichen Parteien betreiben, mit verteilten Rollen. Die Privatisierung der Rente deckt Kapitalinteressen ab, Deckung gegenüber dem Anmarsch und Zugriff der Armut bietet sie nicht.
(Vorveröffentlichung aus Heft 19 der Zweiwochenschrift Ossietzky)
Zuletzt in Klönnes Klassenbuch:
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- Leichter Töten mit Bundeswehr-Drohnen: Die Bundeswehr bereitet sich auf den Gebrauch von Kampfdrohnen vor – eine folgenschwere Neuerung in der Militärpolitik, meint Arno Klönne
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