Das traditionell erfolgreichste gewerkschaftliche Kampfmittel ist im Wandel. Bei einer Konferenz in Stuttgart wird im März über seine Zukunft diskutiert. Von Jana Seppelt
Sinkende Mitgliedszahlen, Deregulierungen auf betrieblicher und politischer Ebene und Liberalisierungen der Märkte verringern gewerkschaftliche Organisationsmacht in den Betrieben. Die Reaktionen darauf sind unterschiedlich.
Sie reichen von Krisenkorporatismus und Co-Management auf der einen bis zu einer konfliktorientierteren offensiven Herangehensweise auf der anderen Seite. Insbesondere an der Streikfront hat sich in den letzten zehn Jahren einiges getan.
Beeindruckende Streiks
Neue Streikbewegungen mit selbstbewussten Aktivistinnen und Aktivisten sind entstanden, deren Wirkung weit über den Erfolg in der konkreten betrieblichen Auseinandersetzung hinaus strahlt. Beim Streik der Reinigungskräfte wurden diese erstmals als kämpfende Akteure sichtbar.
Es gab beeindruckende Streiks im Einzelhandel und bei den Erzieherinnen und Erziehern, länger anhaltende firmenbezogene Ausstände wie bei Gate Gourmet, der Vacuumschmelze Hanau oder der Charité in Berlin. In einigen Bereichen sind die Streiks weiblicher geworden und oft haben Migrantinnen und Migranten eine wichtige Rolle inne.
Demokratische Streikkultur
Häufig geht es auch um neue Themen. Die Beschäftigten der Metallindustrie haben für die Regulierung der Leiharbeit und die Übernahme der Auszubildenden gekämpft. Immer wieder streiken Kolleginnen und Kollegen gegen Betriebsschließungen und für Sozialtarifverträge.
Gleichzeitig haben sich auch Formen und Methoden geändert. In vielen Bereichen ist eine neue, demokratischere Streikkultur entstanden. So konnte auch auf Firmenebene durch Beharrlichkeit und innovative Aktionen von Belegschaften große Wirkung erzielt werden. Zuletzt haben die Streikenden des Sparkassen-Callcenters S Direkt-Marketing in Halle nach über 100 Tagen Streik einen Erfolg erreicht.
Konferenz und Austausch
Dennoch wird bisher viel zu wenig über den Streik, das eigentliche Druck- und Machtmittel des gewerkschaftlichen Kampfes, diskutiert. Es ist höchste Zeit, die gewerkschaftlichen Erfahrungen der letzten Jahre zusammenzutragen und auszutauschen.
Der ver.di-Bezirk Stuttgart organisiert deshalb zusammen mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung eine bundesweite Konferenz. Sie wird vom 1. bis 3. März in Stuttgart stattfinden und trägt den Titel »Erneuerung durch Streik – Erfahrungen mit einer aktivierenden und demokratischen Streikkultur«.
Zusagen von Kern-Aktivisten
Gelegenheit zur Diskussion gibt es nicht nur mit bekannten Namen der Gewerkschaftsbewegung wie Bernd Riexinger, Sybille Stamm und Heiner Dribbusch, auch viele Aktivisten aus laufenden Arbeitskämpfen werden da sein. Mit den Streikenden im Windenergiebereich und der Behindertenbegleitung in Frankfurt und Bremen sowie den Aktivisten von S Direkt in Halle und der Charité gibt es Zusagen aus drei Kern-Aktivisten-Gruppen, die sehr wichtige Siege errungen haben und Ausstrahlungskraft entfalten können.
Viele weitere Streikaktive sind bereits angefragt, zum Beispiel von den Häuserkämpfen gegen Werksschließung im Metallbereich. Nicht zuletzt werden die Stuttgarter berichten, wie sie mit ihren Streiks gegen die Verlängerung der Arbeitszeit und im Kita-Bereich wegweisende kämpferische Strategien entwickelt haben.
Zur Person:
Jana Seppelt ist Gewerkschaftssekretärin bei ver.di Stuttgart und Mitorganisatorin der Konferenz »Erneuerung durch Streik«. Diese findet vom 1. bis 3. März 2013 im Gewerkschaftshaus in Stuttgart statt.
Mehr im Internet:
- Anmeldung und weitere Infos unter: www.rosalux.de/streikkonferenz.
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