Der Anführer der Proteste in Thailand schreibt sich Demokratie auf die Fahne, steht aber selbst für eine zutiefst undemokratische Politik. Von Giles Ji Ungpakorn
Abertausende reaktionäre Monarchisten aus der Mittelschicht haben unter der Führung eines konservativen Politikers Regierungsgebäude in der thailändischen Hauptstadt Bangkok besetzt. Ihr Ziel: der Sturz der Regierung. Auch das Armeehauptquartier besetzten sie in der Hoffnung, das Militär würde putschen.
Die Protestler reden viel von Demokratie und zieren sich mit den Anonymous-Masken der Occupy-Bewegung. Aber auf ihren Plakaten tragen sie Bilder des Königs. Ihr Anführer, Suthep Thaugsuban, ruft nach der »Wiederherstellung der absoluten Monarchie«.
Gegen die Demokratiebewegung
Noch im Jahr 2010 war Thaugsuban der Mann fürs Grobe in der vom Militär eingesetzten Regierung, unter der neunzig »Rothemden«, die für mehr Demokratie eintraten, niedergeschossen wurden. Nun spricht der gleiche Mann der gegenwärtigen Regierung die Rechtmäßigkeit ab.
Es sind die gleichen Leute, die 2006 zum Sturz der gewählten Regierung des Großunternehmers Thaksin Shinawatra durch einen Militärputsch aufriefen und ihn aktiv unterstützten. Damals waren sie als »Gelbhemden« unterwegs. Wiederholt lehnten sie die Wahlergebnisse trotz überwältigender Mehrheiten für Thaksin Shinawatras Partei ab.
Sozialleistungen für Arme
Die immer noch vorhandene Unterstützung für Thaksin Shinawatra in der Bevölkerung verdankt er seiner Politik des universellen Zugangs zur medizinischen Versorgung und Sozialleistungen für Arme. Heute wollen die Gelbhemden die von Thaksins Schwester Yingluck angeführte und 2011 demokratisch gewählte Regierungspartei Pua Thai stürzen.
Die Gelbhemden und die Politiker der Demokratischen Partei behaupteten damals und behaupten heute noch, dass die Mehrheit der Thais »zu dumm und ungebildet« sind, um wählen zu dürfen. Die Protestler regen sich über die Versuche der Regierung auf, die Militärverfassung von 2007 zu revidieren, nach der die Hälfte der Senatoren von den Eliten bestimmt anstatt gewählt wird.
Extremer Neoliberalismus
Zu ihren undemokratischen Ansichten kommt hinzu, dass sie extreme Neoliberale sind. Sie reden fortwährend von »Haushaltsdisziplin« und opponieren gegen die Ausgaben für Gesundheit und Sozialleistungen für Arme.
Sie lehnen Subventionen für Reisbauern und den Ausbau der maroden Eisenbahninfrastruktur zu einem Hochleistungsnetz ab. Gegen die massiven Ausgaben für das Militär und die königliche Familien hingegen haben sie nichts einzuwenden.
Selbst verschuldete Krise
Yingluck Shinawatras Regierung hat die jüngste Krise allerdings selbst heraufbeschworen, als sie ein allgemeines Amnestiegesetz durchzupauken versuchte, das sämtliche Militärs und Killer der Demokratischen Partei entlastet hätte und auch Thaksin die Rückkehr aus dem Exil erlaubt hätte.
Die Amnestie für Thaksin brachte die Gelbhemden auf, war aber zugleich eine schallende Ohrfeige für die Rothemden, die ihren Kampf gegen die Diktatur mit ihrem Blut bezahlt hatten. Und sie gilt nicht für politische Gefangene, die wegen der scharfen Gesetze gegen Majestätsbeleidigung im Gefängnis sitzen.
Es ist möglich, dass die Regierung einen faulen Kompromiss mit ihren Gegnern schließt. Schon 2011 kam es zu einem Deal zwischen Thaksin und dem Militär. Die Tragödie ist, dass die linken Kräfte zu schwach sind, um die Führung in der Bewegung der Rothemden übernehmen zu können.
(Zuerst erschienen in der englischen Wochenzeitung Socialist Worker. Aus dem Englischen von David Paenson)
Zur Person:
Giles Ji Ungpakorn lebt im Londoner Exil. Seine Website ist auf redthaisocialist.com.
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