Wird ein »reinigendes Gewitter« die SPD vom Kurs der Agenda 2010 abbringen, wenn sie die Wahl verliert? Arno Klönne über politische Meteorologie
Lang dauert sie nicht mehr, die Jagd nach den Stimmen, also ist es an der Zeit, sich schon mal Gedanken zu machen über die parteipolitische Landschaft nach der Bundestagswahl. Gregor Gysi zum Beispiel hat das getan, auch öffentlich darüber Auskunft gegeben: Vermutlich werde es für eine sozialdemokratisch-grüne Bundesregierung nicht reichen, und erst einmal wolle die SPD nicht DIE LINKE zur Hilfe nehmen, zudem sei seine Partei zu einer solchen nur bereit, wenn die SPD »wieder sozialdemokratisch« werde, das sei »doch nicht zu viel verlangt«.
Aber wie soll diese gewünschte Rückverwandlung zustande kommen? Da gibt es zwei linksideelle Szenarien, für den Fall, dass aus der Mehrheit für SPD und Grüne nichts wird.
Szenarien für die SPD
Das eine ist etwas umwegig: Die SPD entscheidet sich für die Teilnahme an einer großen Koalition. Nach einiger Zeit wird der Unmut über deren Politik in der Gefolgschaft der Partei aber denn doch zu heftig, es herrscht dicke Luft, und die führt innerparteilich zu einem »reinigenden Gewitter«, die SPD lässt ab vom koalitionären Mitregieren und regeneriert sich in der Opposition zu einer linken Volkspartei.
Sie könnte dann, das steckt in diesem Gedankengang, DIE LINKE als eine ostdeutsche Schwester akzeptieren, familiär behandeln oder auch gleich integrieren.
Das andere Szenario: Sofort nach der Wahl, der SPD-Parteikonvent tagt dann ja auch, braut sich in der Partei etwas zusammen, Blitz und Donner kommen über die Parteiführung, es folgt frische linke Luft. Und die SPD gewinnt Agenda-Enttäuschte zurück, zieht Attacis und ähnlich kritische junge Leute an sich, öffnet sich sofort oder schrittweise dem Bündnis oder gar einer Vereinigung mit der Linkspartei.
SPD hat sich eingerichtet
So oder so: Ein reinigendes Gewitter soll sein Werk tun, die Zukunft der SPD wird wetterkundlich betrachtet. Als die alten Griechen die Metereologie erfanden, richteten sie ihren Blick auf den Einfluss außerirdischer Kräfte, was bei diesem Thema auch nicht unbedingt falsch war.
Politikkundlich allerdings ist eine solche Betrachtungsweise nicht zu empfehlen. Mal abgesehen von der Frage, was denn nun das Altsozialdemokratische war, zu dem die SPD reumütig zurückkehren soll (möglicherweise hatte es auch seine Tücken) – kein Blitz und Donner wird die politische Architektur zum Einsturz bringen, in der die SPD sich eingerichtet hat: Die eines Werbehauses für ein Angebot im Politikmarkt, ausgerichtet auf den Gewinn von Ämtern und Pfründen, ausgestattet mit einem Personal, das seine Karrieren nicht gefährden will.
SPD kennt keine Klassen mehr
Kein Gewitterregen wird die sozialen Bodenverhältnisse so verändern, dass die sogenannten Unterschichten freudig der SPD zuströmen und diese Partei als ihr Instrument ansehen, den gesellschaftlichen Konflikt auszutragen. Wie könnte das denn auch geschehen?
Die SPD kennt keinen Gegensatz mehr von Interessen sozialer Klassen. Insofern verweigert sie sich der Realität. Was aber sehr reale Konsequenzen hat und zugleich dazu führt, dass sie eine gesellschaftliche Illusion verbreitet: Was gut sei für das kapitalistische große Geschäft, sei gut auch für die Lohnabhängigen. Oder wenigstens erträglich für diese, zumutbar.
Anders als viele Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter es immer noch hoffen, wendet sich die Partei vom Grundmuster ihrer Agenda-2010-Politik nicht ab: Sie verspricht nur, einige allzu auffällig unten die Last aufbürdende Folgen ein bisschen zu mildern.
Kein Weg zurück
Auf dem historischen Weg von Parteien gibt es den Punkt, der keine Rückkehr mehr zulässt. Nicht mal nach Gewittern.
Ich schreibe das ohne Häme, es gab viele Leute in der SPD, die diese Entwicklung keineswegs gewollt haben, die sich ihr entgegengesetzt haben. Und es gibt manche, die so etwas immer noch versuchen. Als politische Feinde sind sie nicht zu betrachten.
Zuletzt in Klönnes Klassenbuch:
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