Opel wird den Investoren in den Rachen geworfen und die Steuergelder hinterher. Dabei ist nicht noch nicht mal gesichert, dass die Arbeitsplätze dauerhaft erhalten bleiben, meint Janine Wissler.
Die Entscheidung ist gefallen: Magna soll bei Opel einsteigen. Gesichert ist das aber nicht, die Übernahme kann immer noch scheitern und somit eine Insolvenz für Opel noch immer nicht ausgeschlossen werden. Bisher wurde lediglich ein „Memorandum of understanding" – eine Absichtserklärung – zwischen Magna und GM unterzeichnet, das rechtlich nicht bindend ist. Die endgültige Vertragsunterzeichnung wird laut Magna – welch Zufall – Ende September erwartet.
Übergangsweise wird eine Treuhand errichtet, die auf sechs Monate angelegt ist. Dafür haben sich Bund und Länder auf eine Überbrückungsfinanzierung von 1,5 Milliarden Euro geeinigt. Die Hälfte kommt vom Bund und die andere Hälfte von den betroffenen Bundesländern, berechnet nach der Opel-Beschäftigtenzahl in den Ländern. Hessen trägt daher mit 447 Mio. Euro den Löwenanteil. Vor lauter Dankbarkeit über die Bereitschaft von Magna eine Übernahme in Betracht zu ziehen, hat Finanzminister Peer Steinbrück die ersten 300 Millionen Euro an Opel bereits überwiesen – und damit Magna die Vorkasse erspart. Eigentlich sollte Magna den Vorschuss für die Überbrückungsfinanzierung bereitstellen, bis die staatlichen Gelder fließen konnten. Diese Zusage von Magna hat die Bundesregierung als ein Bekenntnis zu Opel und als Übernahme von Verantwortung gewertet. Und das reichte der Bundesregierung offensichtlich. Was aber steckt hinter Magna und dem Konzept für Opel? Und welches Interesse hat Magna an Opel? Wenn man Magna-Chef Frank Stronach Glauben schenken will, dann geht es Magna darum Opel zu „helfen". Das hat Stronach mehrmals erklärt, aber das Handelsblatt stellt richtig fest: „Bei Frank Stronach ist nicht pures Samaritertum im Spiel, wenn er davon spricht, Opel zu helfen. Der Magna-Chef hat handfeste eigene wirtschaftliche Interessen."
Magna und der sozialdemokratische Einfluss
Magna ist ein österreichisch-kanadischer Automobilzulieferer und will zusammen mit der russischen Sberbank die Mehrheit bei Opel übernehmen. Magna ist an einer 20-Prozent-Beteiligung an Opel interessiert, 35 Prozent soll die Sberbank übernehmen, 35 Prozent bei GM verbleiben. Die restlichen10 Prozent sollen auf die Belegschaft übergehen und durch Lohnverzicht der Beschäftigten erworben werden. Industrieller Partner des Konsortiums ist der russische Autohersteller Gaz.
So soll ein neuer Automobilkonzern soll entstehen. Daran sind – zumindest indirekt – beteiligt: der amerikanische Staat als künftiger Großaktionär bei General Motors, der russische Staat mit der staatlichen Sberbank, Magna und die Opel-Beschäftigten.
Mit Magna haben viele Beschäftigte die Hoffnung auf einen – im Vergleich zu Fiat – weniger drastischen Stellenabbau verbunden. Leider zu unrecht, denn das Konzept von Magna sieht einen massiven Arbeitsplatzabbau vor. Europaweit sollen rund 11.600 der etwa 50.000 Stellen abgebaut werden, also mehr als ein Fünftel. In Deutschland soll jeder zehnte Arbeitsplatz wegfallen, besonders betroffen ist das Opel- Werk in Bochum, etwa 2.200 Stellen sollen dort abgebaut werden. Magna steckt selbst in Schwierigkeiten. Die Krise in der Automobilindustrie hat das Unternehmen stark getroffen, im ersten Quartal 2009 halbierte sich der Umsatz fast, von 4,97 auf 2,68 Milliarden Euro, der Nettoverlust betrug 150 Millionen Euro.
Bei Magna in Österreich arbeiten bereits 4.000 Mitarbeiter kurz, Zeitarbeiter wurden entlassen und die Angestellten wurden gedrängt auf einen Teil ihres Gehalts zu verzichten.
Mit dem Einstieg bei Opel gefährdet Magna seine Position als Zulieferer für andere Autohersteller. Denn Zulieferer sind eng verzahnt mit der Autoentwicklung und kennen daher die Produktionsabläufe und die Geheimnisse ihrer Kunden. Das könnten Opel-Konkurrenten zum Anlass nehmen, Magna nicht mehr nah an sich heranzulassen. Das kalkuliert Magna mit ein.
Der Magna-Gründer und Milliardär Stronach sollte den Gewerkschaften zudem eine Warnung sein. In Kanada limitierte er seine Fertigungsstätten auf weniger als 100 Mitarbeiter, damit die Gewerkschaften sie nicht organisieren konnten. Betriebsräte werden bei Magna durch weit weniger gesetzlich geschützte Vertrauenspersonen ersetzt. Eine Betriebsratwahl in Österreich endete vor dem Arbeitsgericht, weil Magna der Kandidatin kündigte.
Den Streit mit der entlassenen Betriebsrätin focht Karl-Heinz Grasser, der spätere österreichische Finanzminister, für Stronach aus. Er ist aber nicht der einzige Politiker, zu dem Stronach enge Kontakte hat: der österreichische Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky, ein Sozialdemokrat, sitzt im Aufsichtsrat von Magna, seine Kontakte nach Berlin sollen Stronach bei den Opel-Verhandlungen helfen.
Und die sozialdemokratische Connection hat sich schon ausgezahlt. Neben Vranitzky soll auch Frank-Walter Steinmeier im Hintergrund daran mitgewirkt haben die russischen Partner für das Magna-Konsortium zu gewinnen. Schaut man sich die russischen Partner genauer an, liegt der Verdacht nahe, dass es ihnen weniger um die Rettung von Opel als um ihre eigene Haut geht.
Opel soll Gaz retten
Der russische Autohersteller, Gaz, der industrielle Partner im Magna Konsortium, ist selbst hoch verschuldet und schreibt Verluste, 2008 rund 120 Millionen Euro. Im laufenden Jahr verzeichnet Gaz einen Absatzrückgang von 60%, die Mitarbeiter mussten massive Lohnkürzungen hinnehmen. Schon jetzt stützt die russische Regierung das Unternehmen mit Staatsbürgschaften, Staatsaufträgen und Steuerrückzahlungen. Wegen der enormen Absatzprobleme und geringem Marktanteil, sind die Fabriken schlecht ausgelastet, zum Teil stehen die Bänder ganz still. Gaz plant im Falle der Übernahme die russischen Werke zukünftig für die Opel-Produktion zu nutzen, angeblich nicht zum Nachteil der Opelwerke in Deutschland. Hinter Gaz steht ein Unternehmer namens Oleg Deripaska, der noch bis vor kurzem als einer der reichsten Russen galt. Doch er hat sich verzockt und kämpft mittlerweile um sein unternehmerisches Überleben. Derzeit verhandelt er mit über 70 Banken über die Restrukturierung seiner Kredite, die sich auf etwa 25 Milliarden Dollar belaufen. Die FAZ kommt zu dem Schluss: „GAZ rettet nicht Opel. Opel, so angeschlagen die Firma selbst ist, hilft bei der Rettung von GAZ."
Sberbank und die russische Regierung
Dritter im Bunde ist die staatlich kontrollierte russische Sberbank, die als verlängerter Arm der russischen Politik gilt und derzeit unter hohen Kreditausfällen leidet. Sie soll die finanzielle Hauptlast tragen. Ein schlechter Zeitpunkt, um bei Opel einzusteigen und enormes Kapital bei Opel zu binden. Es gibt Vermutungen, dass, sollte das Konsortium den Zuschlag erhalten, die Sberbank ihren Anteil so schnell wie möglich verkaufen werde. Auch Sberbank-Chef German Gref scheint skeptisch zu sein: „In der Tat ließ Gref keine Begeisterung erkennen, als er eine Beteiligung an einem Konsortium für Opel nicht ausschloss. Gref sprach von einem staatlich geleiteten Interesse."
Russland hat ein großes Interesse an einer konkurrenzfähigen Automobilindustrie, russische Automobilkonzerne wie Gaz sind technologisch auf den Westmärkten nicht konkurrenzfähig. Mit dem Einstieg bei Opel will man sich Zugriff auf das Know-how von Opel verschaffen. Deshalb hat auch die russische Regierung im Hintergrund an der Allianz mitgewirkt und übt Druck auf die Sberbank und auf Gaz aus bei Opel einzusteigen.
Magna verspricht sich viel vom russischen Markt, der in den letzten Jahren stark gewachsen ist. Für dieses Jahr wird jedoch ein Rückgang der Verkäufe von Neu- und Gebrauchtwagen um 60 Prozent prognostiziert. Zudem sind auch andere europäische Automobilhersteller auf dem russischen Markt aktiv, mit viel höheren Marktanteilen als Opel. Ob Magna mit Opel den mageren Marktanteil von etwas über drei Prozent auf dem russischen Markt erheblich steigern kann, ist ungewiss.
Ambitiöse Probleme mit wenig Risiko
Aber auch darüber hinaus sind die Pläne von Magna ambitiös. Der diesjährige Verlust bei Opel und der britischen Schwester Vauxhall wird auf 2,1 Milliarden Dollar geschätzt. 2014 soll Opel nach Plänen von Magna1,2 Milliarden Gewinn machen. Das soll erreicht werden durch neue Fahrzeugmodelle, höhere Preise sowie eine Steigerung des Marktanteils. Magna setzt aber auch auf erhebliche Kosteneinsparung, sowohl beim Material als auch beim Personal. So sollen die Beschäftigten von Opel bis 2014 einen Beitrag von 300 Millionen Dollar zur Sanierung leisten. Vor dem Hintergrund der Krise der Automobilindustrie sind diese Pläne Wunschträume. Wann und in welchem Zeitraum sich der Markt erholen wird, kann angesichts gigantischer Überkapazitäten (weltweit werden mit 90 Millionen Autos rund doppelt so viele gebaut wie gekauft) heute ebenso wenig prognostiziert werden, wie die Frage, ob die Preisentwicklung positiv verlaufen wird und ob Opel seinen Marktanteil signifikant steigern kann. Die gegenwärtige Lage spricht allerdings nicht dafür. Ein weiterer Risikofaktor bleibt General Motors. Das Unternehmen ist seit Pfingstmontag im Gläubigerschutzverfahren. GM soll an Opel mit rund einem Drittel beteiligt bleiben und beschränkt die Absatzchancen von Opel, denn die wachsenden asiatischen Märkte bleiben GM vorbehalten.
Warum ist Opel trotz all dieser Unwägbarkeiten für das Magna-Konsortium attraktiv? Die Antwort darauf gibt nicht Magna, sondern Ripplewood, der US-Investor, der neben Fiat und Magna als Investor gehandelt wurde. Folgendes Zitat bringt es auf den Punkt: „In den harten Nachtverhandlungen für die Opel-Rettung ist ein Satz gefallen, der entlarvenden Charakter hat. Er gibt eine Antwort auf die Frage, wer eigentlich das Risiko der Opel-Rettung trägt. Der Finanzinvestor Ripplewood wurde gefragt, warum er trotz geringer Erfahrungen mit dem Autobau an Opel Interesse habe. Der ehrliche Satz: ‚Wir haben uns die asymmetrische Risikoverteilung angesehen und dann entschieden, auf diese Wette können wir eingehen'."
Magna nutzt die Gunst der Stunde: Opel ist ein Schnäppchen, es ist kaum Eigenkapital nötig, die Risiken trägt der Staat. Das Magna-Konsortium will vorerst nur100 Millionen Euro Eigenkapital einbringen und weitere 400 Millionen lediglich als zinsloses Darlehen, im Gegenzug aber Staatsgarantien von 4,5 Milliarden Euro auf fünf Jahre erhalten. Die Pläne von Magna sind also so ambitiös wie risikolos. Es geht Magna augenscheinlich nicht um die Rettung von Standorten und Arbeitsplätzen, an den Staatshilfen und am technischen Know how ist man interessiert. Magna ist im eigentlichen Sinne des Wortes kein Käufer, denn sie wollen mehr Geld bekommen als sie bereit sind zu investieren. Deshalb ist es genau genommen unzutreffend von einem „Ausverkauf" von Opel sprechen, Opel wird den Investoren in den Rachen geworfen – und die Steuergelder hinterher.
Auch Fiat wollte die Krise und die günstigen Konditionen nutzen. Fiat wollte mit Opel zum weltweit zweitgrößten Autohersteller nach Toyota aufzusteigen. Das aber hätte – auch wegen der ähnlichen Produktpalette – VW unter Druck gesetzt. Das erklärt die ablehnende Haltung vieler PolitikerInnen gegenüber Fiat.
Die Rolle der Bundesregierung
Die Bundesregierung will eine Insolvenz von Opel vor den Bundestagswahlen nicht riskieren. Deshalb haben sich sowohl Steinmeier als auch Merkel weit aus dem Fenster gelehnt. Eine Insolvenz hätte unkalkulierbare Auswirkungen auf die Stimmung der Masse der Wähler gesellschaftliche Stimmung gehabt. So stand Wirtschaftsminister zu Guttenberg mit seiner Forderung nach einer „geordneten" Insolvenz alleine da. Er hat aber offen ausgesprochen, was seine Kabinettskolleginnen und -kollegen erst nach der Bundestagswahl eintreten lassen wollen.
Aus Sicht zu Guttenbergs und anderer Verfechter der Marktwirtschaft spricht einiges dafür, Opel nicht zu retten. Erstens wäre ein Aus für Opel seiner Ansicht nach billiger, zweitens hätte es den Automobilmarkt „bereinigt", Überkapazitäten abgebaut und langfristig Marktanteile für andere Hersteller freigemacht – natürlich auf Kosten der Beschäftigten, der Händler und der Zulieferer. Zudem fürchtete zu Guttenberg den „Sündenfall" in Form tatsächlicher Staatsbeteiligung. Zu Guttenberg konnte sich nicht durchsetzen, Bundesregierung und Länder einigten sich auf Staatsgarantien für den zukünftigen Investor, ohne irgend eine Bedingung zu stellen, aber verbunden mit dem Wunsch: Rettet einen Großteil der Arbeitsplätze in Deutschland und unsere vier Standorte Rüsselsheim, Bochum, Eisenach und Kaiserslautern – oder verkündet zumindest bis zur Bundestagswahl nichts Gegenteiliges. Auf das zweite konnte Magna sich einlassen.
In den übrigen europäischen Standorten sollen bis zu 8500 Jobs wegfallen, das ist bereits jetzt klar. Die dortig Beschäftigten interessierten die Bundesregierung wenig. Verständlicherweise ist der Ärger über die deutsche Bundesregierung dort groß. Der Vorwurf: Man habe sich nur für die Rettung der deutschen Arbeitsplätze eingesetzt zu Lasten der Nachbarländer. Während vom vereinigten Europa geredet wird, wird hier reinster Standortnationalismus betrieben. Doch auch für Deutschland gibt es keinerlei Garantien, weder für die Standorte, noch für eine bestimmte Zahl von Arbeitsplätzen. Die Regierung verlässt sich allein auf die Zusagen von Magna, denen zufolge die vier deutschen Standorte erhalten bleiben und ohne betriebsbedingte Kündigungen 2600 Stellen abgebaut werden sollen. Dieses Versprechen ist eine Beruhigungspille für die Beschäftigten in Deutschland und soll die Beschäftigten der verschiedenen europäischen Standorte gegeneinander ausspielen. Aber die Pille wirkt: Nachdem sie in den letzten Jahren bereits drastische Einschnitte hinnehmen mussten, klammern sich viele Beschäftigte an den Strohhalm Magna und hoffen, dass mit der Übernahme Schlimmeres verhindert werden kann.
Ist die EU schuld?
Man habe keine verbindlichen Garantien verlangen können, weil das dem EU-Wettbewerbsrecht widersprochen hätte, argumentiert die Bundesregierung und bezieht sich auf Artikel 87 EG-Vertrag, das so genannte Beihilfeverbot. Der Verweis auf die EU ist der unzulässige Versuch der Bundesregierung ihre Verantwortung nach Brüssel abzuschieben. Über das Schicksal von Opel oder Arcandor wird in Berlin entschieden. Im Übrigen war die Bundesregierung an der Entstehung des EU- Wettbewerbsrechts maßgeblich beteiligt und ist immer für die Liberalisierung der Märkte eingetreten, weil es für die deutschen Unternehmen Vorteile brachte. Was aber besagt der Artikel 87? Mit dem Gemeinsamen Markt „unvereinbar" seien „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen […], die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen […], soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen." Aber hätte es denn den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt, wenn man eine Standort- und Arbeitsplatzgarantie für alle europäischen Standorte verlangt hätte?
Die Bundesregierung hat sich jetzt zumindest bis zur Bundestagswahl zusätzliche Probleme geschaffen und das hat zu Guttenberg befürchtet: Opel ist zwar nicht gerettet, aber die verkündete vermeintliche Opel-Rettung hat Erwartungen und Hoffnungen bei Beschäftigten anderer Unternehmen geweckt. Man wird jetzt den Beschäftigten von Arcandor oder Schaeffler-Conti erklären müssen, warum ihre Unternehmen nicht in den Genuss staatlicher Garantien kommen. Das kann ein ernsthaftes Problem für die Regierung werden, wenn die Betroffenen es schaffen breite Unterstützung für ihre Anliegen zu mobilisieren. Daher sind Beschäftigte und ihre Gewerkschaften gut beraten, die Monate bis zur Bundestagswahl zu nutzen, um Druck zu machen, an die Öffentlichkeit und auf die Straße zu gehen.
Es gibt eine Alternative
Statt selbst für eine dauerhafte Lösung für Opel zu sorgen und die Arbeitsplätze zu sichern, ermöglicht die Regierung, dass mit Hilfe der Steuerzahler tausende Arbeitsplätze verloren gehen. In dieser Situation wäre es richtig und notwendig, dass der Staat aktiv eingreift und den Fortbestand von Opel sichert. Das Bereitstellen von Steuergeldern als staatliche Garantien muss an klare Bedingungen geknüpft werden müssen. Als erste und wichtigste Bedingung: der Erhalt aller Arbeitsplätze und Standorte. Es dürfen keine Werke geschlossen oder verkauft werden und es muss eine Lohngarantie für die Beschäftigten geben. Wenn der Staat Steuergelder für die Privatwirtschaft bereitstellt, muss er dafür im Gegenzug auch Einfluss und Eigentum erhalten. Keine öffentlichen Mittel ohne öffentliche Kontrolle: Nur so können die Arbeitsplätze und Standorte langfristig gesichert werden.
Für Opel wäre der richtige Weg, wenn die vier betroffenen Bundesländer und der Bund ein Kaufkonsortium gebildet hätten. Zusätzlich sollten die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften beteiligt werden und ebenfalls Einfluss auf die Zukunft ihres Unternehmens nehmen können, durch die Kontrolle der Entscheidungen. In ein solches Konzept könnten auch die Opel-Händler und Zulieferer einbezogen werden. So wäre Einfluss auf die Geschäftspolitik möglich. Das VW-Gesetz, das dem Land Niedersachsen bei VW als Miteigentümerin eine Sperrminorität garantiert, zeigt, dass eine staatliche Beteiligung an Automobilherstellern möglich ist. Dann könnte ein wirkliches Zukunftskonzept für Opel entwickelt werden. Opel muss nicht zwingend Autos produzieren, der Umbau zu einem umweltfreundlichen Mobilitätsunternehmen wäre möglich. Wer die Produktionsmittel besitzt, bestimmt auch, was damit produziert wird, z.B. umweltfreundlichere Autos oder eben Alternativen zum Auto. Opel könnte so den sozial-ökologischen Umbau der gesamten Automobilbranche voranbringen. Diese Chance will die Bundesregierung nicht nutzen.
Opel ist überall
Opel ist kein Einzelfall, wir erleben die tiefste Krise seit 80 Jahren. An der Krise der Automobilindustrie verdeutlicht sich der ganze kapitalistische Irrsinn: Jeder Hersteller hat darauf gesetzt, seinen eigenen Marktanteil zu erhöhen, was aber nicht für alle funktionieren kann. Die Konkurrenz um die Absatzmärkte führt zu riesigen Überproduktionen, weil die Produktion schneller wächst als der Markt. Zwar will jeder Automobilhersteller mehr Autos verkaufen, aber seinen eigenen Beschäftigten verweigert er Lohnerhöhungen. Die Reallohnentwicklung stagnierte, die Arbeitsproduktivität stieg, so entstanden die riesigen Überkapazitäten, die es heute in der Automobilindustrie gibt. Die Verdrängungskonkurrenz wurde mehr und mehr auf Exportmärkten ausgetragen – die weltweite Krise hat aber auch dort den Absatz einbrechen lassen.
Die Krise verdeutlicht die Notwendigkeit einer grundsätzlich anderen, demokratischen geplanten und kontrollierten Wirtschaftsordnung. Was wir derzeit erleben ist nicht dem Versagen einzelner Manager oder Aufsichtsräte geschuldet, sondern im kapitalistischen System angelegt. Die Veränderung und Demokratisierung der Eigentumsverhältnisse ist nötig und ein Schritt weg von der kapitalistischen Marktlogik.
Zur Person:
Janine Wissler ist Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Hessischen Landtag