Der SPD steht am Wochenende ein Bundesparteitag bevor. Eine Sonntagsveranstaltung – danach geht es weiter mit der werktäglichen Misere dieser Partei, meint Arno Klönne
Mit zeitraubenden oder gar konflikthaften Debatten rechnet der SPD-Parteivorstand offenbar nicht: In fünf Stunden sollen die Parteitagsdelegierten ihre Aufgaben erledigen. Ein Papier im Umfang von 103 Seiten ist zu beschließen, das den Namen »Regierungsprogramm« trägt.
Ob es zum Mitregieren der Sozialdemokraten kommt und wenn, in welcher Koalition, ist ungewiss. Die derzeit am ehesten wahrscheinliche Chance ist eine Partnerschaft mit der Union, unter deren Führung.
Wunschkatalog der SPD
Praktisch handelt es sich also bei der Vorlage zum Parteitagsbeschluss um eine Art Wunschkatalog. Er ist zu langatmig und zu diffus, als dass er beim Wahlkampf Furore machen könnte, also wird er dazu gedacht sein, vielerlei programmatische Erwartungen innerhalb der Partei verbal zufrieden zu stellen.
Bedient werden in dem voluminösen Papier die nachhaltigen Befürworter der Agenda-2010-Politik ebenso wie diejenigen in der Partei, denen daran gelegen wäre, wenigstens in Details die Folgen dieses »Reformwerkes« zu korrigieren. In Wahlkampfzeiten tritt die SPD, so werden ihre Manager denken, am besten mit dem Angebot einer Sowohl-als-auch-Partei auf. Da wird vermutlich die Intelligenz des Publikums unterschätzt.
Als Programm nicht ernst gemeint
Als parteioffizieller Leitsatz gilt jetzt: »Wir wollen eine demokratiekonforme Marktwirtschaft«. Mal abgesehen von der Schwierigkeit, den Begriff »Markt« auf die gesellschaftliche Realität hin auszufüllen – die Ökonomie zu demokratisieren wäre ein höchst anstrengendes, massivste Konflikte hervorrufendes politisches Großprojekt.
Auch für der SPD wohlgesonnene Menschen liegt der Gedanke nahe, dass die Partei diesen Spruch nicht ernst meint. Bezeichnenderweise werden denn auch in dem Programm die gesellschaftlichen Machtverhältnisse, unter denen oder gegen die solcherart politische Verheißungen durchgesetzt werden müssten, erst gar nicht behandelt.
Parteitag für Steinbrück
Der Parteitag hat seine Funktion im anlaufenden Wahlkampf. Der wird personalisierend geführt, nun ist aber Peer Steinbrück als Kanzlerkandidat vom vorhergehenden Parteitag schon abgesegnet. Zu eben dem Thema, das längst schon die Basis der SPD in verdeckte Besorgnis versetzt, gibt es also in Augsburg keine Diskussion. Die Partei wäre auch nicht in der Lage, ihren Spitzenmann auszuwechseln.
Steinbrück gibt als Parole aus: »Es geht um die Bändigung von Fliehkräften in unserer Gesellschaft«. Was mag er damit meinen? Die sonst immer genannten Finanzmärkte, die gezähmt werden sollen, sind doch keineswegs auf der Flucht.
Der Kanzlerkandidat wird, als er von Gesellschaft sprach, an die Menschen gedacht haben, die als Mitglieder oder WählerInnen der SPD entflohen sind. Sie sollen von diesem aufsässigen Verhalten wieder abgebracht werden. Durch schöne Parteiworte. Taten sind erst fällig, wenn der neue Bundestag amtiert.
Zuletzt in Klönnes Klassenbuch:
- Zypern – Der Probelauf mit einem Rettungspaket: Zypern hat die an die Rettung der Banken gekoppelten Kürzungen abgelehnt und die Pläne, Kleinsparer dafür aufkommen zu lassen vorerst abgewehrt – eine gute Nachricht. Wahrscheinlich ist aber, dass die gleichen Pläne bei der nächstbesten Gelegenheit wieder aufgerollt werden, meint Arno Klönne
- Steinbrücks Schimpfkanonade ist demagogisch: Die Italienerschelte des SPD-Spitzenkandidaten ist weiterhin Thema der veröffentlichten Meinung, sogar der Meinungsforschung. Geht es dabei nur um Anstandsregeln im internationalen Meinungsaustausch? In der »Clown-Affäre« stecken gesellschaftspolitische Einschätzungen und Absichten – meint Arno Klönne
- Gauck bekennt sich zu himmlischem Europa: Zu einem Ruck reichte es nicht, aber als propagandistische Pflichtübung ist die Europa-Rede des Bundespräsidenten dann doch der Beachtung wert – meint Arno Klönne