Die jüngsten Beschlüsse der bundesregierenden Koalition von CDU/CSU und FDP und ebenso die Stellungnahmen von SPD und Grünen dazu haben gar nicht im Sinn, soziale Probleme zu lösen. Beide Seiten wollen die Wählerinnen und Wähler hinters Licht führen, meint Arno Klönne
Schon das Werbewort für dieses Gesetzesvorhaben ist betrügerisch: Eine »Lebensleistungsrente« versprechen die im Bund regierenden Parteien und zielen damit auf Sympathiegewinn bei der Masse derjenigen, die von Altersarmut bedroht sind.
Einen steuerfinanzierten Zuschuss von 10 und dann 15 Euro im Monat sollen Bürgerinnen und Bürger erhalten, die nach dem Eintritt in die Rente auf Sozialhilfe angewiesen sind. Aber keineswegs alle, sondern nur jene wenigen, denen es möglich war, 40 Jahre lang die Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung und noch dazu für eine private Altersvorsorge zu bezahlen.
Offenbar hoffen die Koalitionsstrategen darauf, dass dem Wahlvolk entgeht, wer überhaupt anspruchsberechtigt wäre und dieses politische Almosen bekäme, ein paar Euro mehr, wegen der Lebensleistung und zur Belohnung für die Bereitschaft, dem privaten Versicherungsgewerbe dienlich zu sein.
Kleine Löhne, kleine Rente
Lauthals wenden sich SPD und Grüne gegen einen derartigen Rentenzuschuss, den armen Alten werde damit nicht wirklich geholfen, sagen sie. Kommt Hilfe von diesen Parteien?
Keineswegs, im Gegenteil: Eine von der SPD geführte Bundesregierung war es, die mit Hilfe der Grünen den Arbeitsmarkt und die Lohnstrukturen ganz systematisch so reformiert hat, dass nun und mehr noch in Zukunft Massen von Niedriglöhnern und Geringverdienerinnen nicht wissen, wovon sie im Rentenalter leben sollen.
Von ihrer Agenda-Linie gehen die beiden Parteien nicht ab. Schwindel also auch hier.
Praxisgebühr durch die Hintertür
Die Praxisgebühr beim Arztbesuch soll wegfallen. Das findet bei SPD und Grünen Zustimmung.Wer erinnert sich schon daran, dass es diese Parteien waren, die auf den Gedanken kamen, eine solche Gebühr einzuführen?
Erfreut sind die Arzthelferinnen, dass der bürokratische Unsinn ein Ende nimmt. Und Patienten, die knapp dran sind, müssen nicht mehr erwägen, ob sie sich die 10 Euro für den Einstieg in eine medizinische Behandlung gerade noch leisten können.
Allerdings werden sie dann auf Umwegen doch zur Kasse gebeten. Das merken die erst später, werden CDU/CSU/FDP/SPD/Grüne sich denken. Ärzte und Krankenkassen kommen auch ohne Praxisgebühr zu ihren Gewinnen, dafür wird gesorgt.
Streit um Betreuungsgeld
Das Betreuungsgeld soll kommen, 100 und später 150 Euro, wenn Kinder zwischen dem ersten und dem dritten Lebensjahr zu Haus versorgt werden. Da schäumen SPD und Grüne, eine Herdprämie sei das.
Und mit diesen Parteien empören sich die Repräsentanten der Unternehmerschaft – so verhindere die Politik doch nur weibliche berufliche Karrieren. In der CDU hat dieses Argument viele Anhänger, aber die CSU musste zufriedengestellt werden, die Bayern sind eben etwas rückständig.
Subventionen für Versicherungen
Auch in dieser Sache wird geschwindelt. Welche Frau, die Aussicht auf einen lukrativen Job hat, ließe sich durch das bescheidene Betreuungsgeld davon abhalten?
Nicht um Emanzipation geht es bei bestimmten Angriffen auf das Betreuungsgeld, vielmehr soll der finanzielle Druck bei Frauen mit Kleinkindern nicht geschmälert werden, sich dem Niedriglohnsektor zur Verfügung zu stellen. Übrigens, privatwirtschaftliche Interessen haben auch die Stifter des Betreuungsgeldes wohlwollend im Blick, es soll begünstigt werden, den Betrag für Alters- oder Ausbildungsversicherungen zu verwenden.
Vom Sozialstaat verabschiedet
So oder so ist dieser gesamte Diskurs auf Täuschung des Wahlvolkes gerichtet – er soll Stimmen fangen und davon ablenken, dass CDU/CSU/FDP wie auch SPD/Grüne keineswegs die Absicht haben, sich auseinanderzusetzen mit den systemischen Gründen für Altersarmut, finanzielle Sorgen bei Krankheit und Notlagen von Frauen, die Kleinkinder aufziehen, aber nicht gutbetucht sind.
Soziale Reformen, konkurrierend in den Entwürfen, jedoch einig in der gemeinnützigen Absicht? Das regierungsfähige Parteienkartell in der Bundesrepublik hat sich von der Idee des Sozialstaats längst verabschiedet.
Zuletzt in Klönnes Klassenbuch:
- Der Parabellum-Preis: Die EU erhält den Friedensnobelpreis. So paradox ist die Auszeichnung von Kriegstreibern gar nicht, findet Arno Klönne
- Renten und Renditen: Mit seinem Rentenplan ist Sigmar Gabriel auf innerparteiliche Kritiker gestoßen. Nun wird nachgebessert, aber die Grundrichtung bleibt: Materielle Sicherung im Alter soll schrittweise privatisiert werden. Die SPD will sich wahlwerbend als Kümmererpartei präsentieren, regierend wird sie kapitalkompatibel tätig werden – meint Arno Klönne
- Scheingefechte um Spitzenämter: Im jetzt bereits angelaufenen Parteienwettbewerb für die Bundestagswahl 2013 wird die öffentliche Aufmerksamkeit auf zwei Fragen ausgerichtet: Wer wird von den einzelnen Parteien als Spitzenkandidat aufgestellt und welche Partei erhält von welcher anderen das Prädikat, für eine Regierungskoalition akzeptabel zu sein. In beiden Fällen handelt es sich um Täuschungsmanöver, meint Arno Klönne