Erich Kästner schrieb mit dem Bestseller »Die Konferenz der Tiere« ein Plädoyer für den Weltfrieden. Eine Neuverfilmung (Kinostart 7. Oktober) modernisiert den Stoff – aber bleibt die Botschaft erhalten? Von Stephanie Hanisch
Nachdem die Staatsoberhäupter wieder einmal ergebnislos eine ihrer Konferenzen abgebrochen haben, beschließen die Tiere, zu handeln. Im Gegensatz zu den Menschen benötigen sie lediglich eine einzige Versammlung, um die Probleme der Welt ein für allemal zu lösen – mit beeindruckendem Erfolg: In einem Vertrag zwischen Menschen und Tieren wird festgelegt: »1. Alle Grenzpfähle und Grenzwachen werden beseitigt. Es gibt keine Grenzen mehr. 2. Das Militär und alle Schuss- und Sprengwaffen werden abgeschafft. Es gibt keine Kriege mehr. 3. Die zur Aufrechterhaltung der Ordnung erforderliche Polizei wird mit Pfeil und Bogen ausgerüstet. Sie hat vornehmlich darüber zu wachen, dass Wissenschaft und Technik ausschließlich im Dienst des Friedens stehen.
Es gibt keine Mordwissenschaften mehr.« Um am Ende den Vertragsabschluss zu erzwingen, mussten jedoch zunächst Millionen Nagetiere sämtliche überflüssigen Aktenberge zerstören und Mottenschwärme alle Uniformen der Welt auffressen. Schließlich entführten die Tiere auch noch alle Kinder der Welt und ließen diese erst nach Vertragsabschluss wieder frei. Im Jahr 1949 geschrieben, ist Erich Kästners Kinderbuch »Die Konferenz der Tiere« ein eindringlicher Appell für den Weltfrieden, mit dem er sein literarisches Programm nach dem Weltkrieg fortsetzte. Kästner hatte sich während der Weimarer Republik nicht nur als Autor von spannenden Kinderbüchern wie »Emil und die Detektive« einen Namen gemacht. Bekannt wurde er auch aufgrund zahlreicher Gedichte, in denen er sich mit bissigem Humor und schonungsloser Ironie gegen preußischen Drill und Kriegstreiberei aussprach.
Kinotrailer Nummer 1
Als traumatisch hatte Kästner seine eigene Militärausbildung während des Ersten Weltkriegs erlebt, bei der er sich ein dauerhaftes Herzleiden zuzog. Seine traurige Gewissheit, dass der nächste Krieg bereits bevorsteht, drückte er 1927 in dem Gedicht »Kennst du das Land, wo die Kanonen blühen?« aus: »Die Kinder kommen dort mit kleinen Sporen und mit gezognem Scheitel auf die Welt. Dort wird man nicht als Zivilist geboren. Dort wird befördert, wer die Schnauze hält (…) Dort reift die Freiheit nicht. Dort bleibt sie grün. Was man auch baut – es werden stets Kasernen. Kennst du das Land, wo die Kanonen blühen? Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!«
Kästners strikte antimilitaristische Haltung war auch der Grund dafür, dass die Nazis seine Bücher bei der Bücherverbrennung im Mai 1933 vernichteten. Während der Naziherrschaft hatte er fast durchgehend Schreibverbot und konnte seine Literatur nur im Ausland veröffentlichen. Er blieb während des Zweiten Weltkriegs in Deutschland und wird daher zu den Autoren der »inneren Emigration« gezählt. Die Tatsache, dass Kästner das Land nicht verließ und sich nach der Machtergreifung auch nicht öffentlich gegen die Nazis aussprach, wurde ihm später oft zum Vorwurf gemacht. Er lebte jedoch während dieser Zeit in ständiger Angst vor einer Verhaftung und wurde mehrmals von der Gestapo verhört. 1944 wurde seine Berliner Wohnung ausgebombt, zahlreiche Manuskripte verbrannten. Für Kästner begann mit »Die Konferenz der Tiere« eine neue Lebensphase. Während der Weimarer Zeit hatte sich sein politisches Engagement auf seine schriftstellerische Tätigkeit und, so sein Biograf Sven Hanuschek, einen »elegischen Privatsozialismus« beschränkt. Nun, nach 1945, beteiligte er sich an der Friedensbewegung. Er setzte sich gegen die atomare Bewaffnung ein, trat dem Kuratorium »Ostermärsche der Atomwaffengegner« bei, nahm an Mahnwachen der Studenten teil, schrieb 1963 einen Appell zum Gedenken an den Atombombenabwurf über Hiroschima und sprach als einziger Autor seiner Generation bei der Münchner Demonstration »Gegen den Krieg in Vietnam«.
Dass Kästners Buch nun die Inspirationsquelle für einen gleichnamigen Animationsfilm darstellt, überrascht nicht. Denn neben der Tatsache, dass sich Kästner schon durch die Themenwahl einer konsequenten Friedenspädagogik verschrieb, machte er politische Zusammenhänge für Kinder vor allem durch seinen typischen Humor und seine eigensinnigen Protagonisten begreifbar. Ebenso wie Kästners Buch bietet der Film »Konferenz der Tiere« alles, was Kinder lieben: Freundschaft und Solidarität, großes Abenteuer und viel Absurdes. Wie bei Kästner wird auch in dem Film gezeigt, dass Widerstand gegen Ungerechtigkeiten nur durch den Zusammenschluss vieler Erfolg haben kann und wahre Helden nicht groß und stark sein müssen.
Im Gegensatz zu Kästners Buch, in dem die Tiere von Anfang an für eine sofortige Lösung aller globalen Probleme eintreten, steht im Mittelpunkt des Films die aktuelle ökologische Frage. Thematisiert wird Umweltzerstörung und Klimaerwärmung sowie die daraus folgende Bedrohung der Tierwelt. Im Mittelpunkt der Handlung steht das vergessliche Erdmännchen Billy, das ein sorgloses Leben im botswanischen Okavangodelta führt. Während Billy sich die Zeit damit vertreibt, mit sonnengetrocknetem Hyänendung Golf zu spielen, flüchten die Tiere an anderen Orten der Erde vor der Bedrohung durch die Menschen. Einige dieser Flüchtlinge – eine Eisbärin, die sich nur mit Not auf einer letzten noch nicht geschmolzenen Eisscholle retten kann; zwei Galapagosschildkröten, die von einer Ölpest vertrieben wurden; ein Tasmanischer Teufel und ein Känguru, die vor Buschbränden aus Australien flüchteten, sowie ein Hahn, der geschlachtet werden sollte – treffen sich auf ihrer ungewissen Reise. Sie beschließen, in einer Badewanne nach Afrika zu fahren, da sie hoffen, ein von Menschen unberührtes Paradies zu finden.
Bei ihrer Ankunft im Okavangodelta müssen sie allerdings feststellen, dass auch dort der Mensch bereits verheerend Einfluss genommen hat. Die Tiere des Deltas sind in Panik, da das Wasser, das jedes Jahr aus den Bergen kommt und die Wüste in eine blühende Oase verwandelt, ausgeblieben ist. Auch Billy muss versuchen, für seine Familie aus den verbleibenden Wasserlöchern Wasser zu besorgen. Um die letzten Reserven des kühlen Nasses streiten sich allerdings aggressive Herden von Büffeln und Nashörnern, die anderen Tieren keinen Zugang zum Wasser lassen. Zusammen mit seinem Freund Sokrates, einem streng vegetarisch lebenden Löwen, will Billy auf eigene Faust die Ursache für die Trockenheit ergründen. Auf ihrem Weg treffen sie die Gruppe der Flüchtlinge, die sie fortan begleiten. Es stellt sich heraus, dass ein Staudammprojekt schuld an dem Wassermangel ist. Die Freunde beschließen, gegen das Megaprojekt zu kämpfen. Da sie allein machtlos sind, muss eine Konferenz der Tiere einberufen werden, um alle von einem gemeinsamen Widerstand zu überzeugen.
Kinotrailer Nummer 2
Der Film ist eine gelungene und äußerst amüsante Darstellung davon, wie politische Emanzipationsprozesse im Idealfall funktionieren können. Die Tiere lassen sich zunächst nicht überzeugen, da sie untereinander zerstritten sind. Hinzu kommt ihr Misstrauen gegenüber den Tieren, die als Flüchtlinge aus den anderen Erdteilen gekommen sind. Die verfeindeten Nashörner und Büffel polarisieren die gesamte Konferenz. Erst die ergreifende Rede der über siebenhundert Jahre alten Schildkröte Winifred kann die Tiere überzeugen. Schließlich entscheiden die Tiere: »Wir reißen diese Mauern nieder!«
Durch den gemeinsamen Kampf gegen den Staudamm beenden Büffel und Nashörner ihre Fehde. Als linker Held und politisch bewusster Aktivist kann in dem Film der gallische Hahn Charles gesehen werden. Zu Beginn entgeht er nur knapp dem Tod im Suppentopf. In letzter Sekunde befreit er sich aus den Händen des messerwetzenden Kochs und fliegt mit den Worten »Tod den Tyrannen!« aus dem Küchenfenster. Den Idealen der französischen Revolution verschrieben, heizt er im Laufe des Films seine Mitstreiter mit revolutionären Parolen zum Kampf um das Wasser an und erweist sich als äußerst mutiger und geschickter Taktiker. Das kleine Erdmännchen Billy erreicht schließlich durch einen glücklichen Zufall den Einsturz des Staudamms. Das Ende des Films gibt einen Ausblick auf die weitere Entwicklung der Widerstandsbewegung der Tiere: Sie fahren nach New York, wo gerade im UN-Hauptquartier die 169. ergebnislose Klimakonferenz stattfindet, und stürmen das Gebäude. Termiten und Moskitoschwärme fallen über die Konferenzteilnehmer her. Derweil besetzen Affen die Freiheitsstatue…
»Konferenz der Tiere« ist der erste europäische 3D-Animationsfilm und einer der wenigen Kinderfilme der großen Produktionsfirmen, der ein politisches Thema wie die Umweltkatastrophe behandelt. Wäre er nicht schon aufgrund der Thematik sehenswert, so doch auf jeden Fall wegen der aufwendigen Tieranimationen. Einen besonderen Reiz macht auch die Tatsache aus, dass die Filmemacher sich gegen einen fiktiven Ort der Handlung entschieden und stattdessen das Okavangodelta inmitten der botswanischen Kalahariwüste fotorealistisch nachempfunden haben. Dieses Naturparadies war zwischenzeitlich tatsächlich von einem Staudammprojekt bedroht. Glücklicherweise wurde es bisher nicht realisiert.
Der Film:
»Konferenz der Tiere« (Constantin Film 2010) läuft am 7. Oktober in den deutschen Kinos an. Regie führten Reinhard Klooss und Holger Tappe. Den Tieren liehen unter anderem Christoph Maria Herbst, Bastian Pastewka und Oliver Kalkofe ihre Stimme.
Über die Autorin:
Stephanie Hanisch ist Germanistin und Mitglied der LINKEN in Berlin-Neukölln. Zudem ist sie im SprecherInnenrat der Jungen GEW Berlin aktiv.
Weiterlesen:
Sven Hanuschek: Erich Kästner (Rowohlt Taschenbuch Verlag 2004).