Eine halbe Million Studienanfänger haben sich in im Oktober auf die Suche noch einem bezahlbaren Dach über dem Kopf gemacht. Viele von ihnen haben keins gefunden. Max Manzey vom Bündnis »Studis gegen Wohnungsnot« im Interview über hunderte WG-Castings, Notunterkünfte in Turnhallen und Proteste für bezahlbaren Wohnraum.
Max, diese Woche ruft ihr zu Protesten gegen Wohnungsnot von Studierenden auf. Das Problem ist ja nicht ganz neu. Warum jetzt?
Dieses Semester ist die Wohnungsnot besonders schlimm. Und das war eigentlich auch schon lange absehbar. Die Studierendenzahlen steigen seit Jahren und dieses Wintersemester beginnen eine halbe Million Studis an den Unis und Hochschulen. Gleichzeitig wurde so gut wie kein Geld in neue Wohnheime gesteckt. Und gerade in den Unistädten sind die Mieten in den letzten Jahren rasant angestiegen.
Wieviele Wohnheimplätze müssten geschaffen werden, um der erhöhten Nachfrage gerecht zu werden.
Eigentlich müssten möglichst schnell mindestens 25.000 zusätzliche Wohnheimplätze geschaffen werden. Wahrscheinlich sogar deutlich mehr, wenn man bedenkt, dass aktuell über 50.000 auf den Wartelisten stehen. Die Bundesregierung schiebt die Verantwortung auf die Landesregierungen ab und die machen zwar immer wieder Versprechen – aber gebaut wird trotzdem nicht. Ohne Protest von den Studierenden scheint also nichts zu laufen. Deshalb haben wir vor einigen Monaten das bundesweite Bündnis »Studis gegen Wohnungsnot« gegründet und wollen jetzt protestieren.
Wenn über 50.000 Studierende im Moment auf den Wartelisten für einen Wohnheimplatz stehen, was heißt das dann für die Betroffenen?
Viele Studierende beginnen ihr Studium und haben noch keine dauerhafte Wohnung gefunden. Die schlafen dann bei Freunden auf dem Sofa, übernachten die ersten Wochen im Hostel oder pendeln täglich stundenlang von ihrem Heimatort zur Uni. In machen Städten gibt es sogar Notunterkünfte in Turnhallen. Das sind die besonders harten Fälle, die aber keine Seltenheit mehr sind. Die Wohnheime sind in fast allen Städten ausgebucht. Wer zum Beispiel in Köln einen Platz möchte, kann sich auf mindestens 6 Monate Wartezeit einstellen. Oft werden Bewerbungen auf einen Wohnheimplatz gar nicht mehr entgegen genommen.
Aber am Ende finden doch trotzdem die meisten ein Dach über dem Kopf.
Für die Mehrheit der Studis läuft es darauf hinaus, dass sie entweder zu völlig überteuerten Mieten in eine Wohnung in der Innenstadt ziehen oder von außerhalb zur Uni pendeln müssen. Auch diejenigen, die noch vor einigen Jahren eine günstige Wohnung gefunden hatten, müssen sich heute oft mit Mietsteigerungen herumschlagen. Die Studierenden zählen inzwischen zu der gesellschaftlichen Gruppe, die von den Stadtzentren an den Stadtrand gedrängt werden.
Wo ist die Lage besonders schlimm?
Der absolute Spitzenreiter ist München: Dort bezahlen Studierende bei Neuvermietungen durchschnittlich 500 Euro im Monat. Die BAföG-Pauschale für Wohnraum deckt da noch nicht mal die Hälfte der Wohnkosten ab! Auch in Städten wie Frankfurt, Stuttgart und Hamburg ist der Wohnungsmarkt extrem angespannt. Dort muss man als Studierender durchschnittlich deutlich über 350 Euro hinblättern. Aber auch in Städten, die bisher für günstige Mieten bekannt waren, hat sich das Bild gewandelt. Berlin ist inzwischen die neunt teuerste Stadt für Studierende bundesweit.
Aber von den steigenden Mieten sind doch nicht nur Studierende betroffen?
Natürlich sind von den steigenden Mieten nicht nur Studierende betroffen! Ganz und gar nicht. Betroffen sind alle finanziell Schwachen: Arbeiter, viele Rentner und Arbeitslose. Inzwischen aber eben auch Studierende. Ein Studi hat im Monat ein durchschnittliches Einkommen von knapp über 800 Euro – 20% haben sogar weniger als 650 Euro zur Verfügung.
Dabei werden Studierende doch oft als Teil der Gentrifizierung, also der Aufwertung von Wohngegenden und Mietsteigerungen gesehen.
Es ist natürlich so, dass Studierende alleine durch die Wohnform »WG« oftmals höhere Mieten bezahlen können, als eine Familie, die von Hartz IV leben muss. Ich würde das aber als einen gemeinsamen Kampf gegen steigende Mieten und Verdrängung sehen. Darum wollen wir auf regionaler Ebene auch mit anderen Mieterinitiativen und stadtpolitischen Gruppen zusammenarbeiten. In Berlin haben wir zum Beispiel Kontakte zu »Kotti und Co« und dem »Keine Profite mit der Miete« Bündnis. Wir unterstützen uns gegenseitig!
Aber sind es nicht gerade die Studierenden, die die Aufwertung von Stadtvierteln voran treiben und so zur Verdrängung und zu Mietsteigerungen beitragen?
Das ist die alte Geschichte von den bösen Kreativen und Studierenden, die darüber hinwegtäuschen soll, dass hinter steigenden Mieten und Verdrängung knallharte politische und ökonomische Interessen stecken. Natürlich ist es so, dass Studierende durch ihre besondere Rolle auf dem Immobilienmarkt – also durch die hohen Umzugsraten und die Möglichkeit durch WGs etwas höhere Mieten zu bezahlen – oft interessante Mieter für Hausbesitzer sind. Auch die kulturelle Veränderung durch Kreative und Studierende zieht später die Besserverdienenden an. Aber die drastischen Mietsteigerungen in den letzten Jahren lassen sich damit nicht erklären.
Wie lassen sich die allgemeinen Mietsteigerungen denn dann erklären?
Viel ausschlaggebender ist das Ende des sozialen Wohnungsbaus und die radikale Privatisierung öffentlicher Wohnungen seit den 90er Jahren. Außerdem gibt es die Wirtschaftskrise, die viele Investoren dazu veranlasst mit hohen Renditeerwartungen in »Beton-Gold« zu investieren. Die Stadtpolitiker treiben dies voran, da sie lieber die Besserverdienenden in der Stadt haben wollen, um höhere Steuern zu kassieren.
Was wird im Moment gegen die akute Wohnungsnot gemacht?
Für die schlimmsten Fälle wurden in einigen Städten, oftmals von Studierendenvertretungen, Notunterkünfte eingerichtet – so zum Beispiel in München und Frankfurt. Dort können die Studierenden unterkommen und haben dann Zeit eine Wohnung zu finden. In einigen Städten wird auch bei Privatpersonen geworben, Studierende zur Zwischenmiete aufzunehmen. In Paderborn wurden zum Beispiel über 300.000 Brötchentüten mit der Frage »Zimmer frei?« bedruckt.
Aber damit werden ja nur die Symptome, nicht das grundliegende Problem bekämpft.
Das stimmt! Konkret auf Studierende bezogen, müssten mehr Wohnheimplätze geschaffen werden. Insgesamt lässt sich das Problem der Mietsteigerungen nur durch gesetzliche Maßnahmen, wie eine Mietpreisbremse und vor allem durch die Rekommunalisierung und Vergesellschaftung von Wohnraum bekämpfen. Wir sind allerdings davon überzeugt, dass die zuständigen Politiker auch weiterhin im Interesse der Immobilienbesitzer handeln, wenn sie nicht durch Protest unter Druck gesetzt werden.
Max Manzey ist Mitglied im Bundesvorstand des Studierendenverbandes DieLinke.SDS und aktiv im Bündnis »Studis gegen Wohnungsnot«.
Interview: Paula Rauch
Vom 4. bis 8. November gibt es eine Mietenaktionswoche vom Bündnis »Studis gegen Wohnungsnot«. In vielen Unistädten wird es kreative Aktionen und Kundgebungen auf dem Campus und in den Innenstädten geben. In Berlin findet am 7. November eine große Demonstration statt. Am 8. November soll symbolisch ein neues Wohnheim eingeweiht werden: Treffpunkt dafür ist am Roten Rathaus!