Von wegen Rechtsruck: Der Landesparteitag der LINKEN in Nordrhein-Westfalen hat die politischen Grundlagen bestätigt. Jetzt kommt es darauf an, die Pläne in die Tat umzusetzen. Von Nils Böhlke und Sven Kühn
Der Landesparteitag in Münster ist in der Presse als Ruck nach rechts interpretiert worden. Dies wird im Wesentlichen am Personal, aber auch an den inhaltlichen Entscheidungen über Änderungsanträge am Leitantrag festgemacht. Wir teilen diese Einschätzung weder in personeller noch in inhaltlicher Hinsicht.
Im Leitantrag wird weiterhin festgehalten, dass es aktuell nicht zu verkennen ist, »dass SPD und Grüne zu einem echten Politikwechsel eben nicht bereit sind« und eine »Politik der harten Abgrenzung zu SPD und Grünen ist insoweit folgerichtig« ist. Der darauf folgende Satz: »Aber zugleich muss deutlich werden, dass rot-rot-grüne Regierungsoptionen, die die Aufgabe hätten, die Lage der Unterprivilegierten zu verbessern und mehr Demokratie herzustellen, nicht an uns scheitern,« ist strategisch keine Veränderung gegenüber dem Status Quo Ante.
Echter Politikwechsel
Bereits im Landtagswahlkampf 2010 und auch in den vergangenen zwei Jahren im Landtag hat DIE LINKE.NRW immer betont, dass ein Politikwechsel nicht an ihr scheitern wird. Für uns als marx21 Netzwerk muss dabei klar sein, dass der Politikwechsel keine inhaltsleere Floskel sein darf.
Auf der Bundesebene wären wir selbstverständlich für einen Politikwechsel zu haben, wenn Hartz IV, die Agenda 2010 und die Rente erst ab 67 abgeschafft werden sowie die Bundeswehr aus den Auslandseinsätzen zurückgeholt wird.
Soziale Kriterien
In NRW haben wir bereits die Enthaltung beim Haushalt an Kriterien geknüpft, die eine signifikante Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen bedeutet hätten. Die feste Zuschreibung der Oppositionsrolle ist höchstens durch die SPD erfolgt, die im Landtagswahlkampf 2012 eine Koalition von vornherein ausschloss.
Für die konkrete Arbeit unter den gegebenen Umständen ergeben sich durch die angenommenen Änderungsanträge daher aber keine großen Verschiebungen. So ist dann auch der Absatz, der sich auf die weiteren konkreten Schritte bezieht, unverändert im Leitantrag enthalten.
Parteiaufbau und Inhalte
Auch in personeller Hinsicht teilen wir die These des Rechtsrucks nicht. Auch wenn sich an der Spitze die dem Reformlager zugehörigen KandidatInnen Rüdiger Sagel und Gunhild Both durchsetzen konnten. In den weiteren Wahlen wurde allerdings immer deutlicher, dass sich keineswegs immer nur die Kandidaten durchgesetzt haben, die von dem eher reformorientierten Flügel unterstützt wurden.
Vielmehr war zu beobachten, dass die Delegierten in der Regel diejenigen Kandidatinnen und Kandidaten wählten, von denen sie konkrete Aufbauarbeit für die Partei verbunden mit inhaltlichen Antworten, die sich an ihrer alltäglichen politischen Arbeit orientieren, erwarten. Kandidaturen, die dies boten, wurden relativ unabhängig von ihrer Strömungszugehörigkeit gewählt.
Gemischter als vorher
Dennoch ergibt sich für den neuen Landesvorstand nun eine sehr viel heterogenere Zusammensetzung als dies im alten »LaVo« der Fall war. Es wäre jedoch verkürzt, eine Einordnung des neuen gesamten »LaVo« in ein abstraktes »Links-Rechts-Schema« vorzunehmen. Bei einem anderen Personalangebot hätte sich durchaus eine andere inhaltliche Zusammensetzung ergeben können.
Insgesamt gibt der Parteitag dem neuen Landesvorstand einen klaren Arbeitsauftrag an die neue Führung. Wir halten diese Orientierung für richtig und werden den Landesvorstand bei der Umsetzung unterstützen, ihn jedoch auch daran messen.
Aufbau durch Verankerung
Der Leitantrag fordert eine Konzentration auf wenige Kampagnen, diese (auch inhaltlich) von unten auf Regionalkonferenzen zu diskutieren und dann kollektiv umzusetzen. Es wird deutlich kritisiert, dass eine Partei, in der jeder nur sein persönliches Steckenpferd behandelt, nicht wirkungsmächtig werden kann.
Auch der Aufbau der LINKEN in NRW wird in einen richtigen Kontext gestellt. Nach dem Beschluss des Landesparteitages kann der Aufbau der Partei nur durch eine Verankerung an den Hochschulen, in den Betrieben und in den Stadtteilen gelingen. Folgerichtig beschloss der Parteitag dann auch die Unterstützung des Kongresses »Kapitalismus vs. Demokratie«, welcher vom Studierendenverband in Köln ausgerichtet wird.
Aktionstag »UmFAIRteilen«
Darüber hinaus wird das 120-Tage-Programm der beiden neuen Bundesvorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger als Ausgangspunkt genommen, um sich am bundesweiten Aktionstag am 29. September in Köln unter dem Motto »UmFAIRteilen« zu beteiligen. Der Aktionstag dient als Kick-Off für weitere Aktivitäten im kommenden Halbjahr. Dafür soll der Landesvorstand laut Beschluss einen Demonstrationsblock, Mobilisierungsmaterial sowie ein ReferentInnenpool für Mobilisierungsveranstaltungen erstellen.
Der propagierte Rechtsruck hat nicht stattgefunden. Die inhaltliche Grundlage für die weitere Arbeit besteht in nahezu gleicher Weise fort. Es liegt nun an der Gesamtpartei, diese Grundlage zusammen mit dem neuen Landesvorstand mit Leben zu füllen und aktiv umzusetzen.
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