Angelina Jolies erster Film als Regisseurin handelt vom Krieg in Bosnien in den 90er Jahren. Phil Butland hat er nicht überzeugt
Zuerst kam Madonna. Jetzt gibt Angelina Jolie, UN-Sonderbotschafterin, Fließband-Adoptivmutti und Freundin Assads, ihr Regiedebüt mit einem Film über den Konflikt im ehemaligen Jugoslawien. Die Welt kann es kaum erwarten.
In Wahrheit ist es nicht ganz fair, »In the Land of Blood and Honey« mit einer Zurschaustellung persönlicher Eitelkeit wie Madonnas »W.E.« zu vergleichen. Madonnas Liebesbrief an die Nazis können wir getrost als Witz abhaken. Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas sagen würde, aber Angelina Jolie müssen wir sehr ernst nehmen.
Kein Raum für Grauzonen
»In the Land of Blood and Honey« ist kein schlechter Film (allerdings auch kein sonderlich guter – für einen Film über das Grauen des Krieges herrscht bemerkenswertes Desinteresse an den Gefühlen der Opfer). Jedoch ist seine Wirkung höchst schädlich, mit einer einseitigen Darstellung von Guten und Bösen, die man vielleicht einem alten Comicfilm oder Western noch durchgehen lassen könnte. Der Film ist ein Plädoyer für liberalen Interventionismus ohne Raum für moralische Grauzonen.
Auf den ersten Blick erscheint Jolies Argumentation plausibel. Im Jahr 1992 war Bosnien kein guter Ort für Muslime. Serbische Truppen errichteten Vergewaltigungslager, bombardierten Krankenwagen des Roten Kreuzes und schossen beliebig auf Zivilisten. Es musste etwas geschehen. Und mit dem Zerfall der Sowjetunion waren die USA (mit Unterstützung einiger westeuropäischer Länder) die einzige Macht, die diesen Wahnsinn aufhalten konnte.
Die Kraft der Guten
Dazu ist es notwendig, wenn auch nicht ausreichend, darauf hinzuweisen, dass die USA kein überwältigendes Interesse daran hatten, Folter und ethnische Säuberung zu stoppen – wenn die Präsidenten der USA sich von humanitären statt geostrategischen Interessen leiten ließen, hätten sie schon Jahrzehnte zuvor auf Seiten der Kurden oder Palästinenser interveniert.
»Schon möglich«, sagen die liberalen Bombenleger, »aber zeigt nicht der Fall Bosniens, dass einmal, nur dieses eine Mal, ein Eingriff begründet war, und dass die amerikanischen Bombenflieger eine Kraft des Guten waren – ganz unabhängig von ihren Motiven? Würdest du der Verwüstung, wie sie in Jolies Film gezeigt wird, einfach seelenruhig zuschauen?«
Zuhälterei und Waffenhandel
Was jedoch ist tatsächlich in Bosnien passiert, nach dreieinhalb Jahren Krieg und Bombardements, 10.000 Schuss abgereichertem Uran und Zerstörungen im Gegenwert von 30 Milliarden US-Dollar? Als neoliberales Protektorat gibt es immer noch keine Demokratie in Bosnien, aber die Probleme reichen tiefer.
Zwar sind die Vergewaltigungslager verschwunden, aber die »Sicherheitskräfte« der Besatzer spielten eine ähnliche Rolle, organisierte Zuhälterei von zwölfjährigen Mädchen eingeschlossen. Bosnien ist eine der ärmsten Regionen Europas, es gibt sehr viel Waffenhandel, Prostitution, Drogen und organisiertes Verbrechen. Den Kriegsausgaben folgten keine nennenswerten Hilfen für den Wiederaufbau des verwüsteten Landes.
Revolution gegen Milosevic
Letztendlich waren es nicht die westlichen Truppen, die Milosevic vertrieben haben, sondern eine serbische Revolution im Oktober des Jahres 2000. Die Bombardierungen haben diese Revolution verzögert, weil sie viele Serben zur Unterstützung Milosevics gezwungen haben.
Die Gewerkschaftssekretärin Gordana Burazersaid sagte damals: »Die Führung im Westen kann behaupten, sie hätte Milosevic gestürzt. Aber getan haben wir es. Die Bombardierung der NATO hat es erschwert, sich Milosevic entgegenzustellen. Die Sanktionen in den letzten zehn Jahren haben die Arbeiter und Arbeiterinnen getroffen, nicht Milosevic und die Reichen.«
Politik infiziert Kunst
Das mag wohl sein, aber ist das wichtig für den Film? Kunstwerke sollten doch an ihren eigenen ästhetischen Ansprüchen gemessen werden, nicht an ihren politischen Aussagen. Ist nicht »Die Faust im Nacken« einer der besten Filme des letzten Jahrhunderts, trotz seiner Glorifizierung von Streikbrechern und Unterstützern der antikommunistischen Hexenjagd?
Das Problem ist aber, dass Jolies Politik die Kunst infiziert. Die oberflächliche Darstellung von guten Bosniern und bösen Serben bleibt ungebrochen. Zum Beispiel wird am Anfang des Films erzählt, dass bis zum Jahr 1992 Serben, Kroaten und Muslime in Bosnien friedlich zusammengelebt haben. Im weiteren Verlauf wird diese Tatsache wiederholt von Muslimen und Musliminnen bekräftigt. Aber die Serben, die in dieser multikulturellen Utopie gelebt haben, kommen einfach nicht vor.
Muslime ohne Kopftuch und Bart
Eine mögliche Ausnahme gibt es in Gestalt von Danijel, der eine zweifelhafte Beziehung mit der Muslimin Ajla eingeht. Er scheint sie zu lieben, doch wenn seine Stimmung plötzlich umschlägt, misshandelt er sie.
Es wäre sicherlich spannend gewesen, Danijels inneren Konflikt zu zeigen – er ist der Sohn eines Generals und selber als Offizier bei seinen (bösen, rassistischen, vergewaltigenden) Untergebenen sehr beliebt, aber im Grund seines Herzens ein guter Kerl. Das weiß der Zuschauer aber nur, weil er es erzählt bekommt. Gezeigt wird nichts von diesem emotionalen Konflikt, und Danijels Stimmungsschwankungen bleiben rätselhaft.
Wenig besser ergeht es den muslimischen Bosniern und Bosnierinnen. Erst einmal habe ich selten so westlich aussehende Muslime gesehen. Weit und breit keine Kopftücher oder langen Bärte, damit auch ja jeder versteht, dass dies hier die Guten wären, wenn sie sich nur selbst verteidigen könnten. Außerdem verhalten sie sich völlig passiv; schicksalsergeben erwarten sie die rettende Kavallerie aus amerikanischen Bombenfliegern.
Die Kriege der Demokraten
Eine solche Sicht auf die Welt ergibt kein fesselndes Drama. Ajla erträgt Danijels Launen ohne Protest und, bis auf die gelegentliche angestrengte Träne, ohne Gefühle zu zeigen. Sie darf keinen lebendigen Charakter entwickeln, denn dann wäre sie nicht nur das Opfer geblieben, das geduldig der Rettung harrt.
Den wahren Held von »In the Land of Blood and Honey« bekommen wir nie zu sehen. Es ist Bill Clinton, Präsident der Demokraten aus einer Zeit, in der die USA noch erfolgreiche Kriege geführt haben. Hollywoods Liberale wie Angelina Jolie verabscheuten die Kriege unter Präsident Bush, allerdings lehnten sie weder prinzipiell Kriege der USA ab, noch hatten sie etwas gegen den Export US-amerikanischer Werte.
Sie verachteten Bush, weil er keine erfolgreichen Kriege führte. Ihr Idol Clinton konnte wenigstens noch im Namen von Demokratie Tod und Zerstörung anrichten, statt ganz offensichtlich nur die Interessen der Ölbarone durchzusetzen.
Iran und Syrien
20 Jahre später ist wieder ein Demokrat im Weißen Haus. Und Barack Obama befindet sich in einem ganz ähnlichen Dilemma wie Clinton damals: Wie lässt sich die hegemoniale Stellung der USA inmitten einer schweren Rezession aufrechterhalten, während andere Mächte wie China an Einfluss gewinnen? Die Jahre unter Bush haben gezeigt, dass Kriege, die offensichtlich nur den Profiten multinationaler Konzerne dienen, auf massiven Widerstand stoßen.
Also lässt Obama seine Truppen im Namen von Demokratie und für die arabische Revolution töten und sterben. Die bösen Serben werden durch die bösen arabischen Diktatoren ersetzt (dieselben, die noch vor ein paar Jahren gern gesehene Gäste im Weißen Haus waren). Eigentlich ist »In the Land of Blood and Honey« weniger ein Film über Bosnien als über den Iran und Syrien.
Kunst und Propaganda
Auf die eine oder andere Art ist fast jede Kunst Propaganda. Sie wird von Menschen geschaffen, die einen bestimmten politischen Standpunkt vertreten. Es gibt keine geheime Abteilung im Weißen Haus, die Filmskripts zur Rechtfertigung der amerikanischen Außenpolitik verfasst. Die braucht es aber auch gar nicht.
Wenn reiche liberale Filmmacher wie Angelina Jolie solchen Unsinn wie »In the Land of Blood and Honey« ausspeien, spiegeln sie nur die herrschenden Vorstellungen ihrer politischen Klasse wider. Leider sind dabei Filme wie »Die Faust im Nacken« eine große Ausnahme. Wo es an politischer Klarheit mangelt, folgt künstlerische Faulheit meist auf dem Fuße.
Der Film:
»In the Land of Blood and Honey«
USA 2011
Regie: Angelina Jolie
Im Kino
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