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Der Durchbruch im Saarland bietet eine Blaupause für den Endspurt im Bundestagswahlkampf. Von Christine Buchholz
Für DIE LINKE sind die Erfolge bei den Landtagswahlen im Saarland und in Thüringen in vielfacher Hinsicht ein Schritt nach vorne. In den letzten Monaten versuchten die Medien und Umfrageinstitute gezielt, die Anhänger der LINKEN durch stagnierende Wahlumfragen zu entmutigen. Jetzt lagen die Ergebnisse in Thüringen und Saarland erheblich über den Umfragen – in Thüringen bei 27,4 Prozent (letzte Umfrage 23 Prozent), im Saarland bei 21,3 Prozent (letzte Umfrage 16 Prozent).
Die Zuwächse an absoluten Stimmen zeigen, dass der Fortschritt der LINKEN wirklich Substanz hat: In Thüringen gewannen wir 25.215 Stimmen dazu (plus 9,6 Prozent), in Saarland unglaubliche 103.420 Stimmen (plus 1010 Prozent).
Gerne würden die bürgerliche Presse und Parteien den Durchbruch im Saarland auf den »Oskar-Effekt« reduzieren und damit seine politische Bedeutung runterspielen. Entscheidend ist aber das politische Profil, mit dem Oskar Lafontaine seinen Wahlkampf bestritten hat: Auf der Grundlage des bundesweiten Kernprofils der LINKEN (Weg mit Hartz IV, Nein zur Rente mit 67, Her mit dem gesetzlichen Mindestlohn, Raus aus Afghanistan) hat er den Wahlkampf fortwährend polarisiert, die Unterschiede zu den anderen Parteien und Alleinstellungsmerkmale der LINKEN herausgearbeitet.
Dazu kam ein engagierter Basiswahlkampf der Partei vor Ort. Diese Kombination hat bewirkt, dass DIE LINKE 43.000 vormalige Nichtwähler für sich mobilisieren konnte – DIE LINKE war damit im Alleingang für die steigende Wahlbeteiligung verantwortlich. Auch in Thüringen konnte DIE LINKE 9.000 Stimmen von Nichtwählern mobilisieren.
DIE LINKE als Arbeiterpartei
Andere wichtige Schritte nach vorn: In der Vergangenheit ist DIE LINKE zumeist stärkste Partei unter Arbeitslosen geworden. Das war auch diesmal so – mit 46 Prozent im Saarland, 33 Prozent in Sachsen und 33 Prozent in Thüringen. Neu ist hingegen, dass DIE LINKE im Saarland mit 34 Prozent die stärkste Partei unter Arbeitern geworden ist – vor der SPD mit 27 Prozent. Das ist ein wichtiger Schritt, denn nur durch eine stärkere Verankerung in der Arbeiterbewegung kann DIE LINKE eine wichtige Rolle als Motor in den kommenden Abwehrkämpfen spielen. Die Meldungen über geplante Massenentlassungen nach der Wahl und einbrechende Staatsfinanzen legen nahe, dass DIE LINKE bald dringend bei der Unterstützung der Betroffenen gebraucht wird.
Das Wahlergebnis in Sachsen unterscheidet sich deutlich von denen im Saarland und in Thüringen. Hier hat DIE LINKE 19.000 Stimmen an die SPD verloren – obwohl die SPD in der Regierung sitzt und DIE LINKE in der Opposition. DIE LINKE mobilisierte keine Nichtwähler, sondern verlor 40.000 Stimmen an sie. Der sächsische Wahlkampf war weniger polarisierend. Eine weitere Ursache für diese Entwicklung dürfte auch die Spaltung der Dresdner Stadtratsfraktion der LINKEN über die Frage der Wohnungsprivatisierung gewesen sein. Einige abtrünnige Abgeordnete der LINKEN hatten, entgegen dem erklärten Willen der Partei, für die Privatisierung gestimmt und damit dem Ansehen der Partei insgesamt enorm geschadet.
Stärker als jede andere Partei ist DIE LINKE darauf angewiesen, dass sie sagt, was sie tut, und tut, was sagt – gerade weil wir uns als Alternative zum permanenten Wortbruch der SPD aufbauen.
Verliererin CDU
Die CDU ist die große Wahlverliererin der drei Landtagswahlen. Der Verlust an Rückhalt in der Bevölkerung kommt in den absoluten Zahlen noch besser zur Geltung als in den prozentualen Bewegungen.
In Thüringen verlor sie trotz gestiegener Wahlbeteiligung 104.847 Stimmen – fast ein Viertel. Im Saarland betrug das Minus 25.153, rund 12 Prozent weniger. Selbst in Sachsen, wo die CDU sich als Wahlsieger gibt, hat sie 132.203 Stimmen verloren, rund 15 Prozent weniger.
Ursache der CDU-Verluste ist das anhaltende Bedürfnis nach sozialer Gerechtigkeit. 66 Prozent der Wähler bei den drei Landtagswahlen haben der Aussage zugestimmt, »dass sich unter der CDU/CSU die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnet« – und dies offenbar negativ bewertet. Dazu wurde auch gefragt, ob sich die Politik stärker für mehr Solidarität oder mehr Leistung einsetzen solle. Klares Votum: Mehr Solidarität – 60 Prozent in Thüringen, 64 Prozent im Saarland, 62 Prozent in Sachsen.
Das widerspricht jenen Kommentatoren, die nach der Europawahl gesagt hatten, angesichts der Krise schlage die Stunde derjenigen Parteien, denen hohe Wirtschaftskompetenz zugesprochen werde. Bei der Wirtschaftskompetenz führt die CDU überall – und verlor trotzdem.
Die Zugewinne der FDP widersprechen dieser Analyse nicht – sie kommen wie bei den Wahlen vorher im Wesentlichen durch die Kannibalisierung der CDU zustande. Dazu konnte die FDP noch im Saarland und in Thüringen Nichtwähler mobilisieren.
Gegenwind für die SPD
Die SPD-Führung feierte den Wahlabend ausgiebig und sprach von »Rückenwind für die Bundestagswahl« . Die realen Zahlen können nicht der Grund für die Ausgelassenheit gewesen sein. In Sachsen hat die SPD ihren historischen Stimmentiefstand von 2004 noch einmal unterboten und weitere 17.216 Stimmen verloren (-8,4 Prozent) – nur durch die niedrigere Wahlbeteiligung ergibt sich ein Prozentplus von 0,6 Prozent. Im Saarland ein ähnliches Bild, die SPD verlor trotz sprunghaft gestiegener Wahlbeteiligung 4.983 Stimmen und erzielte auch prozentual das schlechteste Ergebnis aller Zeiten im Saarland. Einzig in Thüringen hat die SPD einen Satz nach vorne machen und 49.056 Stimmen dazu gewinnen können.
Das zeigt, dass die Spekulation der SPD auf partielle Amnesie der Wähler nicht wie geplant aufgeht. Gefragt, was die Ursache für die Schwäche der SPD sei, antworteten über 60 Prozent: »Die Einführung der Rente mit 67.« In Thüringen sagen 74 Prozent, die SPD habe mit Hartz IV ihre Prinzipien aufgegeben.
Nazis: Keine Entwarnung
Zufriedene Gesichter bei der NPD: War die Partei wegen der Krise ihrer Parteifinanzen und interner Kämpfe zum Jahresanfang noch totgesagt, schaffte sie jetzt in Sachsen erstmalig den Wiedereinzug in ein Landesparlament. In Thüringen konnte sie ihr Ergebnis verdreifachen – Resultat von jahrelanger Basisarbeit. Bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen hat die Gruppe »Pro Köln« mit einem islamfeindlichen Wahlkampf in Köln 5,5 Prozent geholt.
Der Erfolg von Nazi-Parteien ist nicht nur an ihren Wahlerfolgen zu messen. Denn Nazi-Organisationen sind etwas qualitativ anderes als die übrigen Parteien. Nazis gehen zwar in die Parlamente, aber diese Arbeit ist nur ein Element in der »Drei-Säulen-Strategie« der NPD: Kampf um die Straße, Kampf um die Parlamente und Kampf um die Köpfe. Das eigentliche Ziel der Nazis ist, eine eigenständige außerparlamentarische Macht aufzubauen, um die Demokratie abzuschaffen und Terror gegen Schwule, Lesben, Migranten, Gewerkschafter und Linke zu verbreiten. Von daher ist die Nazi-Gefahr so lange präsent, wie die Nazis in der Lage sind, ungestört Aufmärsche zu machen und sich im ländlichen Raum zu verankern. In Sachsen hatten die Nazis dieses Jahr in Dresden ihren größten Mobilisierungserfolg – 6.000 Rechtsextreme marschierten dort im Februar am Jahrestag der Bombardierung der Stadt durch die Alliierten. Für das nächste Jahr, den 65. Jahrestag, haben sie bereits eine erneute europaweite Großmobilisierung nach Dresden angekündigt. Diesen geplanten Naziaufmarsch zu verhindern, sollte ein wichtiger Fokus für alle Antifaschisten werden.
Die Konsequenzen aus der Wahl
1. Profil der LINKEN offensiv in die Öffentlichkeit tragen, polarisieren, aktivieren: Der Durchbruch im Saarland, vor allem im Vergleich zu Sachsen, gibt uns für die nächsten vier Wochen eine Blaupause, wie wir erfolgreich agieren können: Fokussierung auf die sozialen Anliegen, die DIE LINKE von allen anderen Parteien unterscheiden (Weg mit der Rente mit 67, Weg mit Hartz IV, Her mit der Millionärssteuer, Her mit dem Mindestlohn), Raus aus Afghanistan als weiteres Alleinstellungsmerkmal, harte politische Polarisierung gegen die anderen Parteien und das vermittelt über einen engagierten, aktivierenden Basiswahlkampf. Die Aktivierung der Mitglieder ist eine große Aufgabe im Wahlkampf. Jeder und jede kann sich beteiligen. Allen Mitgliedern und Sympathisanten die Möglichkeit zu geben, ihren auch noch so kleinen Beitrag zu einem aktiven Wahlkampf vor Ort zu leisten, ist die Aufgabe der Parteistrukturen an der Basis.
2. Koalitionspoker – Klare Bedingungen durch DIE LINKE: Die Möglichkeit von Rot-Rot in Thüringen und Rot-Rot-Grün im Saarland spiegeln eine vorhandene Wechselstimmung wieder, für die DIE LINKE mehr als jede andere Partei gekämpft hat. DIE LINKE sollte sich zum Wechsel bereit erklären – aber nicht um den Preis der Aufgabe ihrer Politik. Die SPD und wohl auch die Grünen hoffen, DIE LINKE in einem linken Lager eingemeinden zu können und ihr die Zähne zu ziehen.
Heiko Maas sagte schon im Vorfeld der Saarwahl: »Also, programmatisch sind die Schnittmengen am größten mit den Grünen und auch mit der Linkspartei. Allerdings, die politischen Inhalte sind das eine, sie müssen auch umgesetzt werden. Und da ist die große Frage, ob die Regierungsfähigkeit bei der Linkspartei gegeben ist. Wer im Saarland, in einem Haushaltsnotlagenland regieren möchte, der wird auch in den kommenden Jahren hart sparen müssen und unbequeme Entscheidungen mittragen müssen. Und wenn die Linkspartei das nicht tun möchte, ist sie auch nicht geeignet als Koalitionspartner in einer Regierung.«
Der Hintergrund von Maas' Ansage der »unbequemen Entscheidungen« ist die absehbare Finanzkatastrophe in Ländern und Kommunen in Folge der Finanzkrise. Der SPIEGEL schreibt: »Die Zahlen, die die Haushälter in den Ländern zusammengestellt haben, lassen für die nächsten Jahre qualvolle Sparhaushalte, Rekordschulden und Leistungskürzungen erwarten.« Die globalen Ausfälle werden zwischen 10-20 Prozent angesetzt.
Sich im Saarland und in Thüringen zum Mitverwalter der leeren Kassen zu machen, widerspricht dem, was Oskar Lafontaine als »Haltelinien« ausgegeben hat: »Kein Personalabbau, kein Sozialabbau, keine Privatisierungen« . Er weist zu Recht darauf hin, dass – wenn DIE LINKE diese Linien durchbräche – sie unglaubwürdig und überflüssig wäre.
Im Gegenteil – es lohnt sich, DIE LINKE zu wählen, weil dies eine Ermutigung all derer ist, die sich gegen Hartz IV, die Rente mit 67, die katastrophale Bildungssituation, gegen Massenentlassungen und den Krieg in Afghanistan wehren. Ihren Widerstand wird es brauchen, wenn die Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer, Rentner und Erwerbslosen nach der Bundestagswahl die Rechnung für das bisherige Krisenmanagement der Bundesregierung präsentiert bekommen und die Unternehmen Massenentlassungen machen. DIE LINKE ist die einzige Partei, die diesen Widerstand innerhalb und außerhalb der Parlamente unterstützen und beflügeln kann.
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