Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – das forderten 1968 knapp 200 Frauen in einer britischen Autofabrik. Regisseur Nigel Cole (»Kalender Girls«) hat über deren Arbeitskampf einen politisch klugen Spielfilm gedreht. Von Phil Butland
Juni 1968 in Dagenham, England. Studenten kämpfen mit der Polizei, aber für Rita (Sally Hawkins) sind das nur Hintergrundgeräusche aus ihrem Schwarzweißfernseher. Sie hat Wichtigeres zu tun. Ihre Kinder und ihr nutzloser Mann müssen gepflegt und gefüttert werden, bevor sie zur Arbeit geht.
Rita ist eine der 187 Maschinistinnen, die neben 50.000 Männern in der Ford-Autofabrik arbeiten. Die Arbeitsbedingungen der Frauen sind furchtbar: Sie arbeiten in einem schäbigen überhitzten Nebengebäude, mit Löchern im Dach, durch die der Regen tröpfelt. Und sie kriegen viel weniger Geld als ihre männlichen Arbeitskollegen, weil ihre Arbeit als »ungelernt« klassifiziert ist.
Einstimmig für Streik
Mit Unterstützung ihres Vertrauensmanns Albert (Bob Hoskins) entscheiden sich die Frauen einstimmig zu streiken. Der Streik beunruhigt jedoch nicht nur die Firma, sondern auch die Gewerkschaftsbürokraten, die ihre traditionellen Verfahrensweisen bedroht sehen. Die Bürokraten sind nicht an sich korrupt, sie vertreten aber andere Interessen als die ihrer Arbeiterinnen.
Sie streben vor allem ein behagliches Leben an, wo sie ab und zu auf ein Treffen in »Bernie's Inn« eingeladen werden. »Bernie's Inn« ist ein Symbol dafür, wie billig die Bürokraten sich kaufen lassen. Nicht mehr als ein Rasthof, bietet das Lokal nur die Gelegenheit, auswärts zu essen, was den meisten Arbeiterinnen in den 60ern ganz unmöglich gewesen wäre.
Selbst aktiv werden
Der Film macht klar, dass die zögerliche Haltung der Gewerkschaftsbürokraten nicht von Faulheit oder einer unpolitischen Haltung herrührt – diese Bürokraten sind fast alle stolze Marx zitierende Mitglieder der Britischen Kommunistischen Partei. Die KP hatte aber schon seit langem entschieden, dass Sozialismus nur von außen gebracht werden kann – ob mit russischen Panzern oder durch gemütliche Gespräche mit den Bossen und Labour-Ministern. Arbeiterinnen, die sich wehren wollen, müssen selbst aktiv werden.
Also organisieren sich Rita und ihre Arbeitskolleginnen. Zuerst bekommen sie Unterstützung von ihren Männern, die schon oft genug gestreikt haben – jetzt sind die Frauen an der Reihe. Aber als der Streik sich verfestigt und Männer entlassen werden, rücken alten sexistische Ideen wieder in den Vordergrund: Die Frauenarbeit sei nicht so wichtig – sie arbeiten sowieso nur für ein Taschengeld. Und wer soll die Kinder erziehen? So sehen wir, wie Sexismus nicht nur Frauenrechte verhindern kann, sondern auch effektiven Widerstand.
Frauen aus der Arbeiterklasse
Letztendlich aber erringen die Frauen einen Teilsieg – und sie und ihre Männer lernen etwas über ihre Beziehungen miteinander. Was sonst erwartet man von dem Regisseur von »Kalender Girls«? Aber trotz aller Klischees aus anderen Wohlfühlfilmen ist »We Want Sex« tatsächlich anders als die meisten Filme – nicht nur aus Hollywood, sondern auch aus dem angeblich fortschrittlicheren Europa. Dass Menschen aus der Arbeitsklasse überhaupt dargestellt werden – geschweige denn Frauen aus der Arbeiterklasse – ist außergewöhnlich. Dass diese Arbeiterinnen für ihre Rechte kämpfen, ist noch außergewöhnlicher. Und sie sehen ganz normal aus – manche ein bisschen schöner, manche ein bisschen weniger.
Das alles heißt nicht, dass der Film keine Schwächen hat. In einer Filmindustrie, wo Frauen fast immer oberflächliche Rollen bekommen, ist es vielleicht ein Fortschritt, dass in diesem Film die Männerrollen eindimensional sind. Es gibt interessanterweise zwei Ausnahmen: Vertrauensmann Albert und der Ford-Unterhändler Robert Tooley (Richard Schiff) – zwei Klassenkämpfer von entgegengesetzten Seiten, die ihren Charakter durch Kampf entwickelt haben. Und es nervt ein bisschen, dass die anderen Kämpfe des herrlichen Jahres 1968 nur einmal zu sehen sind, und dann nur im Fernsehen. Man kann einwenden, dass die Kämpfe der Ford-Frauen nur richtig verstanden werden können im Rahmen der zeitgenössischen weltweiten Bewegung.
Stärker vereint
Aber meine größte Kritik – abgesehen vom schrecklichen Titel der deutschen Version (Original: »Made in Dagenham«) – dieses ansonsten politisch klugen Films ist, dass er den Eindruck erweckt, dass die gemeinsamen Interessen aller Frauen über der Klassensolidarität stehen. Die anfängliche Unterstützung seitens der männlichen Arbeiter nimmt ab, nachdem die Männer entlassen werden. Das war zweifellos oft der Fall, aber wir hören kaum eine Überlegung, ob ein Sieg für die Frauen nicht doch ein Gewinn für die ganze Klasse wäre. Auch Albert, der den Streik bis zum bitteren Ende unterstützt, agiert mehr aus Mitleid als aufgrund der Idee, dass eine vereinigte Arbeiterklasse eine stärkere Arbeiterklasse ist.
Frauen aller Klassen sind viel sympathischer geschildert. Ein wichtiger Teil des Films ist die Freundschaft zwischen Rita und Lisa (Rosamund Pike), der Frau des Unternehmers bei Ford. Der Charakter Lisa ist künstlerisch und politisch wichtig, um zu zeigen – mit Recht – dass Sexismus nicht nur Arbeiterinnen betrifft, sondern Frauen aller Klassen. Lisa ist eine Geschichts-Absolventin, die begeistert ist, eine Frau zu treffen, die tatsächlich Geschichte macht. Aber der Grund der Freundschaft zwischen Rita und Lisa wäre in Wirklichkeit fast unmöglich. Ihre Sohne gehen auf dieselbe Schule, aber das britische Schulsystem, damals und heute, ist so organisiert, dass die Kinder der Herrschenden auf Privatschulen geschickt werden und keine Gelegenheit haben, sich mit ihren sozialen Untergebenen zu mischen.
Beispiel Thatcher
Ähnlich wird Barbara Castle – die Ministerin der Labour-Regierung, die hartnäckig gegen Arbeiter und Arbeiterinnen gekämpft hat – viel zu unkritisch behandelt, als jemand, der regieren will, aber letztendlich auf der Seite der Frauen ist. Der Unterschied zwischen ihr und Ministerpräsident Wilson ist angeblich ihr Geschlecht. Ein Land, dass inzwischen eine Ministerpräsidentin Thatcher erlitten hat, hat gelernt, dass Arbeiterinnen viel mehr Solidarität von ihren Arbeitskollegen gewinnen können als von Bossen und Politikern aller Geschlechter und Parteien.
Diese Kritik ist aber nebensächlich bei einem Film, der solche Debatten über den Kampf gegen Sexismus und für Arbeiterkontrolle provozieren kann. Über die politischen Schlussfolgerungen kann man stundenlang streiten. Es gibt zu wenige Filme zurzeit, worüber man das sagen kann.
Mehr im Heft:
Ein kurzes Interview mit den Regisseur erscheint in marx21, Nr. 19. Das Heft ist ab 7. Februar erhältlich.