Das Konjunkturprogramm der Bundesregierung ist als Mittel gegen die Krise untauglich. marx21 stellt alternative Maßnahmen vor, die Arbeitern und Armen nutzen.
Die Krise der so genannten Realwirtschaft ist jetzt amtlich: Die Weltbank geht in ihrem neuen Report davon aus, dass erstmals seit 1945 alle wesentlichen Ökonomien gleichzeitig in die Rezession gehen. Die Prognosen für Deutschland schwanken zwischen minus 1 Prozent bis minus 5 Prozent. "Wir sind in einer Rezession. Es liegt ein schweres Jahr 2009 vor uns", sagte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) gegenüber dem "Tagesspiegel".
Nun will die Regierung ein Konjunkturpaket beschließen. Doch was sie diskutiert, ist entweder Umverteilungspolitik im Interesse der Reichen, ineffektiv oder beides.
Entlastung der Bosse
Hinter Konjunkturprogrammen verstecken sich oft Subventionen der Unternehmer, zum Beispiel durch Ausweitung von Abschreibungsmöglichkeiten oder Investitionszulagen. Solche Art von Programmen sind im Interesse der Bosse. Sie haben den großen Nachteil, dass sich mit ihnen nicht absichern lässt, dass zusätzliche Investitionen getätigt werden, die sich in mehr Arbeitsplätzen niederschlagen. Auch mit staatlichen Zulagen investieren Unternehmer nicht in den produktiven Sektor, wenn Märkte zusammenbrechen. Bereits im vergangenen Aufschwung mangelte es an arbeitsschaffenden Investitionen. Stattdessen wurde eine neue Spekulationsblase geschaffen, das Geld an der Börse verzockt.
Doch das "Konjunkturprogramm" der Regierung besteht im Kern aus "angebotspolitischen" Maßnahmen, also aus Stützungen der Unternehmer. Diese werden die Subventionen gerne entgegennehmen ohne Arbeitsplatzgarantien abgeben oder neue Jobs schaffen zu müssen. Damit wirkt Schwarz-Rot der Krise nicht entgegen, sondern setzt die Politik im Interesse der Bosse fort.
Steuersenkungen
Wie sieht es mit Steuersenkungen als Mittel gegen die Krise aus? Hier steckt der Teufel im Detail: So ist die Forderung nach einer Mehrwertsteuersenkung unterstützenswert, weil dadurch die Arbeiterklasse entlastet wird. Im Konjunkturprogramm ist sie nicht vorgesehen und Kanzlerin Merkel hat sie explizit abgelehnt.
Die geplante KfZ-Steuersenkung ist hingegen eine als arbeitnehmerfreundlich etikettierte Hilfe für deutsche Limousinenbauer. Denn die KfZ-Steuer berechnet sich nach Hubraum und Schadstoffausstoß – eine prozentuale Senkung entlastet Besitzer von großen und qualmenden Autos am stärksten.
Viele Vorschläge sind zudem Subventionen für Bosse und Betuchte – getarnt als angebliche Maßnahmen gegen die Krise. Insgesamt gilt für Steuersenkungen, dass sie ausfallende Nachfrage nicht kompensieren können.
Ablenkungsmanöver
Neben der Art der Maßnahmen ist auch das Volumen des so genannten "Konjunkturprogrammes" kritikwürdig. Angeblich soll es eine "Investitionswirkung" von insgesamt 50 Milliarden Euro haben, die allerdings über vier Jahre verteilt. Das ist viel zu zu wenig, um einer Krise zu begegnen. Laut Berechnungen der "Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik" sind es insgesamt sogar nur 22 Milliarden Euro.
Es drängt sich der Verdacht auf, dass dieses Programm lediglich die Gemüter beruhigen und von der Tatsache ablenken soll, dass die Masse des Geldes in Form von Bürgschaften und "Rettungspaketen" für Banken bereit gehalten wird.
Speck auf die Rippen
Um der Krise wirklich etwas entgegenzusetzen, wäre es zunächst notwendig, dafür zu sorgen, dass die Masse der Bevölkerung mehr Geld im Portemonnaie hat. Denn während in den oberen Einkommens- und Vermögensschichten nur ein kleiner Teil des Einkommens konsumiert wird, geben Durchschnittsverdiener und Ärmere den größeren beziehungsweise größten Teil ihres Einkommens für den Konsum aus. In anderen Worten: haben sie mehr Geld zur Verfügung, wird auch mehr ausgegeben.
Ein Konjunkturprogramm, dass auf die Erhöhung der Einkommen von Durchschnittsverdienern und Armen zählt, hätte zwei Vorteile: Erstens würde es der massiven Umverteilung von Arm zu Reich entgegenwirken, die unter dem Neoliberalismus in den letzten 20 Jahren von Regierungen und Unternehmern organisiert wurde. Zweitens würde sie die Binnenkonjunktur stützen.
Jedoch kann auch bei solchen Maßnahmen niemand garantieren, dass damit eine Krise überwunden wird. Denn diese hat ihre Ursachen nicht in zu geringem Konsum der Massen, sondern in einem langfristigen tendenziellen Sinken der Profitraten. Doch das Mindeste, was damit erreicht würde, wäre, dass die Masse der Bevölkerung in finanzieller Hinsicht etwas mehr "Speck auf den Rippen" hat. Sinnvolle Maßnahmen wären unter anderen:
- Sofortige und deutliche Anhebung sozialer Leistungen, weg mit Hartz IV und mit der Rente mit 67
- Signifikante Senkung der Mehrwertsteuer
- Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes, der eher bei 10 als bei 7,50 Euro liegen müsste. Denn viele arbeiten notgedrungen nur Teilzeit und haben und keine Aussicht auf eine volle Stelle. Je höher ihr Stundenlohn ist, desto besser kommen sie über die Runden.
Mit mehr Geld alleine ist es allerdings nicht getan. Ein wirksames Programm gegen die Krise müsste auch einen Schutz gegen Entlassungen beinhalten sowie staatliche Investitionen, die den Sozialstaat stärken und Arbeitsplätze schaffen. Zum Beispiel:
- Verhinderung von Entlassungen durch staatliche Eingriffe.
- Ein groß angelegtes sozial-ökologisches Investitionsprogramm (Umbau der Energieversorgung auf erneuerbare Energien, Gebäudesanierung, Sanierung von Schulen, Investitionen in Krankenhäuser und Altenpflege etc.)
- Ausbau des Sozialstaates und öffentlichen Dienstes statt Privatisierungen
- Rückverstaatlichung privatisierter Bereiche (Krankenhäuser, Müllentsorgung, Verkehrsbetriebe, Energieversorgung etc.)
- Verstaatlichung und öffentliche Kontrolle des Finanzwesens und von Betrieben, die in der Krise abzurutschen drohen
Solche für die breite Masse der Bevölkerung nützliche Maßnahmen werden nicht vom Himmel fallen. Unternehmer werden sie bekämpfen, von der Regierung werden sie abgelehnt werden. Es wird massiver Druck in den Betrieben und auf der Straße nötig sein, um zu verhindern, dass die Krise auf dem Rücken von Arbeitern und Armen abgewälzt wird.
Auswirkungen der Krise
Die Auswirkungen der Krise sind noch nicht vollständig absehbar. Jede dritte Firma in Deutschland will entlassen und kann dies dank Leiharbeit und unterminiertem Kündigungsschutz auch tun. Die Arbeitslosigkeit kann also schnell steigen. Die Krise wird auch auf die öffentlichen Haushalte durchschlagen. Optimistische Schätzungen, die für nächstes Jahr noch ein leichtes Wirtschaftswachstum vorhersagen, gehen von einem Steuereinbruch in Höhe von 18,5 Milliarden für Bund, Länder und Kommunen aus. Die reale Zahl könnte höher liegen.
Dazu rollen auf Bund und Länder die fälligen Bürgschaften für Landes- und Privatbanken zu. In Ländern wie Sachsen, die sehr hohe Verpflichtungen eingegangen sind, können sich die Ausfälle und Zusatzkosten auf 50 Prozent des öffentlichen Haushalts summieren. Unter diesen Bedingungen ist es unwahrscheinlich, dass die Konservativen – und auch Merkel selbst – ihr auf sozialem Ticket erworbenes Umfragezwischenhoch als Schutzengel der Kleinsparer und Auto-Arbeiter halten können. Soziale Angriffe werden kommen – eingeleitet von dieser Regierung. Das wissen auch Merkel und Steinbrück. Die Bevölkerung soll auf harte Zeiten eingestimmt werden.
Gewerkschafter und Linke
Gewerkschafter und Linke haben daher eine große Verantwortung. Es ist ihre Aufgabe, Widerstand gegen das Abwälzen der Krise auf Arbeiter und Arme zu artikulieren und zu organisieren. Das setzt zwei Dinge voraus: eine scharfe Kritik an den Maßnahmen der Regierung und ein Paket mit Forderungen, die die Interessen von Arbeitern und armen ausdrücken.
Praktisch wirksam wird diese Kritik, wenn sie massenwirksam in die Betriebe und auf die Straße getragen wird: Proteste, Demonstrationen und Streiks sind die nötige Antwort auf den Klassenkampf von oben.
Darüber hinaus stellt sich die Frage nach einer anderen Gesellschaft, in der die Bedürfnisse der Menschen im Mittelpunkt stehen statt die Gewinninteressen einer Minderheit. Denn die Krise folgt aus der Art, wie Kapitalismus funktioniert: Konkurrenz von Unternehmen auf Märkten um möglichst hohe Profite. Der Kampf gegen das Abwälzen der Krise auf die Mehrheit der Bevölkerung hängt mit dem Kampf für eine sozialistische Gesellschaft zusammen. Das gewachsene Interesse an den Ideen von Karl Marx zeigt, dass Sozialisten viele neue Zuhörer und neue Mitstreiter finden können.