Der LINKEN kann ein zweiter Aufbruch gelingen, wenn sie sich im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 klar als Partei des Widerstands positioniert. Der Parteitag in Göttingen bietet die Chance dazu
Die Angriffe des europäischen Kapitals und seiner Regierungen haben verheerende Wirkung auf die Lebenssituation von Millionen Menschen in Europa, auf den Sozialstaat und die Demokratie. In den am stärksten von der Krise geschüttelten Ländern hat es infolge der Eurokrise einen beispiellosen wirtschaftlichen Niedergang gegeben.
Die jeweiligen Regierungen setzen strikte Verarmungsprogramme durch, statt die Verursacher und Profiteure der Krise zahlen zu lassen. Europaweit wächst der Widerstand, bis hin zu Generalstreiks.
Krise auch in Deutschland
Das europäische Spardiktat wird auch die politischen Koordinaten in Deutschland über die Bundestagswahl 2013 hinaus bestimmen. Deutschland ist keine isolierte Insel im Meer der taumelnden Eurozone. Die Krise ist hier bisher anders spürbar.
Während deutsche Unternehmen und Vermögende ihr jährliches Einkommen in den letzten zehn Jahren um 50 Prozent gesteigert haben, sind die Reallöhne gesunken. Millionen Menschen müssen im Niedriglohnsektor arbeiten. Die Lebensperspektiven der Menschen werden immer unsicherer.
Gleichzeitig wird die Bundeswehr zur Armee im weltweiten Einsatz umgebaut. Eine starke und widerständige Partei links von der SPD ist für die kommenden Auseinandersetzungen unerlässlich.Wir brauchen DIE LINKE.
Motor der Bewegungen
Es zeigen sich hoffnungsvolle Ansätze einer kämpferischen Erneuerung innerhalb der Gewerkschaftsbewegung. Mit Blockupy ist nach der Occupy-Bewegung des Jahres 2011 wieder ein Kristallisationspunkt für Widerstand und ein Resonanzboden fürAntikapitalismus in Deutschland entstanden.
Hiervon fühlen sich Jugendliche angezogen, aber es gibt auch eine neue Offenheit und zunehmende Kritik am EU-Fiskalpakt im gewerkschaftlichen Milieu. Öffnet sich DIE LINKE für Aktivistinnen und Aktivisten und formuliert attraktive Angebote, kann sie neue Kraft tanken. Auch gegen Mietwucher, bei Aktionen gegen Neonazis oder gegen Atomkraft sind Hunderttausende von Menschen in diesem Land aktiv.
Wenn die Partei sich als Motor dieser Bewegungen versteht und praktisch und glaubhaft an deren Aufbau mitwirkt, hat nicht nur sie eine Zukunft – auch die Bewegungen von unten werden stärker. Damit wird es möglich, tatsächliche Veränderungen im Sinne der Menschen durchsetzen zu können. Die Arbeit der Partei muss vom Kopf auf die Füße gestellt und von Basis, Bewegung und Widerstand her gedacht werden.
Kritik am Kapitalismus
Wir brauchen DIE LINKE, weil sie mit ihrer Kritik an den Realitäten des Kapitalismus und für eine sozialistischen Perspektive,politische und praktische Impulse setzten kann. Sie ermöglichen, gemeinsam mit außerparlamentarischen Akteuren die Kräfteverhältnisse in diesem Land zu verschieben.
Die Piraten sind weder programmatisch noch organisatorisch in der Lage, diese Funktion zu erfüllen. Widerstand gegen die Politik von Merkel & Co. ist nötig, aber auch gegen die Krisenbewältigungsstrategien von SPD und Grünen, die sich mit ihrer grundsätzlichen Zustimmung zu ESM und Fiskalpakt mehrheitlich an die Fersen der Regierung geheftet haben.
SPD in der Opposition
Kern der innerparteilichen Differenzen ist das Verhältnis zur SPD und die Frage, wie DIE LINKE die Gesellschaft verändern kann. Die Situation ist im Vorfeld von 2013 anders als bei den letzten beiden Bundestagswahlen.
Die SPD ist wieder in der Opposition und blinkt dort links. 90.000 Wählerinnen und Wähler, die wir in NRW an die SPD verloren haben, sollten uns eine Warnung sein zu unterschätzen, wie schnell sich die Hoffnungen auf eine rot-grüne Alternative zu Schwarz-Gelb richten können.
Aktionsorientierte Zusammenarbeit
Wir sprechen uns dafür aus, außerparlamentarische Bündnisse mit Gewerkschaften und der SPD zu suchen, wo es möglich ist, zum Beispiel beim Mindestlohn und beim Kampf gegen Nazis. Auch in Bezug auf die Politik in der Eurokrise gibt es interessante Entwicklungen in der SPD.
Obwohl die SPD eine europäische Schuldenbremse befürwortet, kritisieren Teile der SPD den Fiskalpakt scharf – u.a. die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA). Andrea Ypsilanti hat an der Blockupy-Demonstration teilgenommen.
Haltelinien beibehalten
Eine bloße Erinnerung an den Verrat der SPD von 1998 bis 2009 überzeugt niemanden von der LINKEN und ignoriert das Bedürfnis der Menschen nach einem gemeinsamen Kampf für eine bessere Welt. Wir wollen Rot-Grün und ihre linke Rhetorik in der außerparlamentarischen Praxis auf den Prüfstand stellen. So können wir gesellschaftliche Erfolge erringen und gegenüber den Menschen, die auf Rot-Grün hoffen, zeigen, dass DIE LINKE die glaubhafte Alternative ist.
Dabei ist es entscheidend, dass wir die Unterschiede zur SPD nicht verwischen. Eine Neuauflage einer rot-grünen Bundesregierung unter den Bedingungen der Krise wird die Agenda 2010 nicht zurücknehmen, sondern den Spar- und Kriegskurs fortsetzen.
Deshalb formulieren wir im Erfurter Programm klare Bedingungen an Regierungsbeteiligung, die für die Wähler transparent machen, dass wir keine Kürzungsprogramme und keinen Kriegskurs mittragen. Diese Haltelinien finden sich im Leitantrag wieder. Es ist kein Zufall, dass sie in dem alternativen Leitantrag aus dem Unterstützerspektrum von Dietmar Bartsch fehlen.
Aktivistische Praxis
Der LINKEN kann ein zweiter Aufbruch als Bewegungs- und Mitgliederpartei gelingen, wenn sie sich im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 klar positioniert und deutlich macht, warum eine Stimme für DIE LINKE hilft, die Gesellschaft zu verändern. Innerhalb der Bevölkerung ist die Vorstellung weit verbreitet, dass sich gesellschaftliche Veränderungen wesentlich über die Parlamente vollziehen, da die potenzielle Macht von kollektiven Kämpfen als zu wenig greifbar erscheint. Dem hat DIE LINKE bisher zu wenig entgegengesetzt. Wir wollen eine aktivistische Praxis zwischen den Wahlen und deren Unterstützung durch die Fraktionen.
Der beeindruckende Aktivitätsgrad bei den vergangenen Wahlkämpfen und das tolle Engagement unserer Mitglieder zeigt die Potenziale, die in unserer Partei schlummern. Um diese zu entfalten, muss DIE LINKE sich als Bewegungs- und Mitgliederpartei weiter entwickeln. Wir begrüßen es, dass Katja Kipping und Bernd Riexinger als Vorsitzende kandidieren. Sie sind in der Lage, die Positionen der Partei glaubhaft nach außen zu vertreten und nach innen zu integrieren. Für eine LINKE, die eingreift und sich nicht anbiedert.
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