Beißende Anklagen gegen die Herrschenden gibt es in der Berlinischen Galerie zu sehen. Dort sind Werke der beiden Plakatkünstler John Heartfield und Klaus Staeck zusammen ausgestellt. Von Jan Maas
Ihre Werke sind Legende: »Der Sinn des Hitlergrußes« des Kommunisten John Heartfield von 1932, auf dem ein Industrieller dem NSDAP-Chef ein Geldbündel in die erhobene Hand legt, hat es in die Geschichtsbücher über die Weimarer Republik geschafft. Fast genauso berühmt ist das Plakat »Deutsche Arbeiter! Die SPD will Euch Eure Villen im Tessin wegnehmen!«, mit dem Klaus Staeck vierzig Jahre später den Bundestagswahlkampf kommentierte.
Noch bis Ende August stellt nun die Berlinische Galerie Arbeiten dieser wohl bekanntesten politischen Künstler aus Deutschland aus. In der Schau über Heartfield gibt es Plakate für die KPD, Buchumschläge und vor allem die Titelseiten zu sehen, die er ab 1930 für die Arbeiter Illustrierte Zeitung (AIZ) des kommunistischen Verlegers Willi Münzenberg anfertigte.
Fotomontage in den besten Händen
Heartfield perfektionierte für seine Anklagen gegen die Herrschenden und Warnungen vor den Nazis die Technik der Fotomontage. Damit konnte er Zusammenhänge und Gegensätze in einem realistischen Stil zeigen, die sich vorher nur zeichnerisch darstellen ließen. In Heartfields Händen fand das neue Verfahren seine denkbar beste Anwendung.
Ebenfalls mit montierten und verfremdeten Motiven prangerte Klaus Staeck die alten und neuen Eliten an, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs weiter für ihre Profite sorgten. Oft im Stil der jeweils aktuellen Wahl- und Werbeplakate gehalten, sorgten sie für Aufregung. Vor allem in den Unionsparteien, deren Mitglieder Staecks Werke schon mal von den Ausstellungswänden rissen wie 1976 in Bonn geschehen.
Ausgiebig bebildert die Ausstellung die Entwicklung und die Arbeitsweise der beiden Künstler. John Heartfields Montagetechnik geht auf die Collagen der Dada-Bewegung am Ende des Ersten Weltkriegs zurück. Durch den Verlag, den er mit seinem Bruder Wieland Herzfeld betrieb, trug er maßgeblich zur Entstehung dieser künstlerischen Bewegung bei.
Druckvorlagen aus der Werbung
Etliche von Heartfields Originalen stehen den AIZ-Titelseiten gegenüber, zu denen sie später verarbeitet wurden. So können die damals noch mit Schere, Klebstoff und Stiften angefertigten Montagen und Retuschen am Objekt nachvollzogen werden. Außerdem sind Fotos und Illustrierte ausgestellt, zum Teil bereits ausgeschnitten, die Heartfield für seine Arbeiten sammelte.
Klaus Staeck kam in den 1960er Jahren zur Plakatkunst. Nach ersten abstrakten Arbeiten verwendete er gebrauchte Druckvorlagen aus der Werbung und Verlagen in Bildern gegen den Vietnamkrieg. Von dort war es ein kurzer Weg zum Plakat. Staeck empfand es immer als seine Aufgabe, mit seiner Kunst in die Politik einzugreifen. Oft nahm er dabei Themen vorweg, wie die Umweltzerstörung.
Im politischen Bekenntnis der beiden Künstler spiegeln sich Spaltung und Tragödie der deutschen Arbeiterbewegung. Heartfield trat schon 1919 in die erst kurz zuvor gegründete KPD ein und musste 1933 vor den Nazis nach Prag und später nach London fliehen. 1950 zog er freiwillig in die DDR, doch die SED behinderte seine Arbeit und verweigerte dem Kommunisten der ersten Stunde die Aufnahme in die Partei, weil sie »Westemigranten« wie ihn für unzuverlässig hielt. Ab 1956 wurde Heartfield langsam rehabilitiert. 1968 starb er in Berlin.
Klaus Staeck dagegen floh 1956 aus Bitterfeld nach Heidelberg. Seit 1960 ist er Mitglied der SPD, arbeitete aber nie als Grafiker für sie. Die ebenfalls ausgestellten Fotografien Staecks demaskieren die hohlen Versprechungen des angeblichen Sozialismus ebenso wie die des Kapitalismus auch Steinmeierscher Prägung. Wie der künstlerische und politische Standpunkt des »überzeugten Sozialdemokraten« Staeck sich vereinbaren lassen, bleibt sein Geheimnis.
Ausstellung:
John Heartfield: Zeitausschnitte / Klaus Staeck: Schöne Aussichten, 29. Mai bis 31. August 2009, Berlinische Galerie, Alte Jakobstraße 124-128, 10969 Berlin-Kreuzberg (Karte)
Eintrittspreise:
6 Euro / ermäßigt 3 Euro. Jeden 1. Montag im Monat 2 Euro. Freier Eintritt bis 18 Jahre
Mehr im Internet:
- John Heartfield: Life and Work (engl.): Texte und Fotos
- Pro! Vo! Ka! Tion!: Spiegel-Artikel mit Fotogalerie