Ulrich Maurer: »Eiszeit – Staatsstreich des Kapitals oder Renaissance der Linken«, Riemann Verlag (2006), 286 Seiten, 18 Euro
Von Sebastian Zehetmair
Ulrich Maurer, ehemaliger Sozialdemokrat und heute parlamentarischer Geschäftsführer der Linken im Bundestag, rechnet in seinem neuen Buch in erfrischend kräftiger Sprache mit der neoliberalen »Eiszeit« ab und skizziert eine Strategie für die neue Linke. Er schildert den „Klassenkampf von oben«, der von den Eliten unter dem Deckmantel der Globalisierungsdebatte betrieben wird. Hierbei stellt er die allgegenwärtige Korruption ebenso dar wie die „kontrollierte Meinungsmache« einer hochmonopolisierten Presse.
Das intellektuelle Repertoire der »Macht- und Bildungseliten« beschränke sich auf »pragmatischen Nihilismus« und Zynismus. »Zorn und Aufruhr« seien »die richtige Antwort auf deren schändliches Regime.« Maurers ehemalige Partei, die SPD, zelebriere hingegen nur noch ihre eigene Passivität und Machtlosigkeit. Mittelfristig sei ihre Spaltung unvermeidlich.
Maurer argumentiert, dass die kapitalistische Konkurrenz zu einer Zunahme von Kriegen um Rohstoffe führe. Er kritisiert die Doppelzüngigkeit der Rot- Grünen Regierung, die sich verbal gegen den Irakkrieg ausgesprochen habe, diesen in der Praxis aber politisch und logistisch unterstützt habe.
Als erste Aufgabe der neuen Linken sieht Maurer die Unterstützung des außerparlamentarischen Widerstandes gegen Lohndumping, Privatisierungen und Arbeitszeitverlängerung. Auf koalitionstaktische Gedankenspiele verzichtet er.
Langfristig ist seine Alternative zum Kapitalismus ein Sozialismus, der auf dezentralen genossenschaftlichen Elemente beruhen soll. Dem heutigen Staat stellt er eine »wertebasierte Staatsidee« entgegen, die sich an den Idealen der französischen Revolution orientiert. Leider lässt er offen, wie sich diese Ideale durchsetzen können.
Maurer lehnt es ab, Migranten verantwortlich zu machen für Arbeitslosigkeit und niedrige Löhne. Er kritisiert aber zugleich eine »zu liberale« Einwanderungspolitik, die dem Kapital nütze und Arbeitern und Arbeitslosen schade. Seine Argumentation legt den Schluss nahe, dass eine striktere Einwanderungspolitik helfen könnte, das Problem der Lohnkonkurrenz zwischen deutschen und ausländischen Arbeitern zu lösen. Aber dieser Weg führt in die Sackgasse. Solange es Armut und Kriege gibt, wird es Migration geben.
Schärfere Einwanderungsgesetze fördern die Entrechtung und Illegalisierung von Migranten und erleichtern deren Ausbeutung. Die Linke sollte sich deshalb unzweideutig gegen sie aussprechen. Andernfalls wird sie ohnmächtig sein gegenüber künftigen Sündenbockkampagnen der Rechten. Der Kampf für den Mindestlohn und für volle politische Rechte für Migranten sind die richtige Antwort auf Lohndumping.
Abgesehen von diesen Kritikpunkten ist »Eiszeit« eine lesbare und lesenswerte Streitschrift gegen die neoliberale Klassengesellschaft, die etliche Denkanstöße für deren Gegner liefert.
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