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Israels Angriff auf den Schiffskonvoi mit Hilfsgütern für Gaza ist Teil einer langfristigen Strategie. Die restlichen Palästinenser in den besetzten Gebieten sollen mit allen Mitteln ausgehungert und zur Flucht getrieben werden, meint Stefan Ziefle.
Am Montag, den 31. Mai 2010, hat die israelische Marine in den frühen Morgenstunden den Hilfskonvoi des Free-Gaza-Bündnisses gestürmt. Bei diesem Angriff haben die Soldaten eine noch unbekannte Zahl von Aktivistinnen und Aktivisten, nach unterschiedlichen Medienberichten zwischen zwei und 16, erschossen. Der Angriff fand in internationalen Gewässern statt und war somit ein Akt der Piraterie.
Die Besatzungen der Schiffe hatten jedes Recht, sich mit allen verfügbaren Mitteln gegen den Überfall zu wehren. Die im türkischen Fernsehen ausgestrahlten Livebilder zeigen allerdings, dass die Verteidiger nichts außer Gasmasken und Stangen hatten. Die Behauptung der israelischen Armee, die Verteidiger hätten das Sturmkommando mit Äxten und anderen scharfen Gegenständen angegriffen, werden durch die Bilder Lügen gestraft. Die Angreifer haben sofort Tränengas und Schusswaffen eingesetzt.
Vorbereitete Attacke
Nach der erfolgreichen Eroberung der Schiffe hat die israelische Marine sie entführt und in einen israelischen Hafen gebracht. Die Armee hatte sich seit Tagen darauf vorbereitet und ein Internierungslager vorbereitet, wo die rund 700 Aktivistinnen und Aktivisten untergebracht werden sollen.
Bereits am Tag zuvor hatte ein Offizier der israelischen Armee durchsickern lassen, was genau geplant wurde. Diese Information war frei zugänglich. Jegliche Behauptung seitens der israelischen Armee, sie hätte ohne Wissen der israelischen Regierung gehandelt, ist absurd.
Die Free-Gaza-Flottille hatte zum Ziel, die völkerrechtlich illegale Blockade des Gazastreifens zu durchbrechen. Anders als bei bisherigen Versuchen dieser Art war dieses Mal das Ausmaß der Aktion. Wenn die Flotte mit rund 10.000 Tonnen Hilfslieferungen den Hafen von Gaza-Stadt erreicht hätten, wäre das de facto das Ende der Blockade gewesen: Gaza könnte über den Seeweg versorgt werden.
Blockade, Vertreibung und Trennungsmauer
Die israelische Regierung hat offensichtlich beschlossen, mit allen ihr zu Verfügung stehenden Gewaltmitteln die Blockade aufrecht zu erhalten und in dem Versuch fortzufahren, die palästinensische Bevölkerung des Gazastreifens auszuhungern und zur Flucht zu veranlassen. Die Blockade ist Teil einer Politik, die zum Ziel hat, das gesamte ehemalige Palästina vom Mittelmeer bis zum Jordan zu behalten und die Palästinenser darauf loszuwerden.
Die Blockade steht in einer Reihe mit der Zersiedelung des Westjordanlandes, der „Gentrifizierung« der palästinensischen Viertel in Tel Aviv und anderen israelischen Städten, der weitergehenden Vertreibung der Palästinenser aus Ostjerusalem und dem Bau der „Trennungsmauer« an und durch palästinensische Ortschaften im Westjordanland.
Die Vertreibung der Palästinenser von ihrem Land läuft seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Nakba („Katastrophe«) für die Palästinenser war die im Zuge der Staatsgründung Israels durchgeführte systematische Vertreibung von rund 800.000 Palästinensern aus dem von Israel 1948 annektierten Territorium. Seit der Eroberung der restlichen Teile des ursprünglichen Palästinas im sogenannten Sechstagekrieg 1967 setzten israelische Regierungen auf die Politik der schleichenden Vertreibung.
Im Interesse westlicher Konzerne
Dabei verstößt Israel permanent gegen Völkerrecht und UN-Resolutionen. Alle US-Regierungen, sowie die europäischen Regierungen, tolerieren dieses Vorgehen. Für sie ist Israel der wichtigste Verbündete im an Erdöl reichen Nahen und Mittleren Osten, der „unsinkbare Flugzeugträger«, wie es Henry Kissinger formulierte. Israel steht an vorderster Front gegen alle sozialen und politischen Bewegungen, die den Zugriff des Westens auf das Öl der Region gefährden könnten.
Israel ist Teil der Politik des Westens, die, wie es Bundespräsident Horst Köhler kürzlich formulierte, die Ressourcen und Transportwege für die Industrie absichern soll. Für unsere Regierungen sind die Palästinenser nur unbedeutende Opfer, die im Interesse der Konzerne in Kauf genommen werden müssen.
Nur wenn die israelische Brutalität so offensichtlich wird, dass die pro-westlichen Marionettenregime in Ägypten, Saudi-Arabien, Jordanien usw. unter dem Druck der eigenen Bevölkerung Zugeständnisse einfordern, entdecken US-Politiker ihre Sympathien für die Palästinenser. Allerdings immer nur kurz und halbherzig. Um die arabischen Diktaturen in eine Koalition gegen den Iran zu bekommen, schreckt die Obama-Regierung nicht vor öffentlicher Kritik an Israel zurück. Aber Konsequenzen folgen daraus keine.
Schnelle Proteste und langfristige Solidarität
Die internationale Solidaritätsbewegung hat sich zur Aufgabe gestellt, die Unterstützung für die israelische Politik zu beenden und den Palästinensern zu helfen, zu einer gerechten Lösung des Konfliktes zu kommen. Die Gaza-Freedom-Flottille war ein Element dessen. Wachsende Bedeutung bekommt die internationale Kampagne BDS (Boykott, Disinvestment, Sanctions), die nach dem Vorbild des Kampfes gegen das Apartheidregime in Südafrika ökonomischen Druck auf Israel aufbauen will.
Zu allererst allerdings müssen wir deutlich machen, dass wir die Einschränkung unserer Aktivitäten nicht hinnehmen werden, wie sie die israelische Armee heute vorgenommen hat. Proteste per Brief, E-Mail, Telefon an die israelische Botschaft oder die israelische Regierung, sowie Aufforderungen an die Bundesregierung und das Auswärtige Amt, Protest einzulegen, sind sinnvoll.
Die Solidaritätsbewegung organisiert Protestkundgebungen in der ganzen Welt, auch in Deutschland. Je mehr dort zusammen kommen, desto besser.
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Mehr im Internet:
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- In dieser Nacht wurde mitten auf dem Meer ein Verbrechen begangen: Pressemitteilung von Gush Shalom zum israelischen Angriff auf die Free-Gaza-Schiffe
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- Israel attacks Gaza aid fleet: Bericht und Video auf Al-Jazeera (englisch), weiteres Video von Al-Jazeera auf YouTube
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